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Kommentar Julia Klöckner und NestléKuscheltier der Industrie

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Das Video der Verbraucherministerin mit einem Nestlé-Manager ist symptomatisch für ihre Politik: Ihr fehlt die Distanz zur Lebensmittelindustrie.

Julia Klöckner präsentiert Produkte Foto: reuters

B undesernährungsministerin Julia Klöckner ist das Kuscheltier der Lebensmittelindustrie. Das hat die CDU-Politikerin gerade erst, deutlich wie selten, in einem Video gezeigt, in dem sie mit einem Nestlé-Manager posiert. Breit lächelnd berichtet sie, dass man sich „über die Philosophie“ des weltgrößten Lebensmittelkonzerns unterhalten habe. Und darüber, dass das Unternehmen Zucker, Salz und Fett in seinen Fertigprodukten reduziere. Nestlé-Deutschland-Chef Marc-Aurel Boersch darf außerdem seinen Arbeitgeber dafür loben, dass er „in den letzten Jahren“ die kritischen Stoffe um etwa 10 Prozent gesenkt habe. Das Video wirkt durch das Dauerlächeln und die fehlende Distanz der Ministerin wie ein Werbevideo für Nestlé.

Das passt zu Klöckners Kuschelkurs gegenüber der Industrie. Statt verbindliche Zielvorgaben zu machen, lässt sich die Ministerin mit freiwilligen Selbstverpflichtungen abspeisen. Die sind zu lasch, zu langsam und keiner kann garantieren, dass die Konzerne sie überhaupt einhalten. Der Zuckergehalt von Erfrischungsgetränken für Kinder soll um lediglich 15 Prozent sinken – und das erst bis 2025. Richtig wäre bei solchen Zuckerbomben eine Reduktion um die Hälfte – und warum nicht schon im kommenden Jahr?

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Weil es Nestlé und Konsorten Geld kosten würde. Zucker ist ein billiger Rohstoff, auf den die Industrie ihre Kundschaft leicht konditionieren kann. Klöckner vertritt eben die Interessen der Unternehmen, nicht der Verbraucher oder der Gesellschaft. Die aber leidet darunter, dass laut Robert Koch-Institut 53 Prozent der Frauen und 62 Prozent der Männer in Deutschland übergewichtig sind. Eine der Ursachen sind Fertigprodukte mit viel verstecktem Zucker, Fett und somit Kalorien.

Solche Lebensmittel sollten viel deutlicher als ungesund gekennzeichnet werden – zum Beispiel durch Ampelfarben. Klöckner aber lehnt das ab. Andere eindeutige Kennzeichnungsmodelle verzögert sie. Sonst würde Nestlé ja wirklich weniger solcher Produkten verkaufen und Umsatz verlieren.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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22 Kommentare

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  • 9G
    91491 (Profil gelöscht)

    Der Sessel bei Nestle wird schon warm gehalten, für die Zeit nach der GroKo.

  • Abwarten. Die Groko wird sich auflösen. Neuwahlen bringen die Grünen mit den Roten in die Regierung. Frau Klöckner bekommt nen Job als Weltweinkönigin und steht damit auf der Payroll von Nestlé. Und die anderen in einem Kommentar Genannten bekommen das, was sie sich verdient haben: Versenkung in der Kloake der HR-Fehlentscheidungen.

  • Das ist doch nur eine Fortsetzung der Strategie der Wirtschaft die schon vor langer Zeit begonnen hat. Nämlich das Firmen mit Ministerien zusammenarbeiten. Jetzt ist die Zeit gekommen wo sie es halt öffentlich machen. Wir wurden und werden verkauft und sollen es jetzt auch wissen.



    Vor 9 Jahren habe ich mal ans BMFSFJ geschrieben wegen zuviel Doof-TV und bekam als Antwort, dass man mit Vodafone und TV Spielfilm schon eine Initiative ins Leben gerufen habe. Da bleibt einem die Spucke weg.

    • @APO Pluto:

      Volle Zustimmung.



      Da fällt frauman vom Glauben an einen gerechten Staat total ab… aber Sie sagen es ja: soll ja so: verraten und verkauft.

  • sklavenarbeit bei nestle+starbucks:



    news.mongabay.com/...ilian-coffee-farm/

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Die Bauernkönigin hat auch keine Distanz zu den Bauern, Ackergiften, Gülle, Tierhaltung und Ferkelkastration, Nahrungskennzeichnungen und Umweltschäden. Deshalb kann sich Frau Dr. M auch so zurücklehnen: Die Landwirtschaftsministerin soll ermöglichen, was der Bauer will, der Verkehrsminister schaut, was die Kfz-Hersteller und die Autofahrer wollen, die Verteidigungsministerin schaut, was die BW und Trump will, der Heimatminister schaut, wie er alle Ausländer abschieben kann, der Wirtschaftsminister kümmert sich darum, daß die Energiewende nicht klappt. Der Spahn kümmert sich um viele frische Organe. Oettinger und Weber kümmern sich um Europa.



    Alles OK, Frau Doktor. Alle machen das, was Sie angeordnet haben.

    • 8G
      84935 (Profil gelöscht)
      @91672 (Profil gelöscht):

      Jepp, sehr gut zusammengfasst, die Misere. Ich glaube auch, dass diese Partei eigentlich Capitalistisch-Diktatorische-Union heißt. Aber die Bevölkerung scheint ja endlich aufzuwachen. Andererseits: was wollen die Grünen machen, wenn sie in der Regierungsverantwortung sind und die Architektur sowohl der EU, wie auch des internationalen Wirtschaftssystems (WTO, IWF) streng neoliberal ausgerichtet sind und jede Abweichung vom menschenverachtenden Kurs sofort mit wirtschaftlichen Nachteilen bestraft wird?

  • wir brauchen Neuwahlen und frische Köpfe an der Spitze dieser verkorksten, von Lobbyisten gesteuerten Bundesregierung. Andernorts wird Koruption bekämpft und mit Gefängnis bestraft, mittlerweile selbst in Ländern wie Rumänien

  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Die Bauernkönigin hat auch keine Distanz zu den Bauern, Ackergiften, Gülle, Tierhaltung und Ferkelkastration, Nahrungskennzeichnungen und Umweltschäden. Deshalb kann sich Frau Dr. M auch so zurücklehnen: Die Landwirtschaftsministerin soll ermöglichen, was der Bauer will, der Verkehrsminister schaut, was die Kfz-Hersteller und die Autofahrer wollen, die Verteidigungsministerin schaut, was die BW und Trump will, der Heimatminister schaut, wie er alle Ausländer abschieben kann, der Wirtschaftsminister kümmert sich darum, daß die Energiewende nicht klappt. Der Spahn kümmert sich um viele frische Organe. Oettinger und Weber kümmern sich um Europa.



    Alles OK, Frau Doktor. Alle machen das, was Sie angeordnet haben.

  • Das Ganze hatte ja auch noch ein lustiges Nachspiel auf Twitter, wo Frau Klöckner offenbar persönlich zurückpöbelte und Kritiker dort pauschal als "Hatespeaker" und "hasserfüllt" beschimpfte. Uff, das war gleich doppelt unglücklich kommuniziert, denn diese Begriffe stammmen ja aus der Diskussion über die Regulierung von sog. "Hatespeech" im Internet, und genau da wird ja befürchtet, dass diese Form der Zensur auch auf politisch unliebsame Gegener angewendet werden könnte.

  • Nestle hat soviel Dreck am Stecken, daß es nur so kracht.



    BSP: Die Mineralwasserplörre Pure Life.

    Leute die unter jedem quasi definierbaren Lebensstandard in Armutsvierteln dahinsterben und plötzlich ohne Brunnenwasser dastehen, weil dieser Sch...konzern in der Nachbarschaft quasi das ganze Grundwasser abpumpt.



    Dann noch mit anzusehen, wie man dann an diese - völlig mittellosen - Leuten in Plastikflaschen quasi deren eigenes Wasser als "Service" verkaufen will war wirklich ein Tiefpunkt in meinem Leben!

    Und was den Zucker/Fett-Murks betrifft war es ja wohl gerade Nestle, das jahre-, nein jahrzehntelang "Lebensmittel" anbot, die diese Bezeichnung nicht verdienten.

    Eine/eine MinisterIn hat sich von ALLEn Konzernen fernzuhaöten, aber sich ausgerechnet mit Nestle ins Bett zu legen ist ... da fällt mir nichts mehr ein, wofür man mich hier nicht sofort sperren würde.

    • @Nachtvogel:

      Dafür hat Nestlé im Februar einen Umweltpreis dafür erhalten, an recyclingfähigen Kaffeekapseln geforscht zu haben.

      • @Khaled Chaabouté:

        Ernsthaft? Weil jemand bei Nestle mal das Wort "Recycling" benutzt hat, sind die anderen hier angedeuteten Dinge ok?

        Im übrigen ist es nun gerade mal ein halbes Jahr her, dass Nestle die neue "Jumbokapsel" aus Alu eingeführt hat - so viel zum Interesse am Umweltschutz.

        Und davon abgesehen, ist die umweltfreundlichste Kaffeekapsel die, die man nicht nutzt!

    • @Nachtvogel:

      Absolute Zustimmung für @Nachtvogel, 06.06.2019, ca. 17:48.



      Hier kann sich frauman ansehen, wie unmenschliche Gewinnmaximierung ganz leicht zum Vorteil von Wenigen umgesetzt werden kann.



      www.youtube.com/watch?v=O6psKFczqyI



      Absolut Menschen vernichtend, eine unbeschreibliche Arroganz dem Leben und den Menschen gegenüber und eine bodenlose Frechheit.



      Als wären die Manager und die Angestelleten von diesem Schei…konzern selbst keine Menschen.



      Und bis hierher ging es "nur" um das allerwichtigste Lebensmittel der Menschen weltweit – WASSER.



      Der Zucker und die "künstlichen" Nahrungsmittel (KEINE Lebensmittel!), die die sonst noch herstellen, sind nochmal ein anderes Thema. Billigste Zusatzstoffe, ohne Nährwerte, massig Kalorien – mit einem Wort ungesund und im Grunde ungenießbar - wäre nicht so viel Zucker drin, der nunmal jedem Menschen schmeckt.



      Es ist zum Verzweifeln, was die machen. Klöckner 🚲 als Mitarbeiterin von diesem Konzern. DESSEN Namen werde ich nicht ausschreiben.



      Sofortiger Rücktritt ist zu gnädig. Amtsenthebung bei Streichung aller Bezüge. Wieso lässt so eine "Ministerin" alle so kalt?! I c h bin auf der 🌴. … 😡 … 😡 … 😡



      Was sind schon Menschen(Leben) im Vergleich zu Millarden-Gewinnen. Aaarrgh.

  • 👍

    Klasse Artikel !..

    Doku´s zum Thema :

    ( Zuckersucht ) www.youtube.com/watch?v=5fcTKgCuZk0

    ( Nestlé ) www.youtube.com/watch?v=M67u9FXPruw

  • Klöcki handelt weder smart noch integer. Nicht unähnlich vieler CDU Spitzenpolitiker.

  • na da sind wir aber überrascht! Hallo! Alle Landwirtschaftsminister waren Lobbyisten der Agro-Industrie - da befindet sich Frau Klöckner in trauter Gemeinschaft mit ihren Vorgängern udn den Landesministern. Verbraucher- und Umweltschutz nur dann, wenn sie der Agrar-Lobby nicht das Geschäft versauen. Aber ehrlich gesagt, handeln etwa die Verkehrs- Umwelt- oder Energieminister anders? Keine gesetzlichen Regelungen, unverbindliche freiwilliger Erklärungen usw. Mein Tipp: Die Minister sollten die Logos der Wirtschaftsunternehmen am Revers tragen, damit man weiß, wer Herr und wer Knecht ist.

  • Wieder Mal beweist Julia Klöckner ihre Treue für die Lobby.

    Die GroKo wackelt und Ministerin Klöckner weiss was zu tun ist: liefern.



    payback-time für die Wirtschaftslobby.

    Verbraucherinteressen oder Wählerwille?



    Sch... drauf.



    Mann und auch Frau muss Prioritäten setzen.

    Und "liefern" kann Julia Klöckner nur als Frau Ministerin.

    Ironie-on



    Es sei denn, J.K. startet ihren eigenen youtube-channel!?

    Vielleicht als "Fräulein Weinkönig erklärt die bunte Welt der Lobbyisten"?



    Ironie-off

  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    die innovationskraft der industrie darf nicht durch staatliches reglement beschnitten werden.



    deshalb ist alles genau genau so toll, wie es ist.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Nominiert für den Christian-Wulf-Gedächtnispreis 2019: Julia Klöckner.



    Wohl zu viele Pälzäh Schoppe mit Glykol-Beigabe gepetzt???

    Nichts gegen Geschmeidigkeit: diese neuerliche Unappetitlichkeit von Frau Klöckner ist für mich das (verschimmelte) Sahnehäubchen auf ihrer bisherigen Lobby-Politik. Schlimmer geht's nimmer.

    In Zeiten funktionierender demokratischer Regeln wäre dies ein Grund für sofortigen Rücktritt.

    2019 und Demokratie - keine Liebesbeziehung.

  • Naja, man muss eben sehen, wo man bleibt, wenn die Groko ins Grab fährt... um Klöckner mach ich mir da keine Sorgen.

    • @miri:

      Ist aber schon blöd, wenn das Geld der Steuerzahler verschwendet wird an Praktikanten, die schon mal für einen Platz in der freien Wirtschaft üben.