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Kommentar Kleiner Parteitag der GrünenKollektive Realitätsverleugnung

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Im Sich-selbst-toll-Finden macht den Grünen keiner was vor. Diese Fehleinschätzung nimmt allerdings mittlerweile grotestke Formen an.

Eindeutig grün sind nur noch die Mikrofone: Simone Peter auf dem Kleinen Parteitag in Berlin. Bild: dpa

F ragen Sie sich manchmal, was eigentlich diese kleine sympathische Oppositionspartei macht? Hören wir kurz hinein in den Kleinen Parteitag der Grünen: Grün sei wieder da, rufen da wichtige Spitzenkräfte, jetzt werde frei aufgespielt, ganz ohne Ladehemmung. „Das Tief der Bundestagswahl ist überwunden“, findet Simone Peter. Frau Peter, das nur am Rande, ist die nicht mehr ganz neue Bundesvorsitzende der Grünen.

Den Grünen macht im Sich-selbst-toll-Finden schon lange keiner mehr was vor, und ein bisschen PR in eigener Sache geht auch in Ordnung. Aber das Ausmaß an kollektiver Realitätsverleugnung, das da in den Berliner Uferhallen zu besichtigen war, war dann doch zu grotesk. Alles ist gut? Nein. Wirklich nicht. Nichts ist gut bei den Grünen.

Die Misere beginnt ganz oben. Die im Herbst neu inthronisierte Spitze erweckt bisher nicht den Eindruck, die Partei aus der Krise führen zu können. Da funkelt nichts, da leuchtet nichts, da fehlt jene intellektuelle Klarheit, die eine verwirrte Partei dringend brauchte. Wenn etwa die Fraktionschefin verspricht, die „Bräsigkeit“ der GroKo anzuprangern, würde man sich wünschen, sie finge bei der des eigenen Spitzenquartetts an, das in etwa so viel Biss und Aroma wie ein schwabbeliger Tofuballen besitzt. Nun wäre eine schwache Führung allein kein auswegloses Dilemma, würde wenigstens die Partei vor Lebendigkeit strotzen.

Aber in wichtigen inhaltlichen Fragen verharren Linke und Realos weiter in ihrer selbst verordneten Sprachlosigkeit, obwohl sie himmelweit auseinanderliegen. Was tun mit dem moderat linken Finanzkonzept? Während die einen stoisch behaupten, man brauche trotz des Wahldesasters im Bund nichts zu verändern, fehlt den anderen jede Idee, wie man das verprellte Bürgertum wieder locken könnte. Statt über Steuer- und Wirtschaftspolitik zu streiten, philosophieren die Grünen lieber über gutes Essen, Zeitpolitik und, klar, irgendwie auch über Öko. Das ist hübsch und ungefährlich, aber auch verdammt langweilig.

Solche Ersatzhandlungen sind schon albern. Noch alberner ist es aber, die zu kritisieren, die wenigstens präsent sind. Jürgen Trittin sei in den Medien zu dominant, greinen Grüne öffentlich. Ja nun. Wo sind denn die klugen Gedanken des ehrgeizigen Nachwuchses? Hat er vielleicht nichts zu sagen? Und vor allem: Haben die Grünen keine anderen Sorgen?

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Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
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16 Kommentare

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  • Nee, Nee Die Grünen liegen schon richtig! Über die Erhaltung unserer Lebensgrundlagen, Bürgerrechte, Soziales, Frieden, Rechtsradikalismus...., das finde ich nicht verdammt langweilig.

  • Sehr guter Artikel!

  • Realitätsverleugnung ist konsequenterweise fester Bestandteil der Grünen, besonders der Fundis.

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @ioannis:

      Und manche verleugnen seit über 20 Jahren, dass es bei den Grünen keine "Fundis" mehr gibt.

  • Ach, es ist mir ein inneres Fest zu beobachten wie, nach neuer Tageslage, nun die ehemaligen Genossen durch den Dreck gezogen werden.

     

    Die "verhinderten Schülersprecher" halte ich für Marionetten der "ehemaligen Großen", ernst nehmen kann man die aber nicht.

  • Will hier jemand die Leistungen einer Claudia Roth quasi aus dem Hinterhalt diskreditieren?

    • @MussManNichtWissen:

      welche Leistungen denn?

       

      Sich mit Ali Reza Sheik Attar ein "high five" zu geben?

       

      Sich mit Renate Künast dauernd den Staffelstab als Chefanklägerin für alles und jeden zu überreichen?

       

      Die Grünen zur Verbotspartei gemacht zu haben?

  • Ich war ehrlich gesagt überrascht, dass die Grünen bei der Europa-Wahl überhaupt Stimmen bekommen haben.

     

    Wer wählte bloß Rebecca Harms, die zusammen mit Fischer und Finanzspekulant und Multi-Milliardär Soros durch die Lande tourte und Schröder per Parlament den Mund verbieten wollte.

     

    Wer wählte Werner Schulz, der gleich den Bosporus für die russische Flotte schließen lassen wollte, Bütighofer und sein unseliges Propaganda-Plakat, Göring-Eckhardt und ihren Spezi Hofreiter, die im Bundestag wie dort vergessene Schülersprecher wirken?

     

    Mir mittlerweile ein echtes Rätsel.

  • Fühlten sich die Grünen nicht auf dem Weg zur Volkspartei? Ein Erfolg nach dem anderen. Baden Württemberg im Sack. Parteienforscher vermuteten eine große Zukunft http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/parteienforscher-gruene-auf-dem-weg-zur-volkspartei/4209288.html

    Was sind die Grünen nun? Zurückgestutzt auf das Normalmaß! Verlust in der Europawahl bei einer Steigerung der Wählerstimmen insgesamt von 43,3% (2009) auf 48,1% (2014) . Ist + 4,9% Wählerstimmen und die Grünen verlieren 1,4%. http://www.wahlrecht.de/news/2014/europawahl-2014.html#absolut

    Dabei wollten sie Volkspartei werden. Wer will sich da noch selber feiern?

    Haben die sich das nicht einmal anders vorgestellt?

    • @Durchsage:

      Insgesamt in Europa haben sie Zugewinne. Aber die deutsche Base schwächelt enorm.

      • @Durchsage:

        Die Grünen werden zeitverzögert das Schicksal der FDP erleiden- sie isnd überflüssig.

  • Das überrascht nicht, orientieren sich die Grünen doch ausschliesslich an den grossen Parteien, von denen man schon lange nichts anderes als Selbstgefälligkeit gewohnt ist.

    Zum Beginn der Grünen waren sie dem "Bürgertum" zu bunt, zu wild, zu verrückt, zu unrealistisch. Jetzt sind sie dem "Bürgertum" zu blaß und zu langweilig. Ja wer ist denn eigentlich dieses komische, ach so wichtige "Bürgertum", das nie zufrieden ist, über allem zu stehen scheint, sich aber selbst nie aus der Deckung nach vorne traut? Mich kann dieses "Bürgertum" doch gern mal kreuzweise.

    • @Rainer B.:

      Joschka Fischer konnte sein Idealgewicht nicht halten ("Mein Lauf zu mír selbst", oder so titulierte er seine kurzzeitige Abnehmkampagne). Trotzdem, als Redner war er gut. Trittin auch, wenn er den netten Adligen aus Bayern mit seinem gepfuschten Doktortitel anging. Aber wenn es um Positionen geht , hat sich vielea eingeebnet. Merkel hat die Atommeiler dichtgemacht.

      • @Gabriel Renoir:

        Der Atomausstieg war schon vor Merkel Gesetz. Trittin war daran maßgeblich beteiligt. Merkel hat zunächst die vereinbarten Ausstiegsfristen verlängern, ist dann aber - als Fukushima noch einmal die Gefahren deutlich vor Augen führte - zurückgerudert, mit dem Ergebnis, dass die Atomindustrie nun sogar eine Entschädigung für die Stilllegungen verlangt. Nachtigall, ick hör dir trapsen!

  • Danke!

  • Habe selten soviel Klarheit gelesen wie in diesem Text. Kompliment!