Kommentar Lehren aus der Bayernwahl: Alle Hoffnung auf Seehofer
Die CSU ist bei den Wahlen abgeschmiert. Wahrscheinlich wird mal wieder nichts drauf folgen in Berlin – es sei denn, Horst Seehofer geht freiwillig.
H errgottnochmal, lass diese Bayern-Wahl doch bitte endlich gelaufen sein! Derlei dachte man sich seit dem Start der Groko-Regierung immer wieder, angesichts des destruktiven Dauerfeuers einer CSU im Wahlkampfmodus. Nun ist sie gelaufen, diese Wahl. Aber die Aussichten auf Lösung des bayerischen Gefühlsstaus sind bescheiden.
Die CSU hat mit 37,2 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 eingefahren, sie wird fortan ihre Macht teilen müssen. Nach allem, was von Ministerpräsident Markus Söder am Wahlabend zu hören war, will er es lieber mit den mäandernden Freien Wählern statt den megaerfolgreichen Grünen tun. Personell und inhaltlich könnte dann im großen und ganzen in den kommenden fünf Jahren alles so bleiben, wie es bisher war. Ein paar Posten für Aiwanger und Co – und weiter geht’s.
Aus Sicht des Verlierers Söder völlig logisch: Geschwächt regiert es sich halt leichter mit den männerbündlerischen Beliebigen als mit den quotierten ProgrammatikerInnen. Die könnten ja tatsächlich eine andere Politik, gar neue Inhalte durchsetzen wollen. Da ist es leichter, sie als nicht bürgerlich kleinzuschwätzen.
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Strategisch hingegen macht Söder einen Fehler, dessen Auswirkungen heute noch nicht absehbar scheinen. Denn die BayerInnen haben Veränderung gewählt. Ihnen reicht es nicht mehr, von ihrer Landesregierung mit Geld überschüttet zu werden. Sie wollen weg von der bräsigen Selbstgefälligkeit hin zu einer nachhaltigen Strukturpolitik. Sagenhafte 180.000 Stimmen haben die Schwarzen an die Grünen verloren. Landschaft kann man nicht essen, heißt es in Bayern. Und verpulverte Steuergelder auch nicht, möchte man hinzufügen.
In Berlin kommt spätestens heute die Schockwelle aus München an. Viele Augen richten sich nun auf den Innenminister. Kein Zweifel, mit seiner irrlichternden Politik trägt Horst Seehofer großen Anteil am Landtagswahlergebnis der CSU. Ob er deren Vorsitzender bleiben darf, wird sich zeigen. Sein ewiger Rivale Söder scheint trotz des miesen Ergebnisses aus der Schusslinie zu sein; die Dingfestmachung und Entfernung eines Verantwortlichen steht noch aus. Doch selbst wenn Seehofer gegangen würde, wäre er nach wie vor der 69-Abschiebungen-zum-Geburtstag-Minister.
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Entlassen könnte ihn aus diesem Amt nur die Regierungschefin. Doch Angela Merkel zögert. Mal wieder. Jetzt mal Nerven behalten und auf die hessische Landtagswahl am 28. Oktober konzentrieren, lautet die eindringliche Devise aus ihrer CDU-Parteizentrale. Und danach? Kommt wieder irgendwas, ist wieder etwas wichtiger als Entscheidungen?
Angesichts der nachhaltig geschwächten Angela Merkel könnte vielleicht Horst Seehofer selbst die Auflösung bringen. An diesem Dienstag tritt er in seiner Eigenschaft als CSU-Vorsitzender vor die Hauptstadtpresse. Anders als die anderen Parteichefs wird er seinen Spitzenkandidaten Söder nicht mitbringen. Er kommt allein. Möglich, dass er sich dann zurückzieht. Ein großes Aufatmen wäre aus der Münchner Staatskanzlei zu vernehmen, mindestens. Und im Bundespräsidialamt könnte man schon mal die Papiere fertigmachen.
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