Kommentar Israels Premier Netanjahu: Ein sicheres Zuhause
Israels Premierminister Netanjahu ruft Frankreichs Juden zum Auswandern auf: „Israel ist Euer Heim“. Doch das Leben ist dort nicht weniger gefährdet.
D ie tödliche Geiselnahme in einem koscheren Supermarkt im Osten von Paris war gerade erst zu Ende gegangen. Schon drängte es den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu am Tag danach vors Mikrofon. „Ich will den französischen Juden sagen: Israel ist euer Heim“, sagte er. Ein Ministerausschuss werde darüber beraten, wie man Juden aus Frankreich und Europa zur Einwanderung nach Israel ermutigen könne.
Das klingt besorgt, fürsorglich und voller Anteilnahme. Viele französische Juden werden Netanjahus Worte gerne gehört haben, häufen sich doch die antisemitisch motivierten Gewalttaten in Frankreich seit geraumer Zeit: tödliche Schüsse auf eine jüdische Schule in Toulouse 2012, gewalttätige Überfälle auf ein junges Paar und einen Rentner im Pariser Vorort Créteil.
Laut den französischen Behörden hat sich die Zahl antijüdischer Beschimpfungen, Drohungen und Angriffe seit Beginn des Jahres 2014 verdoppelt. Immer mehr französische Juden verlassen deshalb das Land und gehen nach Israel. Mehr als 7.000 waren es im vergangenen Jahr – so viele wie noch nie zuvor. Aber ist das die richtige Wahl?
Zwar mag die gefühlte Sicherheit in Israel größer sein. Dort sind alle gleichermaßen bedroht. Diese Gemeinschaft wirkt befreiend. Leib und Leben sind in Israel aber ganz sicher nicht weniger gefährdet: 2008 feuerten palästinensische Attentäter in einer Jerusalemer Religionsschule um sich und töteten acht junge Israelis. Erst vor wenigen Monaten wurde eine Synagoge gestürmt. Die Palästinenser ermordeten vier Betende und einen Polizisten. Auch Messerattacken auf offener Straße häufen sich.
Netanjahus fürsorglich anmutende Worte sind also dem Wahlkampf geschuldet, in dem er steckt – und der ihn auch zur Trauerfeier nach Paris und dort in die erste Reihe der Staatschefs drängen ließ. Der demografischen Bedrohung des jüdischen Volkes durch die gebärfreudigen Araber etwas entgegensetzen zu können macht sich zu Wahlkampfzeiten gut. Zynischer aber geht es wohl kaum.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links