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Kommentar MindestsicherungSchikane statt Integration

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Die konservative ÖVP wusste, dass die Benachteiligung von Flüchtlingen nicht verfassungsgemäß ist. Doch das ist ihr egal.

Die Deckelung für Sozialleistungen ist eine Schikane für Flüchtlinge Foto: dpa

I n Österreich hat sich die konservative ÖVP das von der rechtspopulistischen FPÖ besetzte Thema Ausländer und Flüchtlinge zu eigen gemacht – und ist damit erfolgreich. In Niederösterreich, wo die ÖVP mit absoluter Mehrheit regiert, haben sie ein Modell sozialer Diskriminierung geschaffen, das Bundeskanzler Sebastian Kurz so gut gefallen hat, dass er es nun in ganz Österreich durchsetzen will.

Leistung solle belohnt werden. Wer arm, arbeitslos oder krank ist, so wird suggeriert, ist selber schuld. Der Verfassungsgerichtshof hat die niederösterreichische Regelung der Mindestsicherung jetzt gekippt. Das kann angesichts der Warnungen von Juristen und Sozialexperten auch für die Regierung und die ÖVP nicht überraschend gekommen sein. Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist bekannt.

Aber „neu regieren“ heißt für die Konservativen unter Kurz offenbar nicht, die Verfassung einzuhalten, sondern mit populistischen Parolen Stimmen zu maximieren. Sozialneid, getarnt als Gerechtigkeit für Inländer, eignet sich bestens dafür. Dass so ein Gesetz dann nicht hält, wird in Kauf genommen. Denn seinen Zweck hat es längst erfüllt: die Wahlen sind gewonnen.

Die bedarfsorientierte Mindestsicherung wurde unter der Ägide des sozialdemokratischen Sozialministers Rudolf Hundstorfer geschaffen und sollte soziale Unterstützung für Bedürftige vereinfachen. Damals war noch nicht vorauszusehen, dass diese Basisfinanzierung für Mittellose eines Tages zigtausenden Asylwerbern und Asylberechtigten den Aufenthalt finanzieren würde. Die einen dürfen nicht arbeiten, die anderen sind mangels ausreichender Sprachkenntnisse schwer vermittelbar. Die Sozialbudgets werden also seit der Flüchtlingszuwanderung 2015/2016 stärker belastet, als geplant.

Die Modelle der Konservativen, bei der Mindestsicherung zu sparen, um Leistung zu belohnen, wären glaubwürdiger, wenn gleichzeitig mehr in Integration investiert würde. Aber auch dort soll der Rotstift angesetzt werden. Der Integrationstopf wird gestrichen, die Ausgaben für Integrationslehrer werden halbiert. Damit entlarvt sich die Regierung: Es geht ihr nicht um Leistung, sondern ums Schikanen für Flüchtlinge.

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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3 Kommentare

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  • Das Schlimmste daran ist, dass die Schikane tatsächlich wirkt und die Vertriebenen erneut vertreibt.

     

    Geflüchtete, die schon dachten in Österreich Sicherheit gefunden zu haben und jetzt fest stecken, sehen sich deshalb gezwungen, sich einen neuen Pass zu besorgen, um in ein besseres Asylland wie Deutschland weiter reisen und erneut Asyl beantragen zu dürfen.

     

    Das steigert den Frust unter denen, die das nicht können, dramatisch. Die Zahl der Messerattacken in Österreich hat sich nach Angaben der Kronen Zeitung bereits beinahe vervierfacht, von 190 auf 740. Auch Staatsgewalt erzeugt Gegengewalt.

     

    Man möchte den rechten Politikern fast wünschen, dass sie selbst wegen ihres christlichen Glaubens oder Unglaubens irgendwann aus Österreich vertrieben werden und irgendwo in Sibirien in einer unbeheizten Baracke im Etagenbett pennen müssen!

    • @Maike123:

      "Man möchte den rechten Politikern fast wünschen, dass sie selbst wegen ihres christlichen Glaubens oder Unglaubens irgendwann aus Österreich vertrieben werden und irgendwo in Sibirien in einer unbeheizten Baracke im Etagenbett pennen müssen!"

       

      Da wünsche ich mit!

  • Auch in Deutschland gibt es bei Hartz IV Schikane statt Integration...