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Kommentar Judenhass in FrankreichDuldung ist Beihilfe zum Rückfall

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Frankreich hat eine lange Geschichte des Antisemitismus. Das kann sich nur ändern, wenn auch keine Schmiererei mehr geduldet oder relativiert wird.

Hass auf Juden nimmt in Frankreich zu. So gab es etwa einen Angriff auf die Bagel-Kette Foto: ap

D er Vorfall ist alles andere als banal. Zu sehr erinnert die Schmierei auf der Scheibe eines Geschäfts mit einem jüdischem Namen an die Verfolgung der Juden in Deutschland – aber auch in Frankreich – während des Zweiten Weltkriegs. Es ist kein Zufall, wenn da wie zur Warnung der Arier auf Deutsch – und nicht in der Landessprache – „Juden!“ gesprayt wird. Frankreich hat eine lange und schwer belastete Geschichte mit dem Antisemitismus. Mit jedem judenfeindlichen Slogan auf einer Mauer oder einem Geschäft tauchen die alten Fratzen mit auf.

Man muss in der Geschichte nicht bis zur Dreyfus-Affäre – der üblen Verleumdung des französischen Artilleriehauptmanns aus antisemitischen Gründen im Jahr 1894 – zurückblättern. Selbst nach der willfährigen Beihilfe des Vichy-Regimes an der Deportierung der Juden in Frankreich durch die Nazis verschwand der Antisemitismus nie. Immer wieder machten antisemitische Verbrechen Schlagzeilen. So häufig und in so krasser Weise – etwa der Mord an einer Holocaust-Überlebenden, dass die Frage berechtigt ist, ob Frankreich ein ganz besonderes Problem mit dem Antisemitismus hat.

In Frankreichs extremer Rechten ist der Judenhass fast eine Obsession, wie es in Berichten von ins Milieu eingetauchten JournalistInnen regelmäßig bestätigt wird. Besonders fatal wird es, wenn die Judenhasser das Gefühl haben, dass sie ihre paranoiden Zwangsvorstellungen ungestraft und in der Öffentlichkeit plakatieren dürfen.

Nichts ist harmlos in dieser Hinsicht. Es ist niemals bloß stupide, „Juden raus“ auf eine Wand zu schmieren. Es ist vielmehr Teil eines vorsätzlichen Versuchs zur Leugnung der Geschichte. Wer so etwas duldet, macht sich der Beihilfe zum Rückfall schuldig. In Frankreich, in Deutschland oder wo auch immer. Es braucht bei der scharfen Verurteilung des Antisemitismus keine Entschuldigung, keine Relativierung durch den Hinweis, dass ebenso unmissverständlich alle anderen Formen von Rassismus, Sexismus, Homophobie oder Unterdrückung von Minoritäten „exkommuniziert“ werden müssen.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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4 Kommentare

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  • Zitat: „Es braucht bei der scharfen Verurteilung des Antisemitismus keine Entschuldigung, keine Relativierung durch den Hinweis, dass ebenso unmissverständlich alle anderen Formen von Rassismus, Sexismus, Homophobie oder Unterdrückung von Minoritäten ‚exkommuniziert‘ werden müssen.“

    Mit dem Hinweis darauf, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit immer und überall Mist ist, wird der Antisemitismus weder relativiert noch gar entschuldigt. Er wird vielmehr als integraler Bestandteil eines allgemein menschlichen Problems erkennbar, das dringend bewältigt werden muss. Wo und wann auch immer es auftritt.

    Das Leid eines Menschen ist nie mehr oder weniger wert als das eines anderen, nur weil er einer anderen Gruppe angehört. Blut ist in jedem Fall rot und Tränen sind immer salzig. Mit Verweis auf eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit Privilegien zu verteilen unter den Leidenden, hieße die Solidarität zu untergraben, die für die Lösung eines mächtigen, uralten Menschheitsproblems notwendig ist.

    Nur wenn sich Menschen in ihrem Leid als gleichwertig begreifen, ist dem Hass beizukommen, den Machthaber aller Zeiten für ihre Zwecke instrumentalisiert haben. Das bedeutet nicht, dass extremistische Schmierereien nicht geahndet werden müssten. Im Gegenteil. Der Staat muss der Gesellschaft und insbesondere den Ewiggestrigen zeigen, dass er es ernst meint mit seinem Anspruch, ein friedliches und gleichberechtigtes Zusammenleben aller zu garantieren. Nur dann kann er sein Gewaltmonopol auch morgen noch rechtfertigen. Jeder Versuch, Extrawürste zu braten, untergräbt seine Legitimation.

    Die Frage, ob Frankreich (oder sonst irgend ein Land) ein ganz besonderes Problem mit dem Antisemitismus hat, bleibt davon unberührt. Diese Frage muss gestellt werden dürfen. Wer sie unterdrückt, macht sich tatsächlich „der Beihilfe zum Rückfall schuldig“. Eine „Obsession“ ist Menschenhass schließlich immer. Wo er auftaucht, sollte also dringend nach den Ursachen des Irrsinns gesucht werden.

  • "ob Frankreich ein ganz besonderes Problem mit dem Antisemitismus hat"



    en.wikipedia.org/w...ce#2015_to_present

    Wäre es nicht hier relevant die Tätergruppe konkreter einzugrenzen?Tödliche Attacken/Morde kamen von Islamisten, kann man auf wikipedia nachlesen.

    Welche Maßnahmen oder Schlussfolgerungen zieht man daraus?



    Wie groß ist das Problem durch die anderen Personengruppe konkreter?

  • Mon dieu,



    Wo sind wir gelandet

    • 9G
      97684 (Profil gelöscht)
      @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      In der Realität



      Leider