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Kommentar LandtagswahlenSie kippen – nicht

Georg Löwisch
Kommentar von Georg Löwisch

Misstrauen, Angst und die Profillosigkeit der etablierten Parteien machen es der AfD leicht. Das ist die Lektion des Wahltages.

Weiter nach rechts? Nö. Politik ist auch die Bereitschaft zur Konfrontation Foto: ovokuro/photocase.de

D ie Sieger dieser Wahlen vom 13. März 2016 sind die Angst, die Ausgrenzung und das Autoritäre. Die AfD als Senkrechtstarterin ist der Grund für dieses Ergebnis, die Ursache ist sie nicht.

Die Ursache ist, dass viele politische Spitzenkräfte den Glauben an sich und ihre Programmatik verloren haben. Sie misstrauen ihrer Parteibasis, sie misstrauen ihren Anhängern, sie misstrauen der Bevölkerung. Im Grunde misstrauen sie Deutschland. Den ganzen Wahlkampf lang glaubten sie nicht mehr an die Hilfsbereitschaft gegenüber Schutzsuchenden, an den Ehrgeiz und an die Geduld der Mehrheit. Stattdessen haben sie sich von morgens bis abends eingeredet, dass die Stimmung im Land kippt.

Dabei hat zusammengerechnet nicht mal ein Fünftel der Menschen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt die AfD gewählt. Sie kippen nicht, sie stehen.

Aber statt zu begreifen, dass diese starke Mehrheit kein anderes System will, haben Vertreter des Staates auch noch das Geschäft der Gegner befördert. Als Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer von der Herrschaft des Unrechts redete und Bundesinnenminister Thomas de Maizière von einer Schweigespirale, da drückten sie ihre Amtssiegel auf die Argumentationen der Rechtspopulisten.

Merkels Probleme wachsen

Noch verheerender war, dass keine echten Auseinandersetzungen geführt wurden. Die einzige für diese drei Bundesländer relevante Konfliktlinie verlief zwischen der AfD und allen anderen. So macht man seine Gegner groß.

Für die CDU steht noch nicht fest, ob sie aus diesem Wahltag mit Getriebeschaden oder nur einer zerbeulten Karosserie herauskommt. Angela Merkels interne Probleme werden von jetzt an jedenfalls noch größer. Die Paniker in der Union sehen in ihr die Mutter des Misserfolgs und sie werden sie als solche attackieren.

De Maizière und Seehofer haben ihr Amtssiegel auf die Argumentationen der Rechtspopulisten gedrückt

Die Grünen haben in Winfried Kretschmann immerhin einen Politiker, dem die Menschen vertrauen. Das ist viel. Das sensationelle Resultat des Superstars wird bei den Grünen auch die bundesweite Auseinandersetzung um den richtigen Kurs beeinflussen. Kretschmann wird mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 als unangreifbares Erfolgsbeispiel verkauft werden. Der Preis dafür ist hoch: das Verschwimmen der Differenzen zur CDU. Niemand hat etwas davon, wenn Grün und Schwarz zur dunkelgrünen Entengrütze zusammenflössen.

Denn die Abgrenzung darf eben nicht allein gegenüber der AfD stattfinden. Vielmehr müssen auch zwischen den anderen Parteien klare inhaltliche Linien verlaufen.

Sozialdemokratische Miniatur

Huch, und die SPD gibt es ja auch noch. Die haben wir ganz vergessen. Was offenkundig vielen an diesem Sonntag so gegangen ist.

Die SPD in Baden-Württemberg, einst stolze Partei mit Politikern wie dem Verfassungsvater Carlo Schmid, dem Nachdenker Erhard Eppler oder dem Energievisionär Hermann Scheer: kaum mehr Volkspartei. Die SPD in Sachsen-Anhalt, viele Jahre an der Landesregierung: eine Miniatur.

Die gelungene Aufholjagd von Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz kann nicht darüber hinwegtäuschen, das die Sozialdemokraten unter Sigmar Gabriel das Fiasko der Berliner Regierungsparteien komplettieren. Der SPD fehlt nicht nur gutes Personal. Ihr fehlen klare Konturen: in einem Wort die Unterscheidbarkeit.

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Georg Löwisch
Autor
Viele Jahre bei der taz als Volontär, Redakteur, Reporter und Chefredakteur.
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30 Kommentare

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  • Eine "Gegenpartei" gegen die überheblichen etablierten Parteien war schon lange überfällig. Sie waren so siegesgewiss, kannten und wollten auch nicht die Probleme der Menschen kennen, die mit wenig Geld ihr Leben fristen müssen, während die Politiker stets vor vollen Tellern saßen und nicht einmal auf den Nachtisch zu Gunsten der Ärmeren verzichteten.

     

    Die Schweine werden zwar ausgetauscht,

    der Saustall bleibt der gleiche.

     

    Kurt Tucholsky

  • "dunkelgrünen Entengrütze" - herrlich treffend! Ja, die Parteien haben sich sehr gewandelt. Die CDU ist teilweise links von der SPD angekommen, während die Grünen den konservativ-religiösen Part übernommen haben. Sie sind jetzt rechts der CDU angegommen. Irgendwo unter dieser "dunkelgrünen Entengrütze" schnappt die SPD verzweifelt nach Luft.

    Die LINKE schwadroniert in ihrer Traumwelt von sozialer Gerechtigkeit, verschreckt mit Personal wie Frau Weltfremd-Kipping auch die gutwilligsten.

    Da wundert es nicht, wenn eine neue konservative Partei die von der Union hinterlassene Lücke im Mitte-Rechts Spektrum zu füllen versucht.

    Die Themen hat die Bundeskanzlerin der AfD quasi auf dem Silbertablett präsentiert. Schon geradezu notorische Rechtsbrüche in der "Euro-Rettungs-Politik" und aktuell in der Migrationspolitik laden zur Opposition geradezu ein.

    Doch keine Partei wollte opponieren, obwohl viele Bürger die Politik falsch finden. Die Opposition hat ihren Job nicht gemacht, das führte letztlich zur Gründung der AfD und ihren derzeitigen Wahlerfolgen.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Thomas Ebert:

      "Die LINKE schwadroniert in ihrer Traumwelt von sozialer Gerechtigkeit, verschreckt mit Personal wie Frau Weltfremd-Kipping auch die gutwilligsten."

       

      Die Linke wollte mal 10€ Mindestlohn. Hillary Clinton schlägt 12$ vor und die Torys haben schon ca 9,30€ "living wage" (steuerfrei) eingeführt.

       

      Die Linke wollte vor kurzem 500€ HartzIV - das ist in etwa das was Peter Hartz vor mehr als 10 Jahren ausgerechnet hatte, bevor BertelsmannStiftung&Co es beschnitten haben.

       

      Die mediale Diffamierung der linken Politik verlief in den letzten 10-15 Jahren hauptsächlich mit Hilfe der spöttisch-paternalisitschen Begriffe "realitätsfremd", "soziale Romantik" etc.

      Na dann haben Sie jetzt stattdessen die bösen Buben (und Damen). Viel Spaß damit.

  • @ SMARAGD

     

    Danke für Ihre Verlinkung zu freitag.de:

     

    "(...) Man müsse unerlässlicherweise "provokante Aussagen" tätigen, welche widerum die "notwendige Aufmerksamkeit" generierten, schrieb Frauke Petry, Bundessprecherin der AfD, in einer geleakten internen Anweisung an Parteifreunde.

     

    So verwerflich diese Öffentlichkeitstaktik auch ist, da sie natürlich den rhetorischen und thematischen Diskurs deutlich verschiebt, so hat sie in ihrer Einschätzung dennoch leider recht. (...)

  • Nun gut, Sie als Journalisten gehen den gezielten Provokationen der AfD aber ebenso auf den Leim wie die anderen Parteien. Forderungen nach einer Erhöhung von Minirenten, nach besserer Unterstützung für Arbeitslose, nach höheren Steuern für Reiche usw. kamen auch in Ihrer Berichterstattung kaum vor.

     

    Die AfD scheint auch für Sie deutlich interessanter zu sein, und das ist wahrscheinlich auch einer der Gründe für ihren Erfolg. Die Partei will ja kein konsistentes Programm anbieten, sondern provozieren. Dann fangen Sie doch selbst einmal an, sie wie eine ordinäre 10-Prozent-Partei unter anderen zu behandeln! https://www.freitag.de/autoren/shartig/das-eigentliche-problem

     

    Gerade bei Arbeitern und Arbeitslosen hat die AfD in Sachsen-Anhalt viele Stimmen geholt. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/wahl-in-sachsen-anhalt-2016-wie-die-afd-punktete-a-1081497.html Sollten deren ökonomische Interessen nicht einen hohen Stellenwert in der Berichterstattung der taz haben? Warum ist dann Flüchtlingshass bei Ihnen das Hauptthema?

     

    Warum lassen Sie nicht selbst die Linkspartei sowie die linken Flügel von Grünen und SPD stärker zu Wort kommen? Viele AfD-Wähler wählen diese Partei eben gerade nicht aus Überzeugung, sondern um den Etablierten einen Denkzettel zu verpassen.

     

    Ja, Terror gegen Flüchtlinge muss als solcher bezeichnet werden. Das ist aber keine Rechtfertigung dafür, das Thema soziale Gerechtigkeit in der Versenkung verschwinden zu lassen. Im Gegenteil: Die Profillosigkeit der Etablierten in dieser Hinsicht muss ggfs. auch täglich Thema sein. Nicht nur die fragwürdigen Aussagen von AfD-Politikern.

    • @Smaragd:

      (...) Sollten deren ökonomische Interessen nicht einen hohen Stellenwert in der Berichterstattung der taz haben? (...)

       

      Ja, das finde ich auch. Ohne dabei das Flüchtlingsthema zu vernachlässigen.

       

      Mein Leserkommentar dazu: http://taz.de/Landtagswahl-in-Sachsen-Anhalt/!5286132/

  • Aber was ist der Fazit?

     

    Eine Analyse, die in der CDU-Zentrale kursiert, ist diese: Klarer Wahlsieger in Baden-Württemberg ist der Grüne Winfried Kretschmann, in Rheinland-Pfalz ist es Malu Dreyer von der SPD. Beide haben Merkels Flüchtlingspolitik gestützt - während sich Guido Wolf und Julia Klöckner im Wahlkampf-Schlussspurt von Merkel abgesetzt haben.

    • @Stefan Mustermann:

      Haseloff in Sachsen hat sich auch deutlich abgegrenzt, aber nicht verloren. So einfach ist es auch wieder nicht. Es ist eher so, das die Abgrenzung einer Julia Klöckner nicht abgenommen wurden. Sie war einfach unglaubwürdig!

  • Wer der wirkliche Gewinner und wer der Verlierer dieser Landtagswahlen ist, wird erst dann klar sein, wenn die jeweiligen in den 3 Bundesländern regierenden Koalitionen fest stehen!

     

    Was ist besser:

     

    nicht die meisten Stimmen holen aber in der Regierung sein

     

    oder

     

    die meisten Wählerstimmen holen und doch in der Opposition bleiben?

  • Wer eine bessere Sicherung der Grenzen wählen will, kann im liberalen Schweden die Sozialisten wählen, in Österreich die Sozialdemokraten, auch in Frankreich die Linke....nur in Deutschland muss man da wohl AfD wählen. DAS macht die AfD stark.

     

    Hatte diesmal erstmals Schwierigkeiten, die Linke zu wählen, ob ihrer völligen Unfähigkeit, unsere fragile Freiheit wirklich zu verteidigen, also Frauenrechte auch unter Ausländern einzufordern, Religionsfreiheit auch bei Moslems, ebenso Schwulenrechte und Kampf gegen Antisemetismus. Da regiert purer, blinder Relativismus angesichts vieler Feinde der Freiheit unter den Flüchtlingen und arabischen Migranten.

     

    Schlimm, dass diese Freiheit ausgerechnet von Demagogen wie Orban, Seehofer und AfD "geschützt" werden. Natürlich kann ich diese nicht wählen, bleibe beim Kreuz bei der Linken, aber wenn sich da kein Umdenken zeigt, fällt es immer schwerer.

    • @bejonia:

      Entschuldigung, was redest du da ...

      also wenn du in Deutschland für eine bessere Sicherung der Grenzen stehst, dann kannst du inzwischen wohl wählen was du willst ... speziell auch die Grünen ...

      Und mit diesem Wutbürgerpropaganda über böse Muslime auf zu trumpfen finde ich voll daneben ... und wer steht denn da an den Grenzen ... meinst du da gibt es keine Frauen, keine Schwulen Menschen, keine Kinder, keine unterdrückten Menschen... und wer schürt denn hier, in Stuttgart, in Dresden, ... den Hass auf alles auf alles was nicht ins Familienbild passt ... Demo für alle, PEgIdA ... und wer ist für unsere beschissene Integrationspolitik verantwortlich, dafür dass hier an so vielen Stellen Funkstille herrscht zwischen Menschen die hierher geflohen sind und Menschen die hier Leben, dafür dass keiner den Menschen die kommen in einer für sie verständlichen Sprache erklärt was hier wichtig ist, was Werte sind (kennen wir die überhaupt) ... und dass vor allem die Menschen hierher kommen dürfen die Arbeiten und nicht die die vor Verfolgung fliehen ...

      HÖR BITTE AUF! Freiheit schützen durch Zäune und Mauern ... mit Schießbefehl ... oder wie stellst du dir das vor?

      Freiheitsrechte einfordern, da stimme ich zu, auch bei Muslimen UND AUCH BEI "DEUTSCHEN" -

      BEI ALLEN ... dann ging es mir bessere, eine Beitrag mit dem Thema FREIHEITSRECHTE EINFORDERN der täte gut ...

      • @TobiasK:

        Bejonia hat leider recht. Mir geht es genauso wie ihr.

         

        Alle Parteien sagen zwar man braucht eine massive Senkung der Flüchtlingszahlen, nur ziehen sie völlig uthopische Schlüsse daraus.

         

        Mir fällt es auch immer schwerer, die Parteien zu wählen, die ich früher gewählt habe.

         

        Man kann nur hoffen, daß die Politiker die richtigen Schlüsse aus der Wahl ziehen und sich nicht einfach irgendwas zurechtbasteln wie Herr Löwisch.

        Das hilft nämlich nur dem Aufstieg von rechten Parteien. Ich hoffe wirklich, daß bei der AfD Ende der Fahnenstange ist. Mit solchen Schlußfolgerungen, auf die der Artikel kommt, wird das aber wohl leider nichts.

  • Auch unter den ca. 80% Nicht-AfD-Wählen gibt es einige, die die Zuwanderung stärker eindämmen möchten als die Bundeskanzlerin.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Man sollte bedenken, daß viele der bisherigen AfD-Anhänger und Neuwähler aus der sozialen Unterschicht stammen und/oder zu den Einkommensschwachen gehören. Diese Menschen sind oft nicht hellsten Köpfe, greifen begierig vereinfachende Parolen auf und sind sehr manipulationsanfällig."

     

    Und hatten plötzlich nachdem sich die SPD als Partei der Mitte neu erfunden hatte und die Linke zu einer Art kommunistischer ostdeutscher Folklore medial degradiert wurde, plötzlich keine Lobby mehr.

     

    Interessant wäre zu erfahren, wieviel Wähler die AfD von dem Nichtwähler-Pool gewonnen hat. Den Leuten wurde immer gesagt - Hauptsache zur Wahl gehen. Na dann.

     

    BTW, auch die hellsten Köpfe wählen oft nur nach (vermeintlichen) eigenen Interessen.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Lesen Sie ihr Geschreibsel noch mal Stück für Stück vor einen Spiegel vor,vielleicht ändert das ihre Meinung über arme Menschen.

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @ulf hansen:

        Lesen Sie nochmal mein Geschreibsel Stück für Stück durch und beachten die Anführungsstriche beim ersten Absatz - das heißt: ein Zitat.

         

        BTW, sollte eine Antwort auf PETER A. WEBER sein.

  • Die AfD setzt sich zusammen aus strammen Rechten, aus Protestwählern und ehmaligen Nichtwählern, die sich von den populistischen Rattenfängern haben instrumentalisieren lassen.

     

    Man sollte bedenken, daß viele der bisherigen AfD-Anhänger und Neuwähler aus der sozialen Unterschicht stammen und/oder zu den Einkommensschwachen gehören. Diese Menschen sind oft nicht hellsten Köpfe, greifen begierig vereinfachende Parolen auf und sind sehr manipulationsanfällig.

     

    Wenn man berücksichtigt, daß gerade die Unterpriveligierten eine Partei wählen, die den Mindestlohn abschaffen, Hartz IV verschärfen und die Einkommenssteuer senken will, dann müssen die Menschen darüber hinaus auch noch ziemlich dumm sein, daß sie dies nicht erkennen können. Sie wählen eine neoliberale Partei, der das Schicksal des einfachen Volkes so ziemlich gleichgültig ist.

     

    Die AfD wird als Mitglied in den Landesparlamenten nicht mehr so leicht von ihren Schwachstellen ablenken können. Politik besteht schließlich nicht nur aus Ausländerhetze und Stimmungsmache gegen Flüchtlinge.

    • @Peter A. Weber:

      Lesen, schreiben und rechnen lernt man in der Schule. Die Wirtschaft braucht ja schließlich Menschen, die selbständig agieren können in ihrem Auftrag. Was sie nicht braucht, sind Leute, die reflektieren. Deswegen hat auch noch kein IHK-Mann sich beschwert darüber, dass man (Selbst-)Reflexion nicht in der Schule lernt.

       

      Den Menschen, die Sie die "Einkommensschwachen" nennen und denen Sie attestieren, dass sie "oft nicht [die] hellsten sind", hat unser Schulsystem längst jede Lust aufs Selberdenken ausgetrieben. Dass solche Leute "begierig vereinfachende Parolen auf[greifen]" und im Zweifel "sehr manipulationsanfällig [sind]", ist logisch. Sie haben halt nichts anderes gelernt als zu folgen. Sie lesen keine Wahlprogramme. Sie hören höchstens, was man über die Parteien sagt.

       

      Über die AfD wurde gesagt, dass sie der Gegner der Etablierten ist, gerne auf Grenzverletzer und Angela Merkel schießen würde, und den Etablierten Angst einjagt. Die wenigen Versuche, die AfD zu „entzaubern“, wie es immer so schön heißt in den Sonntagsreden, waren zum Scheitern verurteilt, weil "die Medien" und "die Politiker" schon lange nicht mehr glaubwürdig sind für Leute, die ihnen am A...llerwertesten vorbei gehen. Man hat die AfD mit Arroganz behandelt, genau wie jedes andere Schmuddelkind. Dass sie in Führer und gefolge zerfällt, hat man geflissentlich negiert. Wer nicht gelernt hat, (sich) zu reflektieren, der glaubt womöglich wirklich, dass so eine Partei quasi sein natürlicher Verbündeter ist. Ein Irrtum, klar. Nur: Davon gibt es etliche.

       

      Vermutlich wird die Praxis demnächst zeigen, was die AfD NICHT ist: Eine Alternative für Deutschland nämlich. Ihre Wähler werden das vermutlich irgendwann kapieren. Ob auch die etablierten Parteien es kapieren werden? Ich bin gespannt.

    • @Peter A. Weber:

      schauen Sie sich die Positionen von der CDU von 1990 an. Dann wird vieles klarer...

  • Man muss schon sehr lange suchen, um echte Widersprüche zwischen den Grünen und der CDU zu finden. Die CDU ist nicht zuletzt dank Merkel nach links gerückt (oder erscheint vor der allgemeinem Erstarkung der Rechten überall zumindest sehr deutlich so), die Grünen haben das durchgemacht, was etablierte Parteien immer durchmachen, sich nämlich am System systemstabilisierend stabilisiert. Die SPD ist damit buchstäblich überflüssig geworden, denn spätestens mit Schröder ist sie deutlich nach rechts gerückt, um dann in der GroKo unterzugehen.

     

    Die AfD profitiert von Protestwählern, die links von der SPD nichts finden, das nicht schon verbraucht ist, vom Neoliberalismus die Schnauze voll haben, vorne nichts sehen wollen, was sie haben wollen und gerne den Rückwärtsgang einlegen und blind Vollgas geben wollen.

     

    Das ganz Europa, nein, die ganze Welt nach rechts rückt (wobei selbst der Islamismus eher faschistisch als alles andere ist), hängt auch mit einem historischen Versagen der Linken zusammen, die lieber mit erstarrten Traditionen hantieren, als das neue globale Lumpenproletariat (technical term) als das revolutionäre Subjekt zu sehen, das es ist.

     

    So banal es klingen mag, aber Merkel ist linksradikaler als die ganze Linke und die einzigen, die das völlig korrekt, wenn auch verworren, genau so sehen, sind die Rechten.

  • Die Medien haben ganze Arbeit geleistet. Mit dem Wort »Flüchtlingskrise« wurde immer und immer wieder das Wort Flüchtling mit dem sehr negativen Wort Krise verschmolzen. Gezielt wurden so Emotionen aufgeheizt und immer wieder die AFD in den Mittelpunkt der Berichterstattung gerückt. Eine bessere Wahlkampfhilfe ist kaum möglich. Leider bezahle ich dafür auch noch Rundfunkgebühren. Vielleicht sollte man mal aus Gewissensgründen die Zahlung verweigern.

    • @Joseph Tannhuber:

      Es gibt in der Klinischen Psychologie den Begriff "Angstlust". Man versteht darunter "eine zwiespältige Gefühlslage, bei der aus einer bedrückenden Angstphase selbst oder aus ihrem erfolgreichen Überstehen und Bewältigen ein erregendes Erlebnis erwächst". Ich fürchte fast, die deutschen Medien (und nicht nur die) sind daran unheilbar erkrankt.

       

      Die Leute, die "die Medien" sind bzw. machen, sind Teil dieser Gesellschaft. Als solcher haben sie vermutlich genau so viele schlechte Kino- und Fernsehfilme gesehen, waren genau so oft der Gehirnwäsche der für käufliche Abenteuer werbenden Wirtschaft und dem Celebrity-Irrsinn ausgesetzt, wie jeder andere von uns. Berufsbedingt vielleicht sogar noch häufiger. Dass sie den sogenannten Kick jetzt auch in ihrer Arbeit suchen, erstaunt mich nicht. Sie sind wahrscheinlich längst schon süchtig danach.

       

      Was das für die Gesellschaft bedeutet, blenden sie aus. Und vielleicht müssen sie das ja sogar. Zumindest, wenn sie ökonomisch überleben wollen und kein Genossenschaftsmodell betreiben. Ja, da ist vermutlich jede Menge Angst im Spiel, auch in den Medien. Und wer es nicht geschafft hat, Lust daraus zu ziehen, der ist wahrscheinlich mittlerweile längst ein Wrack. Kein Hahn kräht mehr nach ihm. Weil: Solche-Welche machen uns ja noch mehr Angst, als wir schon haben.

  • Warum hat die AfD Erfolg? Weil Merkel zu offensiv ihre Flüchtlingspolitik betrieben hat? Weil in Deutschland ein normlaer Mensch, wenn er arm oder arbeitslos bedeutungslos und mit ALG-II (Hartz IV) abgespeist wird? Ich finde es nicht überraschend, dass viele Menschen in Sachsen-Anhalt der Regierung einen Denkzettel ausgestellt haben. Schade ist es gleichwohl schon, denn das Parlament wird jetzt mit unfähigen, ideologisch-aufgeladenen Möchtegern-Politikern überschwemmt, die letztlich wirkungslos bleiben werden, jedenfalls prognostiziere ich das mal. Und die AfD hat für Länderparlamente eigentlich keine Kompetenz, denn sie thematisiert eigentlich nur Bundespolitik und kann dann im Zweifel mal hier oder mal dort gegen ein Flüchtlingsheim polemisieren, aber für Lösungen wird der Rest des Parlaments zuständig sein und die werden die Chance nutzen, sich an der AfD zurächen.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Andreas_2020:

      Bin nicht so sicher, dass die AfD in der Versenkung verschwindet, sobald das Flüchtlingsthema nicht mehr dominiert.

      Sie besteht nicht nur aus den Hohlköpfen wie die NPD, hat einen griffigeren Parteinamen (3-Buchstaben-Abkürzung) als die Republikaner und ist jetzt fest drin.

       

      Ich hab gerade die Zusammenfassung deren Programms(entwurfs) gelesen und in den normalen Zeiten müssten diese Positionen die Partei gewaltig Stimmen kosten. Da wird kein gemütliches Heim für die Volksgenossen geboten, sondern vielmehr eine Zack-Zack-Gesellschaft, wo eine AfD-Elite der breiten Masse sagt wo es lang geht. Da gehen noch manch "Abgehängtem" schön mal die Augen auf, wenn er denn sich die Mühe macht und Interesse hat. Aber vielleicht bekommt die Partei jetzt mehr mediale Gelegenheit darüber zu sprechen.

       

      Warum dann trotzdem Zweifel an deren schnellem Verschwinden? Wenn dieses Land sozial nicht besser aufgestellt wird (und danach sieht es nicht aus), dann wird die AfD genug Themen finden, die die Probleme des Landes externalisieren (EU, Beiträge, Zentralbank) oder völkisch auslegen (Arbeitsplätze vorrangig für Deutsche o.ä.). Nicht ausgeschlossen auch, dass die Partei schnell einen Anschluss an die CDU suchen wird und sie mehr nach rechts zieht, was dann als Erfolg verkauft wird.

      Verlierer der ganzen Entwicklung? Sicherlich die SPD und die soziale Frage in diesem Lande. Leider kein Bernie Sanders breit und weit.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Also Jaroslaw in Hamburg schafft die AfD eigentlich nichts und was in deren Programmen steht, hat wohl wenig mit der Realität oder deren politischen Fähigkeiten zu tun. Kurz ich glaube nicht an eine dauerhafte AfD - vor zwei Jahren hätte ich es so ähnlich gesehen, wie Du, aber zu meinem Erstaunen kann die AfD Politik nicht. Es ist eine unerfahrene Gruppe, die sich eigentlich sofort zerstreitet.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @Andreas_2020:

          Landespolitisch wird's die AfD schwer haben, jedenfalls am Anfanf, weil sie mit einem 1-Punkt-Programm (Euro) gestartet ist und immer noch von einem 1-Punkte-Programm (Flüchtlinge) zehrt.

          Nichtsdestotrotz glaube ich, dass die nicht so blöd sind und wissen, dass man auf Dauer monothematisch nicht weit kommt.

           

          Zu Hamburg kann ich nicht viel sagen. Die Personalqualität schwankt bestimmt von Land zu Land. Der Erfolg könnte jetzt mehr fähiges Personal anziehen, was allerdings auch davon abhängt wie weit die AfD jetzt pariasiert wird.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        "Da wird kein gemütliches Heim für die Volksgenossen geboten, sondern vielmehr eine Zack-Zack-Gesellschaft, wo eine AfD-Elite der breiten Masse sagt wo es lang geht", schreiben Sie, und ich kann förmlich vor mir sehen, wie Ihre Nackenhaare sich aufstellen dabei. Deswegen meine Fragen:

         

        1. Was, genau, hatten bisher die Etablierten im Angebot, wenn nicht "eine Zack-Zack-Gesellschaft, wo eine [...]Elite der breiten Masse sagt wo es lang geh"“?

        2. Was, genau, würde uns Ihrer Ansicht nach eine "(tatsächlich oder mutmaßlich) überdurchschnittlich qualifizierte[] Person[]" (Wiki-Definition von "Elite") wie Bernie Sanders helfen, wenn er uns sagen würde, wo es langgeht?

         

        Das "gemütliche Heim für die Volksgenossen", fürchte ich, ist längst Geschichte. Wenn überhaupt, dann gab es das kurz nach dem Krieg. Man hat es Wirtschaftswunderdeutschland genannt – und gehofft, dass es die Welt vor neuen Nazis schützt. Eine Weile hat das funktioniert. Jetzt, wo die Deutschen nicht länger gepampert werden, fällt ein Teil von ihnen in die Vorpubertät zurück. Ein weiterer Teil aber mimt den Teenager-Rüpel. Beides wirkt nicht unbedingt beschleunigend auf einen irgendwie gearteten Fortschritt, fürchte ich.

         

        Wenn nicht eine deutliche Mehrheit von uns endlich lernt, auch ohne Führer richtig zu entscheiden, sehe ich persönlich schwarz bzw. braun. Sie etwa nicht?

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @mowgli:

          1. Ich glaube, dass die AfD (was man aus deren Aussagen und Programm/entwürfen entnehmen kann) noch eine gewaltige Schippe drauflegen könnte (https://correctiv.org/media/public/a6/8e/a68ed5e4-32a8-4184-8ade-5c19c37ff524/2016_02_23-grundsatzprogrammentwurf.pdf). In jeder Hinsicht (Steuer, Soziales, Strafrecht, Gleichberechtigung etc.). Vielleicht wird's noch entschärft, wenn man eine Annäherung an die CDU suchen sollte, in der ökonomisch-sozialer Programmatik allerdings wäre AfD für die Union ein neoliberaler Turbo-Booster.

           

          2. Materiellen Egalitarismus. Versanden als Nichtzulassen von bestimmten Dimensionen der Unterschiede in der Vermögens-/Einkommensverteilung und Schaffung einer Untergrenze. Es geht gar nicht um 100, 200 oder 300 Euro mehr für wen auch immer, es geht vielmehr darum, dass dem materiellen Egalitarismus, der Bildungs- und Chancenegalitarismus folgen. Nicht verstanden als gleiche Zugangsbedingungen für alle, sondern als Ausgleich und Förderung. Eine moderne Gesellschaft deren große Teile über 3-4 Generationen da bleiben wo ihre Eltern und Großeltern waren wird nicht funktionieren.

  • Wieso sind die Politiker schuld, was die Wähler wählen? Die massive Einwanderung von Asylanten ist eine Folge der Globalisierung und des Internets: die Menschen wandern mit ihrem Smartphone und Kontaktadressen und Kontaktinfos durch die halbe Welt, getrieben von Kriegen und Armut. Die Menschen im Westen werden davon überrollt und die Gefühlslage ist gespalten.

    Die Verantwortung von Wahlergebnissen liegt immer auf beiden Seiten, die Wähler und die Politiker.