Kommentar Judenhass in Frankreich: Duldung ist Beihilfe zum Rückfall
Frankreich hat eine lange Geschichte des Antisemitismus. Das kann sich nur ändern, wenn auch keine Schmiererei mehr geduldet oder relativiert wird.
D er Vorfall ist alles andere als banal. Zu sehr erinnert die Schmierei auf der Scheibe eines Geschäfts mit einem jüdischem Namen an die Verfolgung der Juden in Deutschland – aber auch in Frankreich – während des Zweiten Weltkriegs. Es ist kein Zufall, wenn da wie zur Warnung der Arier auf Deutsch – und nicht in der Landessprache – „Juden!“ gesprayt wird. Frankreich hat eine lange und schwer belastete Geschichte mit dem Antisemitismus. Mit jedem judenfeindlichen Slogan auf einer Mauer oder einem Geschäft tauchen die alten Fratzen mit auf.
Man muss in der Geschichte nicht bis zur Dreyfus-Affäre – der üblen Verleumdung des französischen Artilleriehauptmanns aus antisemitischen Gründen im Jahr 1894 – zurückblättern. Selbst nach der willfährigen Beihilfe des Vichy-Regimes an der Deportierung der Juden in Frankreich durch die Nazis verschwand der Antisemitismus nie. Immer wieder machten antisemitische Verbrechen Schlagzeilen. So häufig und in so krasser Weise – etwa der Mord an einer Holocaust-Überlebenden, dass die Frage berechtigt ist, ob Frankreich ein ganz besonderes Problem mit dem Antisemitismus hat.
In Frankreichs extremer Rechten ist der Judenhass fast eine Obsession, wie es in Berichten von ins Milieu eingetauchten JournalistInnen regelmäßig bestätigt wird. Besonders fatal wird es, wenn die Judenhasser das Gefühl haben, dass sie ihre paranoiden Zwangsvorstellungen ungestraft und in der Öffentlichkeit plakatieren dürfen.
Nichts ist harmlos in dieser Hinsicht. Es ist niemals bloß stupide, „Juden raus“ auf eine Wand zu schmieren. Es ist vielmehr Teil eines vorsätzlichen Versuchs zur Leugnung der Geschichte. Wer so etwas duldet, macht sich der Beihilfe zum Rückfall schuldig. In Frankreich, in Deutschland oder wo auch immer. Es braucht bei der scharfen Verurteilung des Antisemitismus keine Entschuldigung, keine Relativierung durch den Hinweis, dass ebenso unmissverständlich alle anderen Formen von Rassismus, Sexismus, Homophobie oder Unterdrückung von Minoritäten „exkommuniziert“ werden müssen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen