Kommentar Katholikentag: Keine Schäfchenherde mehr
In Leipzig zeigte sich eine moderne Kirche, die sich klar gegenüber der AfD positioniert. Auch deshalb muss sie wieder ernstgenommen werden.
![Eine Nonne telefoniert mit einem Handy. Eine Nonne telefoniert mit einem Handy.](https://taz.de/picture/1227476/14/16006602.jpeg)
W enn es um die Bilanzen von Evangelischen Kirchentagen oder von Katholikentagen geht, wird die Sache gern etwas mystisch. Da wird eine Stimmung beschrieben, deren Stimmigkeit aber kaum nachzuweisen ist – gute, schlechte, langweilige, aufgehitzte, trostlose … Bei meist über 1.000 Veranstaltungen pro Christentreffen ist das schwer zu belegen.
Dennoch kann man sagen: Der am Sonntagmorgen in Leipzig zu Ende gegangene Katholikentag war ein gelungener. Das lag auch am Wetter, klar, vor allem aber daran, dass jene elende Konfrontation im Großen und Ganzen beendet zu sein scheint, die in den vergangenen Jahren so häufig die Katholikentage bestimmt hatte: hier die engagiert-liberalen Laien, die das große Treffen ja regelmäßig organisieren – dort die bremsend-konservativen Bischöfe, über die man sich ärgert.
Auch dank Papst Franziskus und seiner neuen, barmherzigeren und offeneren Kirchenpolitik fühlt sich die katholische Basis nicht mehr abgestempelt als blökende Herde von Schafen, die brav ihrem Oberhirten hinterher trotten sollen. Nein, sie wird wieder ernst genommen, wirkt selbstbewusster. Und eine überraschende Folge kann sein, dass die klassischen Podien nicht mehr so attraktiv zu sein scheinen. Man muss sich von oben nicht mehr alles erklären lassen.
Hinzu kam: Der Katholikentag hatte ein tragendes Thema, nämlich die Flüchtlingskrise, und einen gemeinsamen Gegner, den überall in Europa um sich greifenden Rechtspopulismus, namentlich die hiesige AfD, die die Kirchen hierzulande und ihr Flüchtlingsengagement mehrfach zynisch und unflätig beschimpfte. Erst am Sonntag, zum Ausklang des Katholikentages, hat AfD-Chefin Petry den Kirchen erneut vorgeworfen, mit der Flüchtlingshilfe eine moderne Form des Ablasshandels zu betreiben.
Die Empörung darüber war, ebenso wie die Befürwortung des Engagements für Flüchtlinge, in Leipzig deutlicher Konsens. Nirgends, auch nicht aus dem Publikum, war anderes zu hören. Damit hat sich in Leipzig erneut bewahrheitet, was der große (evangelische) Märtyrer und Theologe Dietrich Bonhoeffer schon vor mehr als 70 Jahren sagte: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“
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