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Kommentar Krise in der UnionSöbrindts Killerspiel

Georg Löwisch
Kommentar von Georg Löwisch

Söder und Dobrindt treiben Seehofer wie mit dem Joystick vor sich her. Mit ihrer Brutalität gefährden sie die Zukunft ihrer Partei.

Horst Seehofer trudelt als politisch Untoter durch Berlin Foto: ap

W enn politische PR vor Kitsch trieft, dann verbirgt sich dahinter häufig besondere Brutalität. Als CSU-Parteichef Horst Seehofer zurücktreten wollte, nachts in der CSU-Landesleitung in der Münchner Mies-van-der-Rohe-Straße, da ergriff Alexander Dobrindt das Wort.

„Das ist eine Entscheidung, die ich so nicht akzeptieren kann“, sagte der Vorsitzende der CSU-Abgeordneten im Bundestag. Was für eine Geste. Der Ziehsohn, den Seehofer einst im Februar 2009 zum Generalsekretär gemacht hat, wirft sich vor den Mentor, bestürmt ihn, bitte geh nicht!

Doch Seehofer noch einmal nach Berlin zur Kanzlerin zu schicken, ist eine eiskalte Aktion. Der Parteichef und Bundesinnenminister soll mit Angela Merkel noch einmal darüber reden, dass ihre asylpolitischen Verabredungen mit anderen EU-Staaten samt Maßnahmen in Deutschland nicht reichen.Was die zwei am Samstag schon nicht schafften, soll nun gelingen.

Wahnsinn: Eigentlich hatte die CSU am Sonntagabend die Chance, ein schnelles Ende Horst Seehofers zu nutzen. Er hätte den ganzen komplizierten Streit ins Grab seiner Karriere mitnehmen können, nachdem er sein Testament in Form seines 63-Punkte-Masterplans ausgeteilt hat. Stattdessen lassen Alexander Dobrindt und Ministerpräsident Markus Söder Seehofer als politisch Untoten durch die Welt reisen.

Eine Landtagswahl ohne Merkel?

Söder und Dobrindt betreiben Politik wie ein Killerspiel. Sie sitzen vor der Playstation und können nicht aufhören, weil sie denken, immer einen neuen Trick zu kennen. Aus ihrer Sicht ist aus Horst Seehofer offenbar noch wunderbar viel herauszuholen. Drei Szenarien:

1. Seehofer trudelt durch Berlin. Vielleicht richtet er so viel Schaden an, dass Merkel noch mehr beschädigt wird und am Ende aufgibt. Merkel mitreißen – das wäre ja vielleicht auch für Seehofer eine schöne Aussicht. Allerdings bleibt ihm dabei nicht einmal mehr die Restheroik eines Märtyrers, die ihm ein konsequenter Rücktritt am Sonntag gebracht hätte. Söder und Dobrindt dürften das anders sehen: Sie sind offenkundig angetörnt von der Option einer bayerischen Landtagswahl ohne Merkel im Kanzleramt.

2. Seehofer vollzieht den Rücktritt. Dann können Söder und Dobrindt mit Merkel einen Formelkompromiss schließen, ungefähr so: Brüsseler Einigung sieht ja nationale Maßnahmen vor, Bayerns Polizei macht bei der Grenzsicherung mit plus intelligente Polizeimaßnahmen, von denen Merkel schon gesprochen hat.

3. Seehofer bleibt aus irgendeinem Grund doch noch Bundesinnenminister, zum Beispiel, indem die CSU schon längst bestehende Angebote Merkels als Kompromissangebote umetikettiert. Dann hätten Söder und Dobrindt schon mal einen, der nach einem schlechten Resultat bei der Landtagswahl gehen müsste: den Vorsitzenden und Bundesinnenminister.

Eine neue Radikalisierung

Der Journalist Markus Söder und der Soziologe Alexander Dobrindt: Sie sind zusammen mit Seehofer die Protagonisten eines Überbietungswettbewerbs im Überbietungswettbewerb. Mehr und mehr haben sie mit der AfD auf deren Themenfeldern konkurriert.

Aber sie konkurrieren eben auch untereinander, damit nach einer Landtagswahlniederlage niemand dem anderen vorwerfen kann, zu wenig getan zu haben. So hat sich auch die Sprache radikalisiert, bis hin zu trumpistischen Tönen. Maßnahmen müssen so einfach und klar klingen wie das Verb „zurückweisen“.

Was neu in dem Konflikt ist, der seit zwei Wochen tobt: die Radikalisierung der politischen Mittel. Man ist bereit, viel mehr aufs Spiel zu setzen als irgendjemand gedacht hat: Die Regierungsbeteiligung. Die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU. Grundkoordinaten des Parteiensystems.

Und selbstverständlich das Vertrauen darin, dass es der Politik nicht nur um Machtkämpfe geht. Denn genau so funktioniert die Welt von Söder und Dobrindt. Der Grünen-Chef Robert Habeck hat es kürzlich treffend formuliert: „Es geht um Macht in ihrem nacktesten und brutalsten Sinn.“

Ist die CSU verloren?

Bleiben CDU und CSU beisammen? Ist Merkel sicher vor einem Sturz? Was kommt in der Flüchtlingspolitik? Wichtige Fragen. Aber vielleicht ist heute der Tag für eine andere Frage: Ob die CSU verloren ist, verzockt in Söbrindts Killerspiel.

Heute Abend in Berlin wird längst nicht mehr über Horst Seehofers Ende allein verhandelt. Sondern über das Ende der CSU als ernst zu nehmende politische Partei.

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Georg Löwisch
Autor
Viele Jahre bei der taz als Volontär, Redakteur, Reporter und Chefredakteur.
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