Kommentar Klage wegen Autobahnmaut: Nur ein bisserl Wahlkampf
Mit der Klage gegen die deutsche Autobahnmaut gibt sich die SPÖ proeuropäisch und europakritisch zugleich. Hat es wirklich nichts mit der Wahl zu tun?
D ass Österreichs Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ) seine Klage gegen die deutsche Autobahnmaut gerade jetzt einbringt, habe laut seiner eigenen Ansage aber nichts mit den Nationalratswahlen zu tun, die in drei Tagen stattfinden. Man muss ihm das glauben. Wie viele Wähler wissen schon, welcher Partei der sonst wenig auffällige Minister angehört? Und Autobahnen waren in diesem Wahlkampf bislang kein Thema.
Außerdem stimmt es, dass die Verfahrensfristen den Termin vorgeben. Denn die drei Monate, die die EU-Kommission Zeit hatte, Einwände gegen die Pläne zu erheben, sind abgelaufen. Im Mai hat die Kommission kosmetische Reparaturen am Gesetz zum Anlass genommen, Alexander Dobrindts liebstes Kind abzusegnen. Jetzt werden nicht mehr alle deutschen Autofahrer mit exakt dem Gegenwert der Jahresmaut entlastet. Was bleibt, ist die Bevorzugung der motorisierten Deutschen gegenüber allen Ausländern, die die Autobahn benutzen werden. Leichtfried: „Das ist eine reine Ausländermaut.“
Leichtfried sieht den Umgang mit seiner Klage als „Nagelprobe für das europäische Rechtsverständnis“. Und er weiß den Europarechtler Walter Obwexer auf seiner Seite. Der verweist auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg, wenn er Österreich gute Chancen prognostiziert. Österreich und fast alle Nachbarländer kassieren – teils weit saftigere – Gebühren für ihren Autobahnen. Aber nirgends werden die Einheimischen geschont. Es geht also ums Prinzip. Solange die neue niederländische Regierung sich dazu nicht äußert, bleibt Österreich das einzige Land, das sich nicht geschlagen geben will.
Die SPÖ gibt sich proeuropäisch, aber gleichzeitig im Detail europakritisch. Am Streit um die Maut kann man nachvollziehen, wie die großen Länder es sich im Zweifel richten können. So wird der Konflikt zu einem Duell des Wiener David gegen den Berliner – oder besser Münchener – Goliath. Also vielleicht doch ein bisschen Wahlkampf.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe