Kommentar Mindestsicherung: Schikane statt Integration
Die konservative ÖVP wusste, dass die Benachteiligung von Flüchtlingen nicht verfassungsgemäß ist. Doch das ist ihr egal.
I n Österreich hat sich die konservative ÖVP das von der rechtspopulistischen FPÖ besetzte Thema Ausländer und Flüchtlinge zu eigen gemacht – und ist damit erfolgreich. In Niederösterreich, wo die ÖVP mit absoluter Mehrheit regiert, haben sie ein Modell sozialer Diskriminierung geschaffen, das Bundeskanzler Sebastian Kurz so gut gefallen hat, dass er es nun in ganz Österreich durchsetzen will.
Leistung solle belohnt werden. Wer arm, arbeitslos oder krank ist, so wird suggeriert, ist selber schuld. Der Verfassungsgerichtshof hat die niederösterreichische Regelung der Mindestsicherung jetzt gekippt. Das kann angesichts der Warnungen von Juristen und Sozialexperten auch für die Regierung und die ÖVP nicht überraschend gekommen sein. Die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs ist bekannt.
Aber „neu regieren“ heißt für die Konservativen unter Kurz offenbar nicht, die Verfassung einzuhalten, sondern mit populistischen Parolen Stimmen zu maximieren. Sozialneid, getarnt als Gerechtigkeit für Inländer, eignet sich bestens dafür. Dass so ein Gesetz dann nicht hält, wird in Kauf genommen. Denn seinen Zweck hat es längst erfüllt: die Wahlen sind gewonnen.
Die bedarfsorientierte Mindestsicherung wurde unter der Ägide des sozialdemokratischen Sozialministers Rudolf Hundstorfer geschaffen und sollte soziale Unterstützung für Bedürftige vereinfachen. Damals war noch nicht vorauszusehen, dass diese Basisfinanzierung für Mittellose eines Tages zigtausenden Asylwerbern und Asylberechtigten den Aufenthalt finanzieren würde. Die einen dürfen nicht arbeiten, die anderen sind mangels ausreichender Sprachkenntnisse schwer vermittelbar. Die Sozialbudgets werden also seit der Flüchtlingszuwanderung 2015/2016 stärker belastet, als geplant.
Die Modelle der Konservativen, bei der Mindestsicherung zu sparen, um Leistung zu belohnen, wären glaubwürdiger, wenn gleichzeitig mehr in Integration investiert würde. Aber auch dort soll der Rotstift angesetzt werden. Der Integrationstopf wird gestrichen, die Ausgaben für Integrationslehrer werden halbiert. Damit entlarvt sich die Regierung: Es geht ihr nicht um Leistung, sondern ums Schikanen für Flüchtlinge.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Etgar Keret über Boykotte und Literatur
„Wir erleben gerade Dummheit, durch die Bank“
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Ost-Preise nur für Wessis
Nur zu Besuch