Kommentar Luckes Parteiaustritt: Schlichtweg verkalkuliert
Er war Mitbegründer der AfD, deren Chef und setzte auf Stimmen vom rechten Rand. Letztlich wurde Bernd Lucke Opfer seiner eigenen Strategie.
B ernd Lucke verlässt die AfD. Damit zieht er die einzig mögliche Konsequenz aus den Geschehnissen vom Wochenende. Da hat er den Machtkampf, den er erst selbst zum Richtungsentscheid stilisierte, nicht nur krachend verloren, er wurde ausgebuht und angepöbelt, schlicht gedemütigt. Von diesem Erfolg angestachelt, marschierte die Parteirechte bei den anschließenden Vorstandswahlen durch. Wer auch nur ein Fünkchen Selbstachtung hat, kann dann nur eines tun: gehen.
Noch ist offen, ob Lucke und seine Gefolgsleute eine neue Partei gründen werden. Diese könnte jenen, die Mandate im Europaparlament, in Landtagen oder Kommunalparlamenten haben und behalten wollen, eine neue Heimat geben. Mehr aber auch nicht. Eine weitere marktliberale Partei braucht es nicht. Die Chancen der FDP, doch noch die Kurve zu kriegen, sind seit dem Wochenende weiter gestiegen.
Am Ende ist Lucke Opfer seiner eigenen Strategie geworden. Denn er hat, um der Partei den Sprung in die Parlamente zu ermöglichen, zunächst selbst auf Rechtspopulismus und Stimmen vom rechten Rand gesetzt. Hat versucht, Sarrazin einzuspannen, sprach von Einwanderern als „sozialem Bodensatz“, mal von „entarteter Demokratie“. Er postete: „Die Forderungen von Pegida halte ich für legitim.“ Und wollte es am Ende nicht gewesen sein.
Die Wahlerfolge verbuchte er ebenfalls zunächst für sich. Lucke, der Wirtschaftsprofessor, dachte, er könne all jene, die voller Wut und Hass auf Flüchtlinge und Muslime, auf das Establishment und alle Andersdenkenden sind, nutzen – und sie gleichzeitig im Zaum halten. Er hat sich verkalkuliert.
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