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Kommentar Jürgen KloppDie Authentizitätsmaschine

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Werbeikone und AG-Abteilungsleiter Jürgen Klopp verkauft Borussia Dortmund bei einem gesponserten Interview als Arbeiterverein. Was für ein grandioser Unsinn!

Soziales Genie: Jürgen Klopp in Arbeitskleidung Bild: dpa

J ürgen Klopp kann alles verkaufen, er ist die wohl gefragteste Werbefigur, die es in diesen Tagen in Deutschland gibt. Er macht für beinahe alle, die es sich leisten können und wollen, Werbung – für seinen Arbeitgeber, die Borussia Dortmund Kommanditgesellschaft auf Aktien natürlich sowieso. Klopp gilt als derartig glaubwürdig bei den Werbern dieser Republik, dass ihm zugetraut wird, jedes Auto verkaufen zu können, das auf den Markt gelassen wird.

So war der Mann, der hauptberuflich Fußballtrainer eines Champions-League-Finalisten ist, schon für drei verschiedene Automarken lächelnd am Steuer. Er hat sich für einen niederländischen Elektronikkonzern rasieren lassen und ist für Banken mit seinem Hund durch Wälder gelaufen.

Letzteres stand unter einem Interview, das die englische Tageszeitung Guardian mit Klopp geführt hat. Gut angekommen ist es wohl, das Interview, für das sich Klopp, der in den Tagen vor dem großen Finale bislang nicht eine Pressekonferenz gegeben hat, von diesem anderen Herzogenauracher Sportartikelhersteller hat kaufen lassen und das die englische Zeitung wiederum dem Sportartikelhersteller abgekauft hat. Stundenlang stand es in der Hitliste der meistgelesenen Artikel in der Online-Ausgabe ganz oben. Das Geschäft mit dem Gespräch hat sich gelohnt. Eine Win-win-win-win-Situation für alle Beteiligten.

Bild: taz
Andreas Rüttenauer

ist Leibesübungen-Redakteur der taz und sympathisiert mit 1860 München.

Denn Klopp war in das Interview nicht nur als Model gegangen, er hatte ein ganz bestimmtes Ziel. Er war als Image-Botschafter seines Klubs unterwegs, den er als das Gute schlechthin im Fußball darstellt: als James Bond, der mit bescheidenen Mitteln gegen den Bösewicht FC Bayern kämpft; als Arbeiterklub, der noch „ein echter Verein“ sei und kein Unternehmen. Der BVB ist demnach so toll, dass den neutralen englischen Fans im Stadion am Samstag gar nichts anderes übrig bleibt, als den deutschen Vizemeister zu unterstützen.

Was für ein grandioser Unsinn! So etwas kann wirklich nicht jeder sagen. Klopp kann es. Er ist eine menschliche Authentizitätsmaschine. Einen professionelleren Sympathen wird so schnell niemand finden in Deutschland.

„Echte Liebe“

Der Fußball kann sich glücklich schätzen, ein derartiges Glaubwürdigkeitswunder in seinen Reihen zu haben. Das irrwitzige Geschäft des Profifußballs, das in der Spitze von Teams, die nur aus Millionären bestehen, betrieben wird, braucht Menschen wie Klopp, um die Bodenhaftung nicht gänzlich zu verlieren. „Echte Liebe“ – diese zwei Worte sind in jedes Trikot von Borussia Dortmund eingestickt. Und viele Fans halten die Zuneigung zu ihrem Klub wirklich für echte Liebe, halten ihren Klub für etwas ganz Besonderes.

Und Klopp macht mit einem Handstreich aus dem ersten börsennotierten Fußballklub des Landes einen Arbeiterverein, was der BVB in seiner langen Geschichte vielleicht einmal war, ungefähr bis 1966 (Gewinn des Europapokals der Pokalsieger). Und während er über Derartiges redet, wird niemand denken, dass man es mit einem Mann zu tun hat, der weit über drei Millionen Euro im Jahr verdient. Gut ein Drittel davon mit Werbung.

Jürgen Klopp, der so gerne über seine eigenen Emotionen spricht, über Tränen in Mainz oder seine Wut, als er erfahren hat, dass die Bayern Mario Götze verpflichtet haben, kann sich nicht nur selbst gut verkaufen. Die Werber in Deutschland scheinen zu glauben, dass er auch alles andere gut verkaufen kann – sogar Rasierapparate, die für die ganz glatte Haut stehen, kann der notorische Dreitagebartträger verticken. Das sagt viel darüber, wie Werbung funktioniert und welch soziales Genie Klopp ist.

Ein Problem ist das aber nicht. Dass sich eine Zeitung für ein Klopp-Interview an eine Sportartikelfirma verkauft, das sollte schon zu denken geben.

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Andreas Rüttenauer
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16 Kommentare

 / 
  • M
    Michael

    Und wisst Ihr was - das ist egal!

     

    Daran kann auch kein noch so misantrophisches berliner Genöle etwas ändern.

     

    Gruß aus Dortmund

  • HF
    H. Funky

    Die Wahrheit ist grausam!

  • I
    iBot

    Man merke sich: Gewinne - egal ob Titel oder Geld - sind für Arbeitervereine tabu. Arbeiterverein ist nur, wer sich jedes Jahr knapp vor der Insolvenz rettet und im Amateurbereich über die Dörfer tingelt. Also 1860 ohne Investor.

  • H
    Hans

    Wurde das Interview wirklich von Puma verkauft? In der Sun war auch eine Artikel, indem auch stand, dass Klopp stolz ist Puma zu tragen.

     

    Angeblich (wurde so erzählt, vielleicht kann jemand es verifizieren) ist es in UK durchaus gängig, dass der Ausrüster am Ende eines Interviews genannt wird.

  • W
    Weini

    @Alex.andra

     

    Jo und das macht natürlich nur der BVB. Stimmt, jetzt wo Sie es sagen fällt mir auf, dass bei allen anderen Vereine in Deutschland die Spieler selbst die Karten abreißen, sich gegenseitig verarzten und alle anderen Aufgaben rund um den Verein übernehmen. Bei allen anderen Clubs wird dazu meist günstiges Personal aus China eingeflogen! Danke dass Sie mich aufgeklärt haben wie einzigartig der BVB ist -.-

     

    Dieses ganze "Wer ist der (moralisch) bessere Verein" nervt einfach nur noch! Gepaart mit dem typisch deutschen Missgunst-Verhalten und dieser fast schon amerikanisch-anmutenden Doppelmoral wird der FC Bayern als "Bösewicht" dargestellt, ohne sich mal an die eigene Nase zu packen. Dieses "schwarz-weiß Sehen" bezeichne ich in meinem Freundeskreis gerne als "Fuba-Nazitum"...irgendwo gegen irgendwen muss man ja seinen Frust und Hass loslassen können!

    @BVB Fans: Mir ist bewusst, dass ihr Jürgen Klopp verehrt, sportlich gesehn auch zurecht (!!) aber diese unkritische Verherrlichung ist dann doch des Guten zu viel! Und wem diese (fast schon heuschleriche)Omnipräsenz des Herrn Klopp (v.a. in der Werbung) noch nicht aufgefallen ist, der tut mir sowieso Leid!

  • TM
    Thorsten Mueller

    Lass nur nen Münchner über den BVB was zusammekritteln und schon kommen Spiessig- und Gehässigkeiten raus. Sie können halt nicht anders die Münchner, egal welcher Farbe. Schreibt´s lieber über die Bayern, die 60zigern, Weisswurst und Weissbier, das ist genug für eure Denke. Dann schon lieber ein Schalker der über den BVB schreibt, da kann man ehrlich zurückrotzen ;-)

  • TM
    Thorsten Mueller

    Lass nur nen Münchner über den BVB was zusammekritteln und schon kommen Spiessig- und Gehässigkeiten raus. Sie können halt nicht anders die Münchner, egal welcher Farbe. Schreibt´s lieber über die Bayern, die 60zigern, Weisswurst und Weissbier, das ist genug für eure Denke. Dann schon lieber ein Schalker der über den BVB schreibt, da kann man ehrlich zurückrotzen ;-)

  • D
    Doatmunda

    Klopp rockt trotzdem. Weil er zu Selbstironie fähig ist. Oder glaubt wirklich irgendjemand, dass ein Fußballverein in den oberen drei Ligen dieses Landes ausschließlich mit den Einkünften aus den zum Selbstkostenpreis abgegebenen Stehplatztickets, die von heldenhaften Werktätigen nach einer harten Schicht gekauft werden, finanziert werden kann. Werbung ist o.k. Es glaubt doch sowieso keiner die Werbebotschaften (ein Bartträger, der für Rasierer wirbt / Fußballmillionäre, die im Opel ein Ausflug machen etc.). Schluss mit der Heuchelei !

  • B
    Ballgucker

    Gar so engelhaft wie hier mehr oder weniger deutlich angedeutet wird, ist der FC Bayern nun auch nicht. Zufällig tauchten vor Spielen der Bayern gegen die Dortmunder mehrmals Gerüchte über Spielerwechsel beim BVB o.ä. auf. Wer mag zudem glauben, dass die Bekanntgabe des Wechsels von Götze kurz vor einem wichtigen Spiel in der CL reiner Zufall war?

  • TH
    Torben Haus

    Und wer ist der Marketing- und PR-Berater von Klopp? Die Agentur "Projekt B" die zu 50% Oliver Bierhoff gehört. Und auch Dickel und Watzke vermittelt...

  • L
    Lünener

    rs aus dus

     

    "wenn er kampflos und in der eigenen Hütte dem Erzfeind 1899 das Spiel und somit die Relegationschance überlässt. Pfui Deibel."

     

    Das Spiel gesehen? Oder doch nur am ragen, weil Fortuna abgestiegen ist? Ich hätte auch lieber die rot-weissen als die blau-weissen in der Relegation gesehen, aber kampflos war das nicht. Unglücklich passt es. Aber dann ist die Kacke die man hier verzapft auch noch nicht mal mehr provokant sondern nur mehr als flüssig.

  • R
    reblek

    "... was der BVB vielleicht einmal in seiner langen Geschichte einmal war..." - "einmal" und "einmal" wäre schon zweimal.

    Tja, von einem solchen Text fühlt sich der Fan, der bekanntlich eine eingegrenzte Sicht der Dinge hat - wie sollte es bei Scheuklappen anders sein? -, attackiert. Was würde er wohl sagen, wenn Hitzfeld Recht behielte, der gemeint hat, Klopp werde irgendwann Bayern München trainieren?

  • M
    mogli

    Oje, das war ja zu befürchten. Wenn SPON, SZ und Bild schon auf den Guardian-Bericht aufspringen, dann darf die taz nicht fehlen. Und als deutsche Fachkraft für unabhängigen Bessermenschen-Journalismus und Selbst-Gerechtigkeit in allen Lebenslagen, fühlt man sich natürlich berufen, den Briten als Neulingenn in Sachen Pressefreiheit mal zu erklären, wann man sich als Zeitung „an einen Sportartikelhersteller verkauft“ hat. So wird’s auch für den durchschnittlichen taz-Leser für‘s gewohnt wohlig-warme Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, schon reichen.

     

    Und dass eine Kommanditgesellschaft auf Aktien kein Arbeiterverein sein kann, das weiß er auch der taz‘ler. Oder war das der Verein vom Borsigplatz sogar (spätestens!) seit 1966 nicht mehr? Da wurde dem BVB ja bekanntermaßen gleichzeitig mit dem Cup-Gewinn offiziell die Lizenz zum Arbeiterverein entzogen. Die Älteren werden sich erinnern. Ganz schön dreist dieser Klopp, dass er sich mit dieser Bezeichnung trotzdem an die britische Arbeiterklasse ranwanzen will. Das wäre ja fast so, als wenn man als Dauer-Bartträger, Werbung für Nassrasierer machen würde. Aber so isser eben, der notorische Selbstvermarkter Klopp. Und ohne die taz wäre uns das (fast) entgangen. Und jetzt auf zum fröhlichen Klopp- und BVB-Bashing!

     

    (Nä, was bin ich froh, wenn bald Samstag ist.)

  • A
    Alex.andra

    Lieber Autor,

     

    ich sag es mal einfach direkt: so kommentiert nur jemand, der nicht von hier kommt - also aus Dortmund, mitten aus dem Ruhrgebiet. Auch wenn Jürgen Klopp nicht aus dem Ruhrgebiet stammt - es könnte so sein. Und das hat nicht nur etwas mit seiner zügellosen, emotionsgeladenen Art zu tun. Sondern auch mit den Erfolgen als Trainer einer wirklich grandiosen Fußballmannschaft. Er ist höchst authentisch - und bleibt das auch nach Interviews, Presseterminen etc. pp - er ist so echt wie die Menschen hier.

     

    Ja, es stimmt - Borussia Dortmund ist ein Arbeiterverein. Das kann hier im Ruhrgebiet auch gar nicht anders sein. Wir sind eine Arbeiter- und Industrieregion, daran ändert auch der Strukturwandel nichts. Vielmehr müssen die Wunden, die der Zusammenbruch der Schwerindustrie in das kollektive Bewusstsein der Bevölkerung gerissen hat, immer noch verheilen. Ein Trainer wie Jürgen Klopp, der einem lokalen Verein zu internationalen Format verhilft und dabei authentisch bleibt - der hat verstanden, wie man den Heilungsprozess beschleunigt.

     

    Es ist nur immer wieder erstaunlich, dass von einem Arbeiterverein anscheinend erwartet wird, dass er mit seiner Arbeit keine Umsätze macht.

     

    Zugegeben, der deutsche Fußball ist genau wie der internationale Fußball ist eine monströse Machinerie geworden. Borussia Dortmund ist genau wie der FC Schalke 04 ein börsennotiertes Unternehmen. Ein Unternehmen, dass Menschen ernährt. Und zwar nicht nur die Spieler, Trainer, Ärzte, Therapeuten, sondern auch eine Horde von Kartenabreissern, Bierausschenkern, Stadionpflegern, Zeugwarten. Und das generationenweise und lokal.

     

    Also - warum darf der BVB nicht für sich werben und damit Geld verdienen wie alle anderen Vereine auch? Warum darf ein Trainer, der gute Arbeit macht, auch nicht gut dafür bezahlt werden?

  • RA
    rs aus dus

    der Herr Pöhler – da müssen die Werber jetzt ganz gut aufpassen – bekommt so langsam ein Imageproblem in DE.

    Das Stadion seines Arbeitervereins scheint zu groß für das Ego des einstigen Lieblings deutscher Fußballinteressierter. Es scheint eine Art Livemutation vorzugehen, die ihn zum Rüpel werden lässt. Das, was wir wöchentlich von ihm sehen müssen, ist nicht mehr schön. Das taugt nur noch für die Hardcorefans des BVB. Dazu gesellen sich nun auch noch Unsportlichkeiten den Ligakonkurrenten gegenüber, wenn er kampflos und in der eigenen Hütte dem Erzfeind 1899 das Spiel und somit die Relegationschance überlässt. Pfui Deibel.

     

    So ganz nebenbei bemerkt, Herr Rüttenauer. Sie sprachen vom Nettoeinkommen, gell? Mindestens, gell? Jaja, die Arbeiter stehen immer ganz vorne, wenn mal wieder gekloppt wird . . .

  • L
    Lustig

    Dass der Guardian sich an Puma verkauft ist auch nicht schlimmer als die TAZ, die sich freiwillig an Angela Merkel verkauft und kostenlose Wahlkampfpropaganda für sie macht. Von daher, werter Herr Rüttenauer: wer im Glashaus sitzt, sollte beim Steineschmeißen vorsichtig sein.