Blackout auf der Krim: Strom und Gas als Waffen im Krieg
Während der Krim der Strom gekappt wird, droht Moskau mit dem Stopp der Gaslieferungen. An Entspannung scheint niemand interessiert.
Geschäfte und Supermärkte können keine Lebensmittel mehr einlagern. Aus vielen Gefriertruhen tropft nach einer 27-stündigen Stromunterbrechung das Tauwasser. Auch in den Krankenhäusern der Halbinsel gibt es derzeit nur auf den Intensivstationen und in den Operationssälen Strom. Alle anderen müssen sich mit warmen Decken und Kerzenlicht begnügen.
Endlose Schlangen von Autos warten vor Tankstellen und an den wenigen Orten, an denen die Mobilfunknetze noch funktionieren. Der Direktor des Zoos von Jalta, Oleg Subkow, fürchtet bei einem Anhalten der Stromblockade den Tod von mehreren hundert Affen und Vögeln.
Russische Vergeltungsmaßnahmen in Sicht
Inzwischen haben Techniker die Reparatur der zerstörten Strommasten aufgenommen. Möglich geworden sind diese Reparaturen aber nur, weil der meiste Strom über diese Masten in von Kiew kontrollierte Gebiete außerhalb der Krim fließt. Nur solche Masten zu reparieren war die klare Forderung der Krimtataren und der Mitglieder der rechtsradikalen Freiwilligeneinheit „Asow“ und des „Rechten Sektors“.
Seit dem 20. September kontrollieren diese Aktivisten die administrative Grenze zur Krim und verhindern weitgehend auch einen Transport von Waren auf die Halbinsel. Beobachter in der Ukraine gehen davon aus, dass auch die Zerstörung der Stromverbindung auf die Krim aus dem Umfeld der Blockierer kommen könnte. Die Aktivisten scheinen sich der Unterstützung der ukrainischen Regierung sicher zu sein.
Die Blockade der Krim hat das Verhältnis zu Russland weiter belastet. Am gestrigen Dienstag bestätigte Russlands Oberstes Gericht das Urteil gegen den ukrainischen Filmregisseur Oleg Senzow. Der auf der Krim lebende ukrainische Regisseur war zu 20 Jahren Haft wegen angeblichen Planung von Terroranschlägen verurteilt worden. Und es ist zu erwarten, dass Russland auch mit anderen Mitteln seinen Druck auf Kiew erhöhen wird.
Nach Angaben der russischen Agentur „Regnum“ könnte Russland Kiew wegen der Nichtlieferung von Strom auf 166 Millionen Dollar Schadensersatz verklagen. Auch Gasprom, so ein Sprecher des Energiekonzerns, werde die Gaslieferungen wegen ausstehender Rechnungen an die Ukraine in zwei Tagen einstellen. Auch die „Volksrepubliken“ von Lugansk und Donezk haben angekündigt, keine Kohle mehr nach Kiew zu liefern. Auf der Krim ist vorerst Geduld gefragt. Erst am 22. Dezember soll die neue Stromverbindung zu Russland stehen. Dann wird man nicht mehr auf Strom vom ukrainischen Festland angewiesen sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe