piwik no script img

Kommentar Klimaprotest-Verbot in ParisProtestiert doppelt so laut

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Aktivisten dürfen in Paris nicht gegen den Klimagipfel demonstrieren. Aber Lobbyisten agitieren weiter. Nun müssen Alternativen her.

So leer wird es auch beim Klimagipfel sein: demonstrieren verboten. Foto: dpa

D as Verbot der großen Demonstrationen auf dem Klimagipfel in Paris trifft die Umweltbewegung hart. Denn eine breite Koalition aus Ökos, Gewerkschaften, Kirchen, Eine-Welt-Gruppen und vielen anderen ist dringend notwendig, die vor den Toren der Verhandlungen friedlich Rabatz macht und echte Fortschritte beim Klimaschutz einfordert.

Dass daraus so nichts wird, ist nicht nur eine Enttäuschung für die Aktiven, sondern auch gefährlich: Der Gegendruck von außen und von unten gegen den bequemen kleinsten Nenner in der Klimapolitik wird nun kaum noch wahrnehmbar sein. Lobbyvertreter, die den Klimazug bremsen wollen, haben dagegen auf der offiziellen Konferenz weiterhin Zugang zu den Delegierten.

Die Absage ist zwar ein hartes Stück Realpolitik, aber dennoch richtig. Wer will in dieser Situation die Verantwortung für zehn- bis hunderttausende Demonstranten übernehmen? Was ist, wenn es zu einer Massenpanik kommt? Weil das traumatisierte Paris derzeit erst einmal Ruhe braucht, wäre eine laute, bunte Demo vielleicht auch das falsche Zeichen. Und wer mit der französischen Polizei in Zeiten des Ausnahmezustands Räuber und Gendarm spielen will, der wird wahrscheinlich sein blau-weiß-rotes Wunder erleben.

Die Umweltbewegung wird kreativ werden müssen: ihre Paris-Kampagne ins Internet verlegen, sich neue Aktionsformen überlegen, testen, wie man demonstriert, ohne zu demonstrieren.

Die Paristaz

Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.

Vor allem aber ist klar: Die großen Demonstrationen in den Heimatstädten der Klimasünder, in Peking, Washington, Berlin, Brasilia, Delhi und überall sind nicht verboten. Hier muss der Druck stärker werden, die Stimmen müssen den Regierenden in den Ohren dröhnen. Denn was in Paris unterschrieben wird, wird nicht in Paris entschieden, sondern in den Hauptstädten der Welt.

Also sollte gelten: Statt gemeinsam an der Seine macht jeder zu Hause das Seine – und dafür doppelt so laut.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Die Menschen, die gegen die Klimazerstörung protestieren wollen, lassen sich nicht von Verboten stoppen. Denn sie protestieren nicht gegen den Klimagipfel, wie es in der Überschrift fälschlicherweise heißt, sondern gegen die Verursacher des Klimawandels, und diejenigen die für eine gerechte Sache eintreten, werden sich nicht von Hollandes Notstandsgesetzen von ihren dringenden Zielen abbringen lassen.

    Viele Grüße

  • Wenn es den IS nicht schon gäbe, so hätte ihn Hollande erfinden müssen. Diktatorische Vollmachten und bequeme Demonstrationsverbote sichern seine Macht.

    Die Proteste sind unbequem und da kommt das Terrorargument gut gelegen.

    Armes Frankreich!

    Hollande wird bestimmt einen Grund finden, seine Vollmachten auch über die 3 Monate hinaus zu verlängern. Der "Krieg gegen den Terrorismus" ist da ganz bequem. Er lässt sich nicht gewinnen und mit ein paar falschen Meldungen über verhinderte Terroranschläge und ggf. auch inszenierte Anschläge, lässt sich die Abkehr von der Zivilgeschellschaft weiter rechtfertigen.

    • @Velofisch:

      Sie scheinen Hollande mit Bush/Cheney/Rumsfeld zu verwechseln. Die (und ihre Vorgänger) haben sich ihren Saddam und ihren bin Laden tatsächlich selbst "herangezogen". Dass ausgerechnet Hollande den IS zu dem gemacht hätte, was er ist, erschließt sich mir nicht. Vielleicht wissen Sie ja mehr und wollen mich und den Rest der Welt nicht unnötig verunsichern. Und wenn Sie mehr wissen: Haben Sie auch Lösungsansätze, oder genügen Ihnen Ihre Verschwörungstheorien?

      • @HP Remmler:

        Hollande tritt da in die Fussstapfen von Bush bei 9/11. Da muss gegengesteuert werden.

        Auch die europäischen Geheimdienste haben belegterweise Terroranschläge verübt. Dies bedeutet nicht, dass dies bei den Pariser Anschlägen so sein muss.

        Unabhängig, wer da direkt oder indirekt hinter den Anschlägen steht, besteht die Gefahr, dass die Situation ausgenutzt wird um sich nicht mehr an Menschenrechte oder demokratische Regeln halten zu müssen.

        Lösungsansätze sind das Hochhalten demokratische und rechtstaatlicher Grundsätze - auch in dieser Situation. Die Polizei kann bei "Gefahr im Verzug" sowieso ohne Durchsuchungsbeschluss handeln. Wieso sollte die Terrorismusbekämpfung leiden, wenn vor einer Hausdurchsuchung ein Richter gefragt wird? Jede Vollmacht sollte auf den Prüfstand kommen statt Blankochecks auszustellen.

        Daneben sollten die Sicherheitsbehörden stärker kontrolliert werden. Die Kontrolle beeinträchtigt die Terrorismusbekämpfung ebenfalls nicht - sorgt aber dafür, dass die Bildung eines Staats im Staate verhindert wird.

  • wie waere es mit einer menschenkette rund um die tore von paris? ist ausserhalb der stadtgrenzen wieviel brauch man dafuer?

    • @the real günni:

      hab grad nachgemessen, sind vielleicht 40 km einmal rum, dafuer braucht man nur 150.000 leute, und man kann den tag zum zweiten mal autofrei ausrufen, das muesste auch den sicherheitsbehoerden gefallen, setzt ein klares zeichen fuer die umwelt, gleich zwei drei fliegen mit einer klappe geschlagen - wobei rein bildlich, save the insects

  • 2G
    27741 (Profil gelöscht)

    Die Moderation: Bitte bleiben Sie sachlich

  • Die Vorschläge des Herrn Pötter erscheinen wunderbar realitätsfremd. Der Klimagipfel findet nun einmal in Paris statt, dort werden die schwadronierenden Politiker sein (man möchte, mit Blick auf die Vergangenheit, sagen: die Versager/Innen). Dort agiert, hochkonzentriert, die Lobby der Klimazerstörer. Und jetzt soll sich, geografisch diffus und elektronisch stumm, ein wirksamer Protest formieren? Wie soll das gehen, bitte? Der Zweck ist doch, auch mit den Notstandstgesetzen gegen eine im Grunde auch langjährig hausgemachte Katastrophe, erreicht: keine Demonstrationen. Und das "Zeichen setzen" hat man in diesem inflationären Sinn SATT: was nützt der zeichensetzende Verzicht auf eine "laute bunte Demo" den Opfern, und der Umwelt?

  • "Und wer mit der französischen Polizei in Zeiten des Ausnahmezustands Räuber und Gendarm spielen will, der wird wahrscheinlich sein blau-weiß-rotes Wunder erleben."

     

    Man kann nur hoffen, dass dies auch alle so sehen.