Kommentar Justizreform in Polen: Polen ist kein Rechtsstaat mehr
Die Regierungspartei PiS arbeitet seit Jahren an der Politisierung der Justiz. Mit dem neuen Gesetz ist die Gewaltenteilung in Polen aufgehoben.

P olen ist keine rechtsstaatliche Demokratie mehr. Polens nationalpopulistische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat ihr Ziel erreicht. Die in der polnischen Verfassung verankerte Gewaltenteilung ist seit Mittwoch aufgehoben. Das Gesetz über die Zwangspensionierung der Richter des Obersten Gerichts ist das letzte in einer langen Reihe, die die Politisierung der Justiz vorantrieben.
Als Erstes brachte die PiS das Verfassungsgericht unter ihre Kontrolle. Polens Präsident Andrzej Duda weigerte sich bereits 2015, die rechtmäßig noch vom Vorgänger-Sejm ernannten Richter zu vereidigen, und maßte sich ein eigenes Auswahlrecht an. Stattdessen vereidigte er Richter, die die PiS mit ihrer absoluten Mehrheit im Parlament ausgewählt hatte. An die Stelle des alle verpflichtenden Rechts trat das Prinzip Willkür. Zwar verwarf das Verfassungsgericht noch einige Gesetze der PiS als verfassungswidrig, doch die damalige Premierministerin Beata Szydło weigerte sich, diese Urteile im Amtsblatt der Regierung zu veröffentlichen, wie es ihre Pflicht gewesen wäre. Formalrechtlich gesehen traten die Urteile damit nicht in Kraft.
Mit insgesamt 13 Gesetzen „reformierte“ die PiS seit Ende 2015 Polens Gerichtswesen, erklärte den Bürgern mit einer groß aufgezogenen Werbekampagne, dass es nur darum gehe, die „arrogante Richterkaste“ zu disziplinieren, Altkommunisten und „korrupte Banditen“ unter den Richtern aus den Gerichten zu entfernen, auf dass künftig überall in Polen „Recht und Gerechtigkeit“ herrsche.
Zwar protestierte Polens Zivilgesellschaft vehement gegen die zunehmende Willkürjustiz, doch am Ende blieb nur die Hoffnung auf ein entschiedenes Eingreifen der EU-Kommission, des Europäischen Rates und am Ende des Europäischen Gerichtshofes. Tatsächlich eröffnete die EU ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen sowie – am Montag – ein Vertragsverletzungsverfahren. Doch die EU-Mühlen mahlen viel zu langsam. Wahrscheinlich kommt die Rettung aus Brüssel für Polens Demokratie zu spät.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart