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Kommentar MietpreisbremseGescheitert – nicht verfassungswidrig

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Mietpreisbremse ist verfassungswidrig, behauptet das Landgericht Berlin. Falsch. Aber sie ist aus anderen Gründen gescheitert.

Bis das Wasser bis zum Hals steht: die Mieten werden weiter steigen Foto: dpa

M ietenpolitik ist ein wichtiges Thema in diesem Wahlkampf. In vielen Städten galoppieren die Mieten, bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Die Konzepte der Parteien unterscheiden sich deutlich: SPD, Linke und Grüne wollen die 2015 eingeführte Mietpreisbremse verschärfen. Union und AfD sind skeptisch und die FDP will sie gleich ganz abschaffen.

Wenn nun das Landgericht Berlin die Mietpreisbremse für verfassungswidrig hält, sieht das so aus, als hätten Union/AFD/FDP schon vor der Wahl gewonnen – am Richtertisch. Doch es besteht kein Grund zur Aufregung. Der Beschluss der Berliner Richter hat fast keinerlei Bedeutung.

Ein Gesetz kann in Deutschland nur vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt werden; ein Landgericht kann die Karlsruher Richter nur um Prüfung bitten. Doch auch das hat das Landgericht Berlin nicht getan, denn die Verfassungsmäßigkeit der Mietpreisbremse war für die Lösung des konkreten Falls gar nicht relevant. Die Berliner Richter haben ihre Position zwar mit einem Hinweisbeschluss in den Prozess eingeführt und diesen nun veröffentlicht. Letztlich ist das aber nur eine juristische Meinungsäußerung von drei Berliner Juristen.

Dass die Mietpreisbremse verfassungswidrig sei, hat man auch vorher schon gehört, etwa vom Eigentümer-Verband „Haus und Grund“. Bisher wurde sie von Kritikern aber immer als übermäßiger Eingriff ins Grundrecht auf Eigentum gebrandmarkt. Die Berliner Richter rügen nun eine Verletzung des Gleichheitssatzes und fangen damit eine ganz andere, eher marginale Diskussion an.

Dynamik bremsen statt einheitlich beschränken

Zwar stimmt der Einwand, dass die Mietpreisbremse in Berlin bei einer Miethöhe ansetzt, die 70 Prozent niedriger liegt als etwa in München. Das ist aber keine unsachliche Benachteiligung von Berliner Vermietern, wie das Landgericht nun meint. Vielmehr gibt es in fast allen Ballungsräumen einen überhitzten Wohnungsmarkt mit schnell steigenden Mieten. Die Mietpreisbremse soll die Dynamik dieses Anstiegs jeweils brechen, nicht eine bundesweit einheitliche Miet-Obergrenze sichern.

Der Beschluss des Berliner Landgerichts wird in der juristischen Debatte also keine große Wellen schlagen. Dass er dennoch viel Medienecho fand, ist nur dem Wahlkampf geschuldet – und der hohen Symbolwirkung der Mietpreisbremse, deren Name so klingt, als würde sie tatsächlich funktionieren.

Das eigentliche Problem der Mietpreisbremse ist aber kein rechtliches, sondern ein praktisches. Denn trotz Mietpreisbremse steigen die Mieten recht ungebremst weiter. Die Befürworter machen dafür die vielen Ausnahmen verantwortlich und wollen die Mietpreisbremse verschärfen. Doch selbst wenn eine verschärfte Mietpreisbremse den Mietanstieg tatsächlich stoppen würde (was keineswegs sicher ist), dann wären weiterhin Wohnungen in Ballungsräumen zu knapp. Und es ist unwahrscheinlich, dass in der Konkurrenz um die weiterhin zu knappen Mietwohnungen nun plötzlich vor allem die einkommensschwachen und besonders schutzbedürftigen Bewerber zum Zuge kämen.

Auch wenn die Mietpreisbremse schön klingt, ist doch der Bau von hunderttausenden öffentlich geförderter günstiger Wohnungen mit Sozialbindung viel wichtiger. Hierfür sind aber wiederum die Länder zuständig, weshalb diese Diskussion im Bundestagswahlkampf leider auch ziemlich symbolisch ist.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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3 Kommentare

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  • Ich finde das sich Sozial Verbände und Kirchen stärker in den sozialen Wohnungsbau einbringen sollten.

     

    Die katholische Kirche z.B. hat Milliarden auf dem Konto - wäre gut angelegtes Geld.

  • “In vielen Städten galoppieren die Mieten“. Ist das so auch sozialpolitisch erwünscht?

     

    Die “Union/AFD/FDP“ und die Vermieter haben “schon vor der Wahl gewonnen – am Richtertisch.“

     

    Wer bestimmt die Richtlinien der Gesellschaftspolitik? Etwa auf dem Immobiliensektor? Die eigentumslosen Mieterinnen und vom Wohnungsmarkt abhängigen Mieter?

     

    Mal ernsthaft, welcher etablierte Politiker, mit Wohnungs- und Hauseigentum, und welcher analoge Vermögens- und Erbschaftseigentümer, unter den etablierten Anwälten und staatlich-juristischen Beamten, hätte schon ein ernsthaftes Interesse daran, die meist eigentumslosen und davon abhängigen Mieterinnen und Mieter und deren Familien vor Mietwucher zu schützen?

     

    Selbst wenn es hart wird, in der Auseinandersetzung mit Vermietern und Baugenossenschaft, da kneift der Mieterverein und seine Juristen. Sie ziehen sich auf die vorgegebene bürgerliche Rechtsprechung zurück, und lassen die Opfer der Vermietungshaie und deren klugen und oft undurchsichtigen Mobbingmethoden, gegen Mieter, im sprichwörtlichen Regen stehen.

     

    Die Gemeinschaft der Mieter, die es meist nicht gibt, wird geschickt von den Vermietern und von der etablierten sozialdemokratischen Baugenossenschaft gespalten. Das Ordnungsamt fragt nach Zeugen unter den übrigen Mietern, die sich in aller Regel vorsorglich verweigern, befürchten sie doch auch zu recht, die nächsten Opfer der Vermieter zu sein.

     

    Analoge Fortsetzung beim Amtsgericht. Hier die Ablehnung aus Mangel an Zeugen. Widerspruch beim Landgericht Berlin. Auch hier die Ablehnung.

     

    Auf dieser gesicherten und vorausschauenden Grundlage erfolgen dann, gegen das Mobbingopfer, die Abmahnungen und Kündigungsandrohungen. Ist sich doch der Vermieter darüber im klaren, dass es keine Unterstützung für seine Opfer gibt. So nicht von den folgenden Mietopfern, nicht von der Ordnungsbehörde, nicht vom Mieterverein, nicht von der staatlichen Justiz.

     

    Und zu guter Letzt, ohne Rechtsschutz, wer kann einen befähigten RA bezahlen?

  • Justiz außer demokratischer Kontrolle, so lässt sich die juristische Meinungsäußerung von drei Berliner Juristen in einem Kammergericht zusammenfassen. Auch muss erwähnt werden, dass viele Juristen im Staatsdienst, einen nicht unwesentlichen Teil ihres eigenen Vermögens durch Immobilien (Vermietungen, Spekulationen) aufbauen und aufbessern.

    Meine Familie betreibt hier in München seit Generationen eine Wohnungswirtschaft, wir verdienen also unser Geld mit der Vermietungen unserer Wohnungen. Die Mietpreisbremse hat sich nicht erst in ihre Anwendung als untauglich erwiesen, sondern das war bereits im Gesetzgebungsverfahren hinreichend klar, dass das Gesetz zur „Mietbremse“ in vollem Umfang scheitern wird. Die viele Ausnahmeregelungen wie im Artikel erwähnt, ist eine Ursache von vielen. Wenn SPD – Gesetze den „kleinen Mann“ schützen sollen halten sie selten, wenn aber SPD Gesetze gegen den „kleinen Mann“ gerichtet sind, dann halten auch vor der Justiz, siehe die Agenda 2010 Gesetze.

     

    Und noch eines, hier in München wurde in der 18jährigen Amtszeit des Selbstdarstellers Christian Ude (SPD Oberbürgermeister a.D.) jährlich 7.000 bezahlbare Wohnungen benötigt. Geschaffen wurden jährlich ca. 1.200. Dafür hat man die Bebauungen mit div. Bau-Satzungen (Parkplatz, Geschosszahlen, Grünflächen usw.) sowas von torpediert, dass neubauen für viele uninteressant wurde. Die 18 Jahre lange SPD Politik in München hat eine Stadt ohne Herz für Wohnungssuchenden hervorgebracht, denn die horrenden Mietpreise zahlen die Ärmsten und Schwächsten in unserer Gesellschaft. Für die eigentlich die SPD immer da sein wollte.