Kommentar Merkel in der Generaldebatte: Bloß nicht konkret werden
Merkel hat noch einmal die Chance, die Enttäuschten wieder einzufangen. Mit holprigen Rundum-Reden wird sie das aber nicht schaffen.
A ngela Merkel ist nicht gerade berühmt dafür, sich klar auszudrücken. Sie ist die Königin des Viel-Redens-und-nichts-Sagens. Ihre Rede in der Generaldebatte zum Haushalt aber war selbst für ihre Verhältnisse merkwürdig unentschlossen. Merkel blickte vor allem zurück („Den Menschen in Deutschland ging es noch nie so gut“), lobte artig ihr Kabinett und blühte merklich auf, als es um Außen- und Sicherheitspolitik ging. Nach vorne aber sah sie auch diesmal: ungern.
Dabei hatte die Kanzlerin sich extra ein besonderes Thema ausgesucht: Digitalisierung. Damit will sie offenbar einen ähnlich inhaltsleeren Wahlkampf wie 2013 verhindern. Eigentlich eine kluge Wahl – ein einigermaßen harmloses Querschnittsthema. Man kann es so aufziehen, dass es wirklich jeden unmittelbar betrifft – Akademiker und Bildungsferne, Städter und Landbewohner, Autofahrer und Bahnreisende. Die Wirtschaft wird es lieben, die Jugend sowieso.
Es ist weniger heikel als harte Sozialthemen wie die Rente und riecht obendrein nach Fortschritt. Was genau will die Kanzlerin nun aber damit anfangen? Strengeres Vorgehen gegen Hasskommentare im Netz war die einzige einigermaßen greifbare Idee – aber das ist ja längst in Arbeit.
Bei Anne Will sagte Merkel neulich, sie habe darüber nachgedacht, ob sie dem Land noch etwas Neues geben könne. Die Generaldebatte wäre nun der passende Anlass gewesen, zu zeigen, was genau ihr denn da vorschwebt. Aber wenn sie der Demokratie in den nächsten Jahren eher helfen als schaden will, muss sie endlich Visionen haben, von denen sie ihre Wähler zu überzeugen versucht.
Mit holprigen Rundum-Reden wird Merkel nicht nur genauso wenig erreichen wie in den letzten Legislaturen. Sie hat nun auch noch einmal die Chance, die Enttäuschten wieder einzufangen. Mit gefälligem Gerede über digitalen Fortschritt und Phrasen wie „Globalisierung menschlich gestalten“ wird sie sie verschenken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“