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Kommentar Klimaziele und JamaikaAbschied von der Provinz

Nick Reimer
Kommentar von Nick Reimer

Deutschland reduziert seine Treibhausgas-Schuld zu langsam, warnt die UNO. Hoffentlich hören die Jamaika-Verhandler den Schuss auch.

Es brennt – löst aber leider keinen Aktionismus aus Foto: dpa

B oah – jetzt verfolgt sogar die UNO die Jamaika-Verhandlungen in Deutschland!!

Kurz bevor sich die dunkelschwarz-schwarz-grün-gelben Sondierer am Mittwoch, am Donnerstag und am Freitag mit Themen wie Verkehr, Landwirtschaft, Klima und Umwelt befassen, sagt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP in einem Bericht: Wir reduzieren unsere Treibhausgas-Schuld zu langsam. Zu wenig! Menschenverachtend! Würde Deutschland sein selbstgestecktes Klimaziel von minus 40 Prozent bis 2020 gegenüber dem Gründungsjahr der Neuen Bundesrepublik einhalten, dann stiege in den nächsten 80 Jahren die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Erde um mindestens 3 Grad an. Wir müssen also mehr tun bei der Agrarwende, der Verkehrswende und der Konsumwende.

Die Klimawissenschaft warnt, dass oberhalb von 1,5 Grad Temperaturanstieg unser Wetter aus dem Takt gerät. Dann werden so genannte Kippelemente in Gang gesetzt, die eine Erderwärmung ganz automatisch weiter anheizen, ohne dass der Mensch den Prozess noch aufhalten könnte – etwa das Abtauen der Permafrostböden, unter denen derzeit milliardenfach Treibhausgas eingefroren ist oder das Absterben des Regenwalds im Amazonas-Becken, heute einer der größten Treibhausgasspeicher, bei dessen Vernichtung diese Gase wieder frei werden.

Die Weltwetterorganisation WMO hat gerade verkündet: 1,1 Grad sind schon erreicht. Jenseits von 1,5 Grad – mit einer wissenschaftlichen Sicherheit von 70 Prozent jenseits von 2 Grad – ist es dann egal, ob die Menschheit noch vernünftig wird: Die Klimaerwärmung würde automatisch ablaufen.

Nick Reimer

ist taz-Autor und Mitgründer des online-Magazins klimaretter.info, dass er neun Jahre lang als Chefredakteur leitete. Soeben wurde dem Magazin der Nachhaltigkeitspreis der Biobrauerei Neumarkter Lammsbräu verliehen.

Könnte Deutschland sein selbstgestecktes Klimaziel von minus 40 Prozent bis 2020 einhalten, wären Wetterextreme wie Sturmtief Xavier also niedliche Kindergeschichten: Wesentlich extremeres Wetter würde die Tagesordnung bestimmen. Aber Deutschland hält sein selbstgestecktes Klimaziel ja nicht ein. Statt minus 40 Prozent sind wir zwei Jahre vor dem Zieldatum erst bei 27,5 Prozent – demselben Wert wie im Jahr 2009. Um das Ziel zu erreichen, müssten wir die Klimaschutz-Maßnahmen verfünffachen.

Natürlich wäre es provinziell zu glauben, die Vereinten Nationen würden die hiesigen Jamaika-Sondierungsgespräche verfolgen. Ebenso provinziell aber wäre, wenn die Sondierer weiter so machen würden wie die Merkel-Regierungen der letzten Jahre: Wer eine Regierung mit Zukunftsanspruch bauen will, der muss Klimaschutz jetzt ernsthaft ganz oben auf die politische Agenda setzen! Damit das Ziel bis 2020 nicht nur erreicht, sondern deutlich übertroffen wird.

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18 Kommentare

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  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...wenn ich das schon lese "Verbrennungsmotor nicht verteufeln", dann frage ich mich, was sind das für Dinosaurier, die sich hier zu Wort melden? Gleiches gilt für diejenigen, die mit dem Finger auf andere Länder zeigen, nach dem Motto "...aber dort is' es ja noch vielvielviel schlimmer".

    China, Afrika oder Südamerika, überall das gleich, wir schicken denen unseren Dreck, oder lassen dort produzieren, ist ja alles so schön billig, aber mit dem Klimawandel habe wir Deutschen nichts zu tun.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)
    • @80576 (Profil gelöscht):

      Ich glaube, dem Weizäcker geht es eher darum aufzuzeigen, dass wir nicht innerhalb weniger Jahre alle Verbrenner durch E-Mobilität ersetzen können. Weil das erhebliche Ressourcen verbrauchen würde. Siehe: http://www.klimaretter.info/mobilitaet/nachricht/23862-stuttgart-21-laesst-co2-ausstoss-steigen

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Energiefuchs:

        Genau darum geht es. Die Grünen ignorieren das aber konsequent.

  • Fliegen einstellen! Rüstungsindustrie einstellen! Automobilverkehr einstellen! Straßenneubau verbieten! Siedlungsbau verbieten! Ein-Kind-Politik weltweit.

    Und nicht, man könnte, man müsste, "grünes Wachstum". Wachstum heißt immer steigender CO2-Anteil in der Athmosphäre. Mit allen heute bekannten Folgen.

    • @Energiefuchs:

      Ohne ein Militär (Rüstung) werden sie die Welt wohl nicht von ihren Zielen überzeugen können.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Wissen sie, da ist der Trugschluss. Niemand auf dieser Welt sollte einen anderen mit militärischer Gewalt von irgendetwas überzeugen wollen. Nicht von der Religion, aber auch nicht von der Gesellschaftsform. Die Menschen sind in der Lage, Dinge auszuhandeln. Dafür gibt es die Sprache.

  • Derzeit wirkt Deutschland ja eher als abschreckendes Beispiel wie man mit viel Aufwand praktisch nichts erreicht. Das EEG ist inzwischen eine reine Lobbyeranstaltung für Landwirte und Kapitalanleger.

  • Deutschlands Anteil an den Emissionen weltweit ca. 2%.

    China 27%

  • Die EU sollte die Wissenschafltlichen Thesen prüfen lassen. Weiter muss auch ein Fokus auf die USA gelegt werden. Deutschland muss seine Atomkraftwerke wieder hochfahren und manche teilweise modernisieren.

  • UNO - sollen in den Helikopter steigen und wieder nach Hause fliegen. Das ist mehr Umweltschutz, als wenn sie hier damit anfangen.

  • "Würde Deutschland sein selbstgestecktes Klimaziel von minus 40 Prozent bis 2020 gegenüber dem Gründungsjahr der Neuen Bundesrepublik einhalten, dann stiege in den nächsten 80 Jahren die durchschnittliche Oberflächentemperatur der Erde um mindestens 3 Grad an. "

     

    Als würde der Klimawandel nur von Deutschland abhängen.

    • @Thomas Friedrich:

      Die Deutschen tun aber auch nichts gegen den Klimawandel. Nein, sie befeuern Konflikte und Ausbeutung und "Wachstum".

    • @Thomas Friedrich:

      Der Klimawandel hängt nicht nur von Deutschland ab, aber wir sind eine der führenden Industriestaaten und haben damit eine Vorbildfunktion.

       

      Wenn wir es nicht schaffen, dann, so ist zu befürchten, werden auch noch viele andere, auch mit Verweis auf uns, mit ihren Anstrengungen nachlassen.

       

      Dabei könnten wir durchaus profitieren, wenn wir Vorreiter beim Klimaschutz wären.

       

      Nach Dieselskandal und diversen Schmiegelaffairen könnte Deutschland endlich wieder positiv in der Welt dastehen.

       

      Und die Umweltschutzindustie könnte ohnehin von ihren innovativen Produkten profitieren und viele Arbeitsplätze schaffen

      • @Erich Lerch:

        Wie wäre es mal damit, Wirtschaftswachstum, Profit, Nationalismus, (Neo)kolonialismus und damit das System zu hinterfragen?

        • @Uranus:

          Richtig, aber es ist genug hinterfragt worden. Es ist Zeit zu handeln. Jeder möge aus dem System "Megamaschine" aussteigen.

        • @Uranus:

          Aber ja doch, 100 Jahre nach den Bolschewisten, 500 nach Luther, ist das was wir wirklich brauchen einen neuen 100jährigen krieg über ein paar grundaxiome, und gulags für die, die nicht die nicht in Uranus eleganter Steinzeitwelt leben wollen.

          Das bringt und dann auch der triviallen lösung der KAYA-identity näher (https://en.m.wikipedia.org/wiki/Kaya_identity), denn jeder Abiturient weiß, daß Produkte genau dann 0 werden, wen ein Faktor Null ist. Ww3, der reduziert die Bevölkerung sicherlich auf ein dem Klima erträgliches Mass, plus ein wenig nuklearer Winter zur abkühlung.

           

          oder wie, als mit Waffengewalt ,überzeugen sie den Rest der Welt von Degrowth?

           

          Die wirtschaft einfach nur zu entkarbonisieren, zusammen mit den bösen Kapitalisten, klingt anstrengend und würde die revolutionsfolklore nur unzureichend würdigen, gell?

          • @ur_Anus:

            Na, fühlten Sie sich durch meine so provoziert, dass Sie sich gar einen Account machen mussten? Und dann gleich ad hominem, wow! Gibt das Streetcredit?

            Sicherlich haben Sie auch eine Erklärung für Ihre ganzen Unterstellungen?

            Was ich ja gut finde, dass Ihnen der Begriff "Degrowth" zumindest geläufig ist. Ich bin mir nur nicht sicher, was Sie darunter verstehen... ;)