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Kommentar Johnsons Brexit-StrategieBackstop nicht die einzige Hürde

Eva Oer
Kommentar von Eva Oer

Premier Boris Johnson muss Lösungen für den Brexit finden. Der Brief, den er EU-Ratschef Donald Tusk schrieb, zeigt: Die hat er nicht.

Sieht kreativ aus, ist aber nur ein Kostüm von Boris Johnson. Jenem selbst mangelt es an Ideen Foto: reuters

E s ist erstaunlich, mit welcher Ideenlosigkeit ein so fantasievoller Mann wie Boris Johnson ans Werk geht, wenn er erst einmal Premierminister ist und für tatsächliche Lösungen sorgen muss. Auf insgesamt dreieinhalb Seiten legt er in einem Brief an den EU-Ratschef Donald Tusk dar, weshalb der Backstop wegmuss.

Genau: Jene Notfalllösung gegen Grenzkontrollen auf der irischen Insel, für die er im März noch selbst als Teil des Abkommens von Ex-Premier Theresa May stimmte. Der britische Regierungschef will eine Alternative zum ­Backstop – hat aber leider keinen konkreten Vorschlag.

Stattdessen soll die EU darauf vertrauen, dass die Politik des Vereinigten Königreichs schon darauf hinarbeiten wird, andere Lösungen zu finden – und derweil einfach die Grenze offen lassen. Ach, so einfach ist das?

Natürlich nicht, es ist völlig klar, dass die EU nicht einfach etwa auf ihre Regeln für den Warenverkehr pfeifen und deswegen schlicht alle Kontrollen unterlassen kann. So doof ist Johnson nicht – weshalb viele BeobachterInnen den Brief des Premiers gar nicht als ernsthaften Schritt deuten. Das Englische hat mal wieder den besseren Ausdruck für das, was hier geschieht: Eine neue Runde im „blame game“, der gegenseitigen Schuldzuweisung.

Irland ist nicht abgerückt

Darin brilliert natürlich auch die EU, könnte man einwenden – mit Blick darauf, dass Brüssel trotz neuer britischer Regierung und trotz Ablehnung des Abkommens auf seinem Standpunkt beharrt. Denn es ist ein unangenehmer Teil der Wahrheit, dass die Republik Irland auch Grenzkontrollen einführen müsste, wenn es einen Brexit ohne Abkommen gibt – und genau der dräut der EU nun.

Trotzdem ist Irland bisher nicht von dem Abkommen und dem darin verhandelten Backstop abgerückt – und die anderen EU-Länder zeigen sich bisher weitestgehend einstimmig auf Linie mit der Republik. Würde sich der irische Regierungschef Leo Varadkar mit Blick auf den drohenden No-Deal kompromissbereit äußern, wäre es eine andere Sache.

Aber die EU kann nicht einfach eines ihrer Mitgliedsländer opfern, nur um das ausscheidende Großbritannien zu befrieden – oder sollen wir gleich sagen: die Tory-Partei und ihre Hardcore-Brexiteers? Das wäre ein fatales Signal an alle kleineren Länder innerhalb der Union.

Abgesehen davon stellt sich nicht erst seit Johnsons Brief die Frage, ob der Backstop wirklich der einzige Punkt ist, an dem die Zustimmung des Parlaments hängt – oder ob die BefürworterInnen eines sehr harten Brexits nicht auch bei einem Einlenken der EU den Deal blocken wollen würden.

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Eva Oer
Redakteurin
*1985, seit November 2017 Redakteurin für europäische und globale Politik im taz-Auslandsressort. Hat seit 2014 immer mal wieder für die taz gearbeitet, meistens für das Ressort Wirtschaft und Umwelt, und schreibt gern über die EU und über Entwicklungspolitik.
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4 Kommentare

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  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Boris - der als Serien - Lügner kolportierte britische PM - heute in Berlin bei Merkel



    ==



    ""Merkel ist politisch und emotional auf die Briten eingestellt, und ihre Bereitschaft, freundschaftliche Beziehungen ........................", sagte Norbert Röttgen.

    "Aber das Ausmaß, in dem die Johnson-Regierung bereit ist, sich für ein Handelsabkommen mit den USA zu demütigen, ist in Berlin nicht unbemerkt geblieben."

    Norbert Röttgen bringt den Konflikt auf den Punkt.

    Wenn UK keine Einigung über die Bedingungen des Austritts aus der EU erzielen wird, und danach sieht es aus, wird das Vereinigte Königreich am 31. Oktober aus der EU heraus fallen.

    An der Oberfläche zeigte sich die Regierung Merkel zuversichtlich, dass sie in der Lage ist, ein chaotisches No-Deal-Szenario besser zu bewältigen als das Vereinigte Königreich.

    "Ein Ausstieg ohne einen Deal wäre für niemanden von Interesse", sagte ein Sprecher der Kanzlerin am Montag. "Aber wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet, die ein ungeordneter Brexit mit sich bringen würde."

    Die Bundesregierung hat mehr als 50 Gesetze und Übergangsregelungen verabschiedet, damit Ende Oktober der No - Deal - Brexit stattfinden könnte.

    Es wurden Gesetze verabschiedet, die sicherstellen, dass in der Bundesrepublik lebende Briten und ihre Familienangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, wenn das UK die EU ohne ein Abkommen verlässt, ungeachtet der jüngsten merkwürdigen Pläne des britischen Innenministeriums, welches nach einem Brexshit allein für EU-Bürger in Großbritannien zuständig wäre.

  • Da gibt es imo nix mehr zu verhandeln.



    Die EU dürfte das alles viel gelassener überstehen, als die Briten.



    Das bietet die Gelegenheit Schottland und ein vereintes Irland aus UK zu brechen und damit einen der zentralen Störenfriede der europäischen Einigung massiv zu schwächen.

    Denn der Brexit-Unsinn ist ja nicht der einzige Mist, den wir dem englischen Größenwahn verdanken.



    Da war ja Dauergestänkere und Gemaule .... sie wollten dies nicht, sie wollten das nicht .... man musste mit Pfund bezahlen etc.

    Nun kann sich die EU gelassen zurück lehnen, die Risse kitten und für den Wiedereintritt alle Extrawürste entfernen.

    • @Michael Garibaldi:

      Es ist nicht die Aufgabe der EU, andere Staaten zu destabilisieren, geschweige denn deren staatlichen Zusammenhalt zu unterminieren.

      Und Sie glauben doch nicht ernsthaft, das wenn man den Gegenüber maximal demütigt, der nochmal in die Gemeinschaft zurückkommt!

  • Ich seh' das ganz einfach, die Hardliner um den Brexit wollen ein Niedrigsteuerland mit niedrigen Sozialstandards. Dann gibt es im immer weiter sozial geteilten Land auf der einen Seite die Eton-Zöglinge und auf der anderen Seite die Abgehängten, die für sie schuften dürfen. Wie früher halt.