Kommentar Kampf um Katalonien: Schleichender Ausnahmezustand
Der Kampf um Katalonien ist nicht nur ein Konflikt Spaniens. Es geht um demokratische Grundrechte. Madrid sollte einlenken, bevor es zu spät ist.
W as in Katalonien geschieht, verdient nur einen Namen: Schleichender Ausnahmezustand. Madrid verlegt Polizeikräfte in die nordostspanische Region. Sie sollen am 1. Oktober die von der Autonomieregierung geplante Volksabstimmung über die katalanische Unabhängigkeit verhindern.
Hunderte Bürgermeister werden derzeit vorgeladen und mit Haft bedroht, gegen die Autonomieregierung wird ermittelt. Selbst in Madrid wird eine Informationsveranstaltung zum Thema verboten. Nicht nur das Referendum, nein, jede Diskussion über das Selbstbestimmungsrecht der Katalanen – und damit auch über die anderer Völker in Spanien, wie etwa der Basken oder Galicier – ist unerwünscht.
Egal wie man zur Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien steht: Was hier geschieht, hat nichts mit der vom konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy proklamierten Verteidigung der Verfassung samt ihrer demokratischen Freiheiten zu tun. Die Politik Rajoys und seiner durch und durch korrupten Partido Popular ähnelt vielmehr einen Konzept von Spanien, wie es bereits die Diktatur unter General Franco hatte. Dass er dabei auch von den Sozialisten unterstützt wird, ist mehr als traurig.
Wenn – je nach Umfrage – zwischen 70 und 80 Prozent der katalanischen Bevölkerung über ihre Zukunft frei abstimmen wollen, ist dies ein gerechtfertigter Wunsch. Madrid täte gut daran, einzulenken, bevor es zu spät ist. Kanada und in Großbritannien haben vorgemacht, wie das geht. In beiden Fällen unterlagen übrigens die Verfechter der Unabhängigkeit. Je länger Rajoy auf Repressionen setzt, umso unwahrscheinlicher wird es, dass er die Einheit Spaniens wahren kann.
Dies sollte auch eine Warnung an die Politiker in Brüssel sein. Es geht nicht – wie die EU-Kommission immer wieder erklärt – um einen rein inneren Konflikt Spaniens. Es geht um fundamentale demokratische Rechte.
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