Kommentar Merkel trifft Macron: Madame Peut-être
Macron will europäische Souveränität schaffen – und von Merkel hört man nur Allgemeinplätze. Die deutsche Pro-EU-Fraktion ist stark geschrumpft.
V or ein paar Wochen hieß es allerorten, die Republik brauche endlich eine Regierung. Deutschland müsse Emmanuel Macron unter die Arme greifen, dem doch das Kunststück gelungen war, mit einem energischen Pro-Europa-Kurs Le Pen zu besiegen.
Im Koalitionsvertrag las man blumige Versprechungen. Man werde mit Frankreich die EU erneuern und Geld für Angleichung der sozialen Verhältnisse in Europa ausgeben. Der klare EU-Kurs schien einer der wenigen Vorteile der Groko gegenüber Jamaika zu sein, bei der Quartalspopulist Christian Lindner jede Annäherung an Paris erstickt hätte.
Wie es aussieht, braucht es keinen Lindner in der Regierung, um die Achse Paris–Berlin lahmzulegen. Das Gespenst des Rechtspopulismus reicht, um in der Union jede europapolitische Ambition zu erdrosseln. Merkel hat Macron in Berlin zwar nicht vor den Kopf gestoßen, aber auch kein Signal gesendet, dass Deutschland irgendeine von Macrons Reformideen stützt.
Eine EU-Einlagensicherung, verkündet Merkel, werde es erst „in ferner Zukunft“ geben. Das heißt auf Deutsch: nie. Die Kanzlerin klang zwar eher wie Madame Peut-être als Madame Non. Aber im Kern lautet die Botschaft: Macron allein zu Haus.
So beschwor Macron die Gefahr des Nationalismus und sein Ziel, eine europäischen Souveränität zu schaffen. Von Merkel hörte man nur Allgemeinplätze. In der EU-Politik gibt es zwei Währungen: Geld und Symbole. In der ersten will Merkel nicht zahlen, in der zweiten kann sie, die Politik als Technokratie begreift, es nicht.
Die SPD duckt sich derweil weg. Alarmierend ist, dass die Pro-EU-Fraktion in Deutschland, die nicht glaubt, dass ganz Europa nur scharf auf unser Geld ist, auf ein paar Sozialdemokraten, noch weniger CDUler und die Grünen zusammengeschrumpft ist. Dahin ist die Hoffnung, dass Merkel das Finale ihrer Kanzlerschaft nutzen könnte, um sich, ohne Rücksicht auf Murren in der Union, als weitsichtige Europäerin ins Geschichtsbuch einzutragen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei