Kommentar Karenzzeit für Politiker: Ausstieg muss möglich sein
Politiker brauchen Exit-Optionen aus der Politik. Zu lange Karenzzeiten für ihre Weiterverwendung in der Industrie verbauen sie.
D er Gesetzentwurf zu Karenzzeiten, den das Bundeskabinett heute beschließen will, ist richtig und überfällig. Gerhard Schröder (SPD) hätte unter dem neuen Gesetz niemals so nahtlos vom Kanzler zum Gazprom-Lobbyisten werden können, Eckart von Klaeden (CDU) niemals so schnell vom Staatsminister in Merkels Kanzleramt zum Cheflobbyisten der Daimler AG.
Der rasche Wechsel von der Spitzenpolitik in die Chefetagen der Wirtschaft ist im letzten Jahrzehnt selbstverständlich geworden. Dass sich Minister und Staatssekretäre willfähriger gegenüber der Wirtschaft verhalten, um die Chance auf einen gut bezahlten Anschlussjob nicht zu gefährden, ist wahrscheinlich; dass sie an Gesetzen mitschreiben können, die ihre spätere Tätigkeit erleichtern, problematisch.
Die Sehnsucht, den Selbstbedienungsladen Politik ein für alle Mal dichtzumachen, ist daher verständlich. Und dennoch ist die Forderung von Lobbycontrol und Grünen, die geplante Karenzzeit von zwölf bis achtzehn Monaten auf drei Jahre zu erhöhen, falsch. Die Willfährigkeit von Ministern und Staatssekretären gegenüber gegenüber der Wirtschaft würde dadurch zwar sinken, der Opportunismus gegenüber der eigenen Partei aber wachsen.
Spitzenpolitiker, die nicht in einen Beamtenjob zurückkönnen, müssten dann auf einen Job in Brüssel oder in den parteinahen Stiftungen hoffen – und würden Widerspruch gegenüber ihren Führungen weitgehend meiden. Die Aussicht, andernfalls Jahre mit Nichtstun oder Ehrenämtern verbringen zu müssen, dürfte ebenso die Falschen in die Politik locken, wie es heute schon die Aussicht auf üppig dotierte Anschlussverwendungen tut.
Politiker brauchen Exit-Optionen aus der Politik. Zu lange Karenzzeit verbauen sie.
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