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Kommentar Kölner PolizeiversagenEine Frage der politischen Hygiene

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Das polizeiliche Desaster von Köln will keiner verantworten. De Maizière wird bleiben, Jäger auch. Eine andere muss um ihren Job fürchten.

Im öffentlichen Diskurs geht es kaum um die Verantwortlichen für das polizeiliche Desaster. Foto: dpa

N ach allem, was bisher bekannt ist, hat Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) im Fall des Kölner Polizeiversagens persönlich keine Fehler begangen. Im Gegenteil: Seine Einlassungen über die Verantwortung der Kölner Polizei für ihr Verhalten angesichts der beispiellosen Gewalt gegen Frauen in der Silvesternacht klingen überzeugend. Jäger spricht Klartext, er sucht nicht etwas zu beschönigen oder unter den Teppich zu kehren.

Dennoch wäre es ein Akt der politischen Hygiene, wenn der Mann seinen Posten zur Verfügung stellen würde. Wer politische Spitzenämter einnimmt, der trägt die entsprechende Verantwortung. Das gilt auch für die Fehlentscheidungen von Untergebenen, die der Verantwortliche selbst gar nicht beeinflusst haben mag. Als Innenminister repräsentiert Jäger die Polizei. Jäger kann nicht einfach so weitermachen. Eigentlich.

Wenn wir schon bei der Verantwortung sind: Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ist in den Fall Köln involviert. Es ist seine Bundespolizei, die für die Räumlichkeiten des Hauptbahnhofs zuständig ist und die der Situation genauso wenig gewachsen war wie die Polizisten draußen.

De Maizière war es auch, der den Kölner Beamten in toto Versagen vorgeworfen hat – ein seltener Fall von Selbstbezichtigung. Die strengen Maßstäbe politischer Verantwortung angelegt, hat auch er ein Problem. De Maizière kann nicht einfach so weitermachen. Eigentlich.

Wird er aber doch. Thomas de Maizière wird nicht zurücktreten. Auch Ralf Jäger in Düsseldorf darf bleiben. Denn die Öffentlichkeit sucht derzeit nicht nach Verantwortlichen für ein polizeiliches Desaster. Sie fahndet lieber nach den Tätern. Und verdächtigt dabei kollektiv all jene, die als muslimische „Fremdlinge“ in dieses Land gekommen sind. Im Fokus der Kritik steht dabei diejenige, deren humane Politik dazu beigetragen hat, dass diese in ihrer übergroßen Mehrheit friedlichen Menschen in Not nach Deutschland kommen dürfen. Nicht Jäger, nicht de Maizière muss um ihren Job fürchten, sondern Angela Merkel.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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5 Kommentare

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  • Wenn Angela Merkel um ihren Job fürchten muss, wird sie Thomas de Maizière vermutlich die nächsten Wochen ihr vollstes Vertrauen aussprechen. Im Absägen potentieller Risikoquellen war sie immer gut.

  • "Als Innenminister repräsentiert [Anm.: Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf] Jäger die Polizei", schreibt Klaus Hillenbrand. Weil diese seiner Ansicht nach "angesichts der beispiellosen Gewalt gegen Frauen in der Silvesternacht" versagt hat, soll Jäger gehen. Auch, wenn dieser nicht versucht hat, "etwas zu beschönigen oder unter den Teppich zu kehren".

     

    Nun kann man sicher drüber streiten, ob Köln tatsächlich "beispiellos" gewesen ist. Fest steht, dass NRW keine konstitutionelle Monarchie ist und der Innenminister kein König. Er hat also nicht nur zu repräsentieren. Wenn Jäger zurückzutreten hätte, dann höchstens wegen einer sogenannten Amtspflichtverletzungen.

     

    Eventuelle Fehlentscheidungen seiner Untergebenen "selbst gar nicht beeinflusst [zu] haben", ist meiner Ansicht nach zu wenig für einen Minister. Eine Verantwortung übertragen zu bekommen bedeutet schließlich, dass man sich eine Pflicht zuschreiben lässt. Eine Pflicht, die man einer anderen Person oder Personengruppe gegenüber hat, und zwar aufgrund eines "normativen Anspruchs, der [...] eingefordert werden kann und [...] zu rechtfertigen ist". Als Polizist würde ich deswegen nicht repräsentiert werden wollen von meinem Dienstherrn, sondern (korrekt) geführt. Und auch als Bürger will ich keinen Repräsentanten gezeigt kriegen. Ich will sicher sein dürfen, dass meine Rechte gewahrt werden.

     

    Hat Jäger also versagt? Vielleicht. Zumindest hat er seine Untergebenen wohl einfach "laufen lassen" und sich aufs Repräsentieren beschränkt. Wenn überhaupt, sollte man ihn dafür feuern. Einen Sündenbock in die Wüste zu jagen, damit alles bleiben kann, wie es schon immer war, ist eigentlich nicht up to date.

    • @mowgli:

      Eins noch: Wer versucht, sich eine Sündenbock-Lieferung honorieren zu lassen von seinen lesern, ist für meinen Geschmach viel zu nah dran an denen, die "kollektiv all jene [verdächtigt], die als muslimische 'Fremdlinge' in dieses Land gekommen sind". Die Aufgabe von Journalisten besteht schließlich darin, Sachverhalten aufzuklären und so Orientierung zu ermöglichen.

       

      Was ein "Fremdling" zu tun oder zu lassen hat in diesem Land, glauben die meisten Menschen zu wissen: Er soll so sein wie sie. Genauer: Wie sie gern wären. Diesen Glauben hat der Bürger nicht zuletzt auch aus den Medien. Was Innenminister zu tun haben, interessiert hingegen kaum jemanden. Es ist also viel leichter, von einem konkreten Flüchtling, der sich nicht benimmt, auf alle übrigen zu schließen, als von einem Innenminister auf den anderen. Es wäre schön, wenn Herr Hillenbrand das künftig beachten würde, statt ohne jede eigene Recherche einen "Kopf" zu fordern, nur weil er den vom Foto kennt.

       

      Ach ja, bevor ich es vergesse: es wäre, schreibt Hillenbrand, ein "Akt der politischen Hygiene", wenn Jäger seinen Posten zur Verfügung stellen würde. Nun frage ich mich, ob es in der Wohnung von Herrn Hillenbrand überhaupt fließendes Wasser gibt. Hygiene, schließlich, ist die "Lehre von der Verhütung der Krankheiten und der Erhaltung, Förderung und Festigung der Gesundheit", und die besagt, dass man dreckige HÄNDE waschen sollte vor dem Essen, wenn man Infektionskrankheiten vorbeugen will, nicht etwa die OHREN. Und zwar selbst dann, wenn die Ohren direkt am Kopf anliegen sollten.

  • "Nach allem, was bisher bekannt ist, hat Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) im Fall des Kölner Polizeiversagens persönlich keine Fehler begangen. Im Gegenteil: Seine Einlassungen über die Verantwortung der Kölner Polizei für ihr Verhalten angesichts der beispiellosen Gewalt gegen Frauen in der Silvesternacht klingen überzeugend. Jäger spricht Klartext, er sucht nicht etwas zu beschönigen oder unter den Teppich zu kehren."

     

    Warum soll er denn dann ihrer Meinung nach gehen, einfach nur um ein "Zeichen zu setzen", das ist doch quatsch. Politiker gehen heute in der Regel schon nicht, wenn sie Mist gebaut haben, warum sollen sie dann gehen, wenn sie keinen Mist gebaut haben.

     

    Thomas de Maizière wird auch nicht gehen, obwohl der schon so einige Krisen schlecht gemanaged hat, was jetzt aber der Bundesdeutsche Innenminister mit einem konkreten Polizeiversagen in einer deutschen Großstadt zu tun haben soll, erschließt sich mir auch nicht, es sei denn man kann ihm persönliche Fehler nachweisen.

     

    Es gibt ja viele Gründe für einen besseren deutschen Innenminister als Thomas de Maizière, aber kann man die Kirche auch mal im Dorf lassen, es ist nicht das erste und sicher auch nicht das letzte Mal, dass die Polizei versagt hat, es werden aber "komischerweise" die verschiedenen Fälle sehr unterschiedlich behandelt.

     

    Es gab 2015 jede Menge Anschläge auf Asylunterkünfte, sonderbarerweise können da die Täter fast nie geschnappt werden, das ist auch Polizeiversagen, das spielt medial aber kaum eine Rolle, weil: Da gehts ja nur um Ausländer *als Opfer*. Diese mediale Doppelmoral, die es in vielen Bereichen in den Medien gibt, nervt gewaltig.

     

    Sich auf die Seite der Opfer zu stellen ist richtig, das gibt aber sowohl im Falle von Köln als auch im Falle von den Anschlägen auf die Ausländerheime ...

    • @Lee Ma:

      > Es gab 2015 jede Menge Anschläge auf Asylunterkünfte, sonderbarerweise können da die Täter fast nie geschnappt werden, das ist auch Polizeiversagen, das spielt medial aber kaum eine Rolle…. Diese mediale Doppelmoral, die es in vielen Bereichen in den Medien gibt, nervt gewaltig.

       

      Bei über 100x Brandstiftung, teils mit Gefahr für Leib und Leben von Menschen, ist das verwunderlich, ja.