Kommentar Karenzzeit für Politiker: Ausstieg muss möglich sein

Politiker brauchen Exit-Optionen aus der Politik. Zu lange Karenzzeiten für ihre Weiterverwendung in der Industrie verbauen sie.

Wechselt vom Verkehrsministerium in den Verband Kommunaler Unternehmen: Katherina Reiche. Bild: imago/Reiner Zensen

Der Gesetzentwurf zu Karenzzeiten, den das Bundeskabinett heute beschließen will, ist richtig und überfällig. Gerhard Schröder (SPD) hätte unter dem neuen Gesetz niemals so nahtlos vom Kanzler zum Gazprom-Lobbyisten werden können, Eckart von Klaeden (CDU) niemals so schnell vom Staatsminister in Merkels Kanzleramt zum Cheflobbyisten der Daimler AG.

Der rasche Wechsel von der Spitzenpolitik in die Chefetagen der Wirtschaft ist im letzten Jahrzehnt selbstverständlich geworden. Dass sich Minister und Staatssekretäre willfähriger gegenüber der Wirtschaft verhalten, um die Chance auf einen gut bezahlten Anschlussjob nicht zu gefährden, ist wahrscheinlich; dass sie an Gesetzen mitschreiben können, die ihre spätere Tätigkeit erleichtern, problematisch.

Die Sehnsucht, den Selbstbedienungsladen Politik ein für alle Mal dichtzumachen, ist daher verständlich. Und dennoch ist die Forderung von Lobbycontrol und Grünen, die geplante Karenzzeit von zwölf bis achtzehn Monaten auf drei Jahre zu erhöhen, falsch. Die Willfährigkeit von Ministern und Staatssekretären gegenüber gegenüber der Wirtschaft würde dadurch zwar sinken, der Opportunismus gegenüber der eigenen Partei aber wachsen.

Spitzenpolitiker, die nicht in einen Beamtenjob zurückkönnen, müssten dann auf einen Job in Brüssel oder in den parteinahen Stiftungen hoffen – und würden Widerspruch gegenüber ihren Führungen weitgehend meiden. Die Aussicht, andernfalls Jahre mit Nichtstun oder Ehrenämtern verbringen zu müssen, dürfte ebenso die Falschen in die Politik locken, wie es heute schon die Aussicht auf üppig dotierte Anschlussverwendungen tut.

Politiker brauchen Exit-Optionen aus der Politik. Zu lange Karenzzeit verbauen sie.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.