Kommentar Krim-Sabotage: Gefährliches Spiel mit dem Strom
Ob die Ukraine wieder Strom auf die Krim liefert, ist keine technische, sondern eine politische Frage. Die Regierung hat das Heft aus der Hand gegeben.
D er Konflikt um die Krim, die sich Russland unter den Nagel gerissen hat, mag für viele schon abgehakt sein. Für andere, die ein Stück Heimat verloren haben, ist dieser Konflikt da und er muss ausgetragen werden. Die Frage ist nur, mit welchen Mitteln. Und hier sollte Richtschnur der in Russland beliebte Satz sein: „Hauptsache, es gibt keinen Krieg.“
Doch die Blockadeaktionen von Krimtataren und Rechtem Sektor, die wir derzeit an der administrativen Grenze zur Krim erleben, werfen Fragezeichen auf. Glücklicherweise hatten die Blockierer ihr Einverständnis zu Erdungsarbeiten an den am Boden liegenden Masten gegeben. Dass vor der sachgemäßen Erdung niemand durch die Masten und deren Kabel verletzt wurde, grenzt an ein Wunder.
Die ukrainischen Kraftwerke decken eine hohe Grundlast des Energiebedarfs ab. Wenn ein Großabnehmer kurzfristig ausfällt, wird das Gleichgewicht des gesamten Energienetzes empfindlich gestört. In einer ersten Reaktion hatte der Direktor der ukrainischen Stromagentur Ukrenergo, Jurij Kasitsch, berichtet, zwei Atomkraftwerke hätten als Folge der Zerstörung der Masten ihre Kapazitäten kurzfristig auf ein niedriges Produktionsniveau herunterfahren müssen. Das, so der Atommanager, sei ein gefährliches Unterfangen gewesen.
Ob die Ukraine in den nächsten Tagen die zerstörten Anlagen reparieren und die Stromlieferungen an die Krim wieder aufnehmen wird, ist keine technische, sondern eine politische Frage. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim berechtigt die Ukraine zu Boykottmaßnahmen gegen Russland.
Doch ein Stromlieferstopp sollte Chefsache sein, das Für und Wider sorgfältig abgewogen werden. Wenn sich Präsident Poroschenko von Rechtem Sektor und Krimtataren das Heft des Handelns aus der Hand nehmen lässt, stellt er damit nicht nur das Gewaltmonopol des Staates infrage, er spielt auch mit der Gefahr eines neuen Tschernobyl.
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