Kommentar Linksradikalen-Razzia: Vergesst die Linken nicht!
Die Bundesanwaltschaft stuft die RAZ, die bisher mit kleinen Brandanschlägen auffiel, als „kriminelle“ und nicht als „terroristische“ Vereinigung ein. Bravo!
D as Timing macht stutzig. Ausgerechnet einen Tag bevor die Bund-Länder-Experten-Kommission „Rechtsextremismus“ ihren Abschlussbericht vorlegt, durchsucht die Bundesanwaltschaft mit 300 Polizisten die Wohnungen von mutmaßlich militanten Linksradikalen. „Vergesst die Linken nicht!“ Ist das die Botschaft, die hier gesetzt werden sollte? Oder: „Wir werden nie wieder etwas unterschätzen“?
Zunächst ist anzuerkennen, dass die BAW gelernt hat. Sie stuft die „Revolutionären Aktionszellen“ (RAZ), die bisher vor allem mit kleineren Brandanschlägen in Berliner Stadtteilen auffiel, als „kriminelle“ und nicht als „terroristische“ Vereinigung ein.
In früheren Fällen, etwa beim mutmaßlichen Vorgänger „militante gruppe“ (mg), musste die BAW erst vom Bundesgerichtshof (BGH) darauf aufmerksam gemacht werden, dass Brandsätze gegen Gebäude und Sachen nicht geeignet seien, den Staat „erheblich zu schädigen“. Diesmal wurde zu Recht auf die Terror-Stigmatisierung verzichtet.
ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Trotzdem erklärte sich die Bundesanwaltschaft für zuständig – wegen der besonderen Bedeutung des Falls. Angesichts der verschickten Patronenhülsen – sie gingen an Innenminister Friedrich (CSU) und Vizegeneralbundesanwalt Griesbaum, verbunden mit der Ankündigung, die nächsten Patronen kämen „per Express“ – ist auch das nicht abwegig. Hier wird mit tödlicher Gewalt zumindest gedroht. Das ist mehr als lokal relevante Propaganda mit kriminellen Mitteln.
Ob jetzt aber wirklich gegen Verdächtige ermittelt wurde oder ob nur relativ wahllos linke Wohnungen und Zentren ausgeforscht wurden, wie die Betroffenen kritisieren, das wird wohl erst die spätere Überprüfung beim 3. Strafsenat des BGH erweisen. Er hat die Bundesanwaltschaft schon öfter in die Schranken verwiesen. Seltsames Timing von Hausdurchsuchungen ist allerdings nicht verboten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen