Buchprüfung im Hause Netanjahu: Von Pfandflaschen zu Duftkerzen
Nach dem jüngsten Skandal um seine Frau Sarah muss Regierungschef Netanjahu seine private Ausgaben offenlegen. Es ist nicht der erste Vorfall.
JERUSALEM taz | Vorläufig wirkt sich Israels jüngster Skandal um die Pfandflaschen der First Lady Sarah Netanjahu nicht zu Ungunsten für den Likud aus. Die von der liberalen Zeitung Ha’aretz am Dienstag veröffentlichten Umfragen zeigen sogar eine leichte Aufwärtsbewegung der Partei von Regierungschef Benjamin Netanjahu mit derzeit zwei Mandaten Vorsprung vor dem Mitte-links-Bündnis anstelle des früheren Gleichstands.
Das könnte sich ändern, wenn in zwei Wochen der Bericht des Staatskontrolleurs über die Ausgaben des Hauses Netanjahu veröffentlicht wird, genau einen Monat vor den Parlamentswahlen. Längst geht es nicht mehr nur um Pfandflaschen, sondern um Zehntausende von Schekel, die in Blumenarrangements der Netanjahus flossen, in Restaurantbesuche, Duftkerzen, Eiscreme und Alkohol.
Netanjahu wies die Berichte als übertrieben zurück, beauftragte einen Anwalt und forderte, auch die Ausgaben früherer Regierungschefs und Staatspräsidenten zu überprüfen, wenn er selbst die Bücher öffnen soll. Dass Sarah Netanjahu das Pfand für Flaschen einbehielt, die für öffentliche Veranstaltungen in ihrem Haus zuvor auf Staatskosten eingekauft wurden, gilt als Tatsache. Nur über die Menge der Flaschen streitet sich das Ehepaar mit seinem früheren Hausmeister.
Der veranschlagt umgerechnet rund 5.000 Euro, die die häuslichen Bediensteten auf Geheiß ihrer Chefin für das Leergut kassierten und anschließend an sie weiterreichten. Bei umgerechnet 7 Cent Pfand pro Flasche dürfte das Personal der Netanjahus ziemlich damit beschäftigt gewesen sein, das recycelbare Glas, Plastik und Blech in die Supermärkte zurückzutragen. Die Order sei gewesen, beim Kauf von Softdrinks und Wasser auf die kleinen Flaschen zurückzugreifen, damit es sich lohnt.
Die Opposition jubelt
Die regierungstreue Israel Hayom kritisiert die „obsessive Berichterstattung über leere Flaschen“. Die Opposition jubelt. Ein monatlicher Mindestlohn werde bei den Netanjahus im Durchschnitt für Alkohol ausgegeben, rechnete Zipi Livni, die jüngst von Netanjahu geschasste Justizministerin, vor. Nicht zum ersten Mal müssen Sarah Netanjahus Gier, ihre große Klappe und ihre Allüren herhalten für Sticheleien gegen ihren Mann.
Schon während Netanjahus erster Regierungsperiode vor fast 20 Jahren machte sich die Diplom-Psychologin zum Gespött. Das Massenblatt Jediot Achronot ging mit einer Serie von Peinlichkeiten an die Öffentlichkeit, legte ihr Verschwendung, Wutausbrüche und krankhafte Eifersucht zur Last.
Jedes Mal, wenn Frau Netanjahu einem Hausangestellten kündigt, kann das Volk einen Blick in die privaten Gemächer des Regierungschefs werfen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen
Das hat Erpresserpotenzial
Friedenspreis für Anne Applebaum
Für den Frieden, aber nicht bedingungslos
BSW in Sachsen und Thüringen
Wagenknecht grätscht Landesverbänden rein
Rückkehr zur Atomkraft
Italien will erstes AKW seit 40 Jahren bauen
Klimaschädliche Dienstwagen
Andersrum umverteilen
Tech-Investor Peter Thiel
Der Auszug der Milliardäre aus der Verantwortung