piwik no script img

Kommentar Konflikt in der UkraineEin Waffenstillstand muss her

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Vor allem die OSZE muss sich aktiver für eine friedliche Lösung einsetzen. Das Vorgehen des ukrainischen Militärs im Osten des Landes wirkt eskalierend.

Wo steht der Feind? Ein prorussischer Separatist hinter einer Straßenbarrikade im ukrainischen Dorf Andreevskoe, in der Nähe von Slawjansk. Bild: dpa

M it ungefähr 60 Toten waren der 2. und der 3. Mai die bisher schwärzesten Tage in der jüngsten Geschichte der innerukrainischen Konflikte.

Es ist nicht mehr zielführend zu fragen: Wie ist die Ukraine in diese Situation hineingeraten? Die Fragen müssten vielmehr lauten: Wie kann das Land aus dieser bürgerkriegsähnlichen Situation wieder herauskommen? Mit welchen Akteuren lässt sich ein friedliches Zusammenleben ermöglichen?

Ein Akteur ist die OSZE, die sich dringend aktiver in die Verhandlungen für eine friedliche Lösung in der Ukraine einbringen muss. Ein zweiter wichtiger Akteur ist der langjährige russische Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin, dem als Beauftragter von Präsident Putin die Freilassung der OSZE-Beobachter und der ukrainischen Militärs, die vor gut einer Woche von Aufständischen in Slawjansk in Geiselhaft genommen wurden, gelungen ist.

Nun muss in einem ersten Schritt ein sofortiger Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien unter Vermittlung der OSZE und des russischen Vermittlers Lukin vereinbart werden. Sofort nach der Verkündung des Waffenstillstandes müssen alle übrigen Geiseln und politischen Gefangenen freikommen!

Doch ob das passieren wird, ist fraglich. Die ukrainischen Sicherheitskräfte wollen weiter militärisch gegen die „Terroristen“, die die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung im Osten hinter sich haben, vorgehen. Mit seinen „Säuberungsaktionen“ im Osten des Landes wird Kiew das Gegenteil dessen bewirken, was es eigentlich zu erreichen beabsichtigt. Die Zahl derer, die sich russische Truppen herbeiwünschen, wird steigen.

Dass die „antiterroristische Operation“ im Osten unter anderem auch von Geheimdienstchef Walentin Naliwaitschenko, einem Weggefährten von Dmitrij Jarosch, dem Chef des „Rechten Sektors“, befehligt wird, bestätigt viele im Osten in ihrer Auffassung, man kämpfe gegen das rechtsradikale Kiew.

Und auch in Russland haben die Falken Hochkonjunktur. Am Samstag forderte Sergej Mironow, Chef der Partei „Gerechtes Russland“ ein Eingreifen russischer Truppen in der Ukraine.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • @ingrid werner

     

    "Wenn erst einmal Waffenstillstände geschlossen werden, werden die Separatisten aus den Omnibussen sich erst so richtig häuslich einrichten und ihre "Abstimmungen" durchpeitschen."

     

    Dass die Welt nicht ganz so ist, wie es größtenteils die westlichen Medien darstellen, gibt selbst die der Kollaboration mit Russland eher unverdächtige New York Times zu - "Behind the Masks in Ukraine, Many Faces of Rebellion" http://theanondog.i2p.us/cgi-bin/src.py?140504030 - russische "Grüne Männchen" hat man bei einem Besuch in Slovyansk nicht gefunden, statt dessen musste man zugeben, dass die Rebellen von der lokalen Bevölkerung unterstützt werden.

     

    Es ist eine Tatsache, dass im Südosten der Ukraine die Bindung zu Russland traditionell stärker ist und die Coup-Regierung in Kiew mehrheitlich abgelehnt wird. Die "Anti-Terror-Operation" ist daher von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die ukrainische Armee wird einen Guerillakrieg weder materiell noch moralisch durchstehen. Daran ändern auch FBI-, CIA- und Bundeswehrexperten nichts.

     

    Man sollte der Ukraine daher weiteres Blutvergießen ersparen und den einzig möglichen Kompromiss eingehen: eine föderale, neutrale Ukraine.

     

    Offenbar ist die westliche Agenda aber darauf ausgerichtet, die volle Konfrontation mit Russland zu provozieren. Ob das gelingt oder nicht, die leidtragenden sind erst mal die Menschen in Ukraine.

  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    Im Herbst diesen Jahres wird das Assoziierungabkommen mit Georgien stattfinden. John Kerry ist schon am Start. Georgien ist geopolitisch, geostrategisch ebenfalls extrem wichtig für die westlichen Mächte- ähnlich wie die Ukraine. Mal sehen was unsere natonahen Medien sich künftig aus dem Ärmel schütteln werden.

    • @9076 (Profil gelöscht):

      dummerweise hat ja Moskau diesmal das Pulver schon verschossen und die potentiell prorussischen Teile abgespalten. Aber wer weiß, was ihnen noch einfällt, tausende Georgier, die vom großen Bruder gerettet werden wollen, wie schon so oft in ihrer Geschichte.

  • Waffenstillstand, klingt gut, aber wer wird dann die Bewohner, die ja nicht so sehr im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen wie die OSZE- Beobachter, von den "proruss. Separatisten" befreien. Wenn erst einmal Waffenstillstände geschlossen werden, werden die Separatisten aus den Omnibussen sich erst so richtig häuslich einrichten und ihre "Abstimmungen" durchpeitschen. Entweder Russland schließt sie dann gleich an oder man macht aus ihnen ein riesiges 2tes Transnistrien, das der Ukraine auf Jahre u Jahrzehnte als Klotz am Bein hängt, Strafe dafür, dass es Richtung Westen wollte u die ihr zugedachte Rolle als Mutter des Russentums, Kleinrussland etc verschmähte. Oder man baut entlang der öffentlich herbeifabulierten ethnischen "Trennungen" eine neue Staatsstruktur, ähnlich der Bosniens, wo sich 2 Seiten auf unabsehbare Zeit gegenseitig blockieren. Keine rosige Aussicht. Kann man um des lieben Friedens Willen alles hinnehmen?

    • @ingrid werner:

      Ihnen wäre es wahrscheinlich lieber, wenn ein Krieg stattfinden würde, bei dem die Menschen sich nicht den bösen Seperatisten unterwerfen müssen und sich jubelnd wie in Odessa wahrscheinlich von selbst verbrannt haben?

      Sie behaupten hier und fordern Waffengewalt, dass die Menschen in der Ostukraine von den Menschen, die eine andere Ostukraine wollen wie die Kiewer Regierung, bedroht wären ohne dafür irgendeinen Beleg zu geben.

       

      Vor einigen Tagen schrieb auch noch die taz einen Artikel, in dem sich Menschen, die sich nach der Wiedervereinigung der Krim mit der Russischen Förderation völlig ohne Schwierigkeiten von der Krim fortbewegen konnten. Die Bedrohungen, die sie hier beschwören, haben dort also nicht stattgefunden. Warum sollten sie in der Ostukraine stattfinden.

      Zur Zeit bedroht nur die Kiewer Regierung die Menschen in der Ostukraine. Der Vorschlag einer Beendigung derer militärischen Maßnahmen, wie in dem Kommentar zum Ausdruck gebracht, halte ich für durchaus vernünftig.

      • @Age Krüger:

        wie meinen Sie das, "konnten sich ohne Schwierigkeiten von der Krim fortbewegen"? Sie durften fliehen? Was war denn nun mit all den Unterstützern für den Verbleib der Krim bei der Ukraine, die von den "Selbstverteidigungskräften" niedergeknüppelt wurden, vor der Abstimmung; Aktivisten, die verschwanden und tot wieder auftauchten, all den Leuten, die bei all den grünen Männchen auf der Straße ohnehin nicht an eine faire Wahl glaubten, und schon vorher das weite suchten oder lieber zu Hause blieben, einem Mafioso, der bei der letzten Wahl nur 4% hatte und nun plötzlich unter vorgehaltenen Waffen zum Ministerpräsidenten befördert wurde; was ist mit den russ Orthodoxen Priestern die nun mit der Soldateska im Schlepptau ukrain Orthodoxe Kirchen (nicht v Moskauer Patriarchat anerkannt) übernehmen, was mit der Soldateska die in ukrain Schulen auftaucht und Schulleiter absetzt, weil die noch nicht auf russisch umgestellt haben... v den wirtschaftl Problemen, durch den radikalen Bruch ganz zu schweigen. Und v der Ostukraine haben wir da noch gar nicht geredet. Welche Medien lesen Sie eigentlich? Nein, ich will keinen Krieg, so etwas müssen die Leute vor Ort entscheiden. Sich von Putins Schergen bereitwillig auf die Schlachtbank führen lassen kann aber auch nicht die Lösg sein. Und ob die Soldateska u ihr Mob in Slawjansk, Donetsk usw tatsächlich den Volkswillen dort repräsentieren, muss sich noch erweisen. Am Besten ohne Schützenhilfe Moskaus, u sagen sie nicht, dafür gebe es keine Beweise, nach der Krim hat Moskau jegl Glaubwürdigkeit verloren.

  • "Dass die „antiterroristische Operation“ im Osten unter anderem auch von Geheimdienstchef Walentin Naliwaitschenko, einem Weggefährten von Dmitrij Jarosch, dem Chef des „Rechten Sektors“, befehligt wird, bestätigt viele im Osten in ihrer Auffassung, man kämpfe gegen das rechtsradikale Kiew. " Wer soll es denn sonmst machen? Es ist sein Beruf! Man kann es gerne kritisieren, aber doch bitte inhaltlich.

  • Wir wissen es doch nicht wirklich, was die ueberwaeltigende Mehrheit will. Das ist gerade das Witzige an der Lage. Der Kampf um die Koepfe. Man mag eine transusige schweigende Mehrheit nicht moegen. Sie hat aber das gleiche Recht zur Transusigkeit wie die diversen Aktivisten. Was die Transusigen meinen, kann man allesfalls vermuten oder sich wuenschen. Sicher ist in Ost- und Westukraine nichts. Vielleicht sollten wir als erstes in unseren Begriffen abruesten. Vor allem Dimitroff auf den Muell werden. Mit Kampfbegriffen ist niemals irgendwem geholfen, auch nicht "dem Amerikaner".

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wer muss denn nun auf wen deeskalierend einwirken?

    Schon eine Idee, Frau Merkel??

    Was meint Freund Barack dazu???