Kommentar Linke Koalition in Thüringen: Das rot-rot-grüne Herz Deutschlands
Wenn Rot-Rot-Grün es schafft, wird die Bundesrepublik wieder etwas bunter. Die Rückkehr des Realsozialismus muss niemand fürchten.
D as grüne Herz Deutschlands. Mit diesem Slogan hat die Tourismuswerbung Thüringens lange für den kleinen Freistaat geworben. Nun sieht es so aus, als könnte das Bundesland zum rot-rot-grünen Herzen Deutschlands werden – mit dem Linken Bodo Ramelow als Ministerpräsident.
Sollten die Mitglieder der Parteien in ihren Abstimmungen nichts dagegen haben könnte Ramelow am 5. Dezember gewählt werden. Die politische Landschaft Deutschlands wird dadurch ein gutes Stück bunter. An einen grünen Landeschef, den in Baden-Württemberg, hat man sich längst gewöhnt. Ob man sich auch an einen Ministerpräsidenten der Linken gewöhnen wird?
Mehr Geld für öffentliche Schulen soll ausgegeben werden, ein kostenfreies Kitajahr soll den Eltern im Land ermöglicht werden. Kann es das sein, wovor die Konservativen, Rechten und Rechtsradikalen, die mit brennenden Fackeln in der Landeshauptstadt Erfurt gegen Rot-rot-grün demonstriert haben, so Angst haben? Ist das die Rückkehr des Realsozialismus auf ehemaligen DDR-Boden? Wer sich vor diesem kleinen bisschen Kommunismus fürchtet, den darf man getrost als verbohrt bezeichnen.
Vielleicht aber liegen die Sorgen der wütenden Anti-Kommunisten auch ganz woanders. Die neuen Koalitionäre haben tatsächlich vor, den Verfassungsschutz des Landes neu zu definieren. Für gestandene Ordo-Politiker der alten Schule ist das gewiss eine grauenhafte Vorstellung. Der schlecht koordinierte Einsatz von V-Leuten, die die Nazis aus dem Umfeld des NSU jahrelang regelrecht gehegt haben, statt gegen sie tätig zu werden, soll begrenzt werden. Im Ursprungsland des Nazi-Terrors, dem zehn Menschen in Deutschland zum Opfer gefallen sind, ist das ein starkes Signal.
Sollte das der neuen Koalition gelingen, wird Thüringen so schnell niemand mehr als das bezeichnen, was es gewiss auch lange Jahre war: das braune Herz Deutschlands.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen