piwik no script img

Kommentar Klimaschutz der RegierungEin Dokument der Angst

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die Kanzlerin fürchtet den Streit mit der Wirtschaft und der eigenen Partei. So kann Deutschland nicht zum Vorbild beim Klimawandel werden.

Nichts als heißer Dampf Foto: dpa

D er Klimaschutzplan der Bundesregierung ist in seiner jetzigen Form ein Dokument der Angst. Aber es ist nicht die Furcht vor den Hitzewellen, Stürmen oder Flüchtlingsströmen, die der Klimawandel mit sich bringt. Er zeugt vielmehr von der Sorge einer Regierung, die wegen ihrer kurzzeitigen Probleme ihre langfristigen Ziele nur noch leise vor sich hin flüstert. Deshalb ist der Plan, so wie er jetzt aus dem Kanzleramt kommt, so inhaltsarm und weichgespült.

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass diese Bundesregierung nicht zu ihren ehrgeizigen Klimazielen steht, den Ausstoß des Klimakillers CO2 bis 2050 auf null zu fahren. Auch der Klimakanzlerin Angela Merkel ist klar, was das bedeutet: Die Kohle muss weg, der Ökostrom muss schneller ausgebaut werden, der Verkehr muss im nächsten Jahrzehnt elektrisch werden, wir müssen viel weniger Fleisch essen. Das ist alles machbar. Aber man muss es wollen und dafür werben.

Genau da schwächelt Merkel. Sie ist wegen der Flüchtlingskrise in der eigenen Partei so sehr in der Defensive, dass sie nicht auch noch Streit mit dem Wirtschaftsflügel über Klimaziele will. Sie sorgt sich zu sehr um die Jobs und die Wertschöpfung einer zukunftsblinden Autoindustrie, um diese mit der Forderung nach einem radikalen Umbau unter Strom zu setzen. Sie fürchtet zu sehr um die Zukunft der Stromkonzerne und um den Unmut in den Kohleregionen, um mit klaren Vorgaben den Strukturwandel voranzutreiben. Sie traut sich nicht, die nötigen Zumutungen zu verkünden.

Aber Angst ist eine schlechte Beraterin. So kann sich Deutschland nicht als Vorreiter beim Ausstieg aus Kohle und Öl und als Industrieland der Zukunft definieren. Wenn die Kanzlerin sich so von den Interessen der Vergangenheit und der Furcht vor Veränderung binden lässt, wird sie tatsächlich zur lahmen Ente, die keine wichtigen Entscheidungen mehr fällen kann. Dann ist es Zeit für eine neue Regierung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!