Kommentar Irans Botschafter: Despotenfreund zu Besuch
Die evangelische Akademie Loccum lädt den iranischen Botschafter ein – einen Repräsentanten des Mullahregimes und mutmaßlichen Mörder.
D er von Mullahs und Pasdaran beherrschte Iran, eine klerikalfaschistische Militärdiktatur, gehört zu den Top Five jener Länder, die Todesstrafen verhängen. Die oft mörderische Repression in den Gefängnissen, wie sie gegenwärtig zum Beispiel aus dem Evin-Gefängnis in Teheran berichtet wird, richtet sich auf die psychische und physische Zerstörung der den Folterknechten Überlassenen.
Die staatliche und paramilitärische Repression im Land ist allumfassend, sie wird vor den Wahlen – wie aktuell vor der Präsidentschaftswahl im Juni dieses Jahres – verschärft. Reste zivilgesellschaftlicher Entwicklung zu mehr Autonomie sollen so zerstört werden.
Der Botschafter dieses Landes in Deutschland, Ali Reza Sheikh Attar, soll als Gouverneur der Provinzen Kurdistan und Westaserbaidschan in den 80er Jahren den Tod Hunderter Menschen zu verantworten haben: Auf seine Anordnung sollen Angehörige der Revolutionsgarden Massenerschießungen und Vergewaltigungen begangen haben.
Micha Brumlik hat das Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt geleitet und ist langjähriger taz-Autor. Hajo Funke ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der FU Berlin.
Im Jahr 2003 wechselte der jetzige Botschafter das Metier: Als Chefredakteur der iranischen Tageszeitung Hamshahri soll er unter anderem für einen Holocaust-Karikaturen-Wettbewerb verantwortlich zeichnen.
Renommierte Institution der Zivilgesellschaft
Die evangelische Akademie Loccum, eine renommierte Institution der Zivilgesellschaft mit Sitz in Niedersachsen, hat Ali Reza Sheikh Attar zu einer Tagung zu den Chancen der iranischen Zivilgesellschaft eingeladen. Warum? Gewiss, die am Donnerstag beginnende Tagung ist mit hervorragender Expertise besetzt, das Thema allemal wichtig genug.
Es ist zu hoffen, dass das Ausmaß der wegen der Repression und einer mafiösen Ökonomie rapide anwachsenden innenpolitischen Probleme zu einer Mäßigung des Regimes beiträgt, etwa mit der „Wahl“ eines entsprechenden Präsidenten – und sich so Prozesse ergeben, die zu einem Wandel beitragen. Einem Wandel, der – wie die anders gelagerten südafrikanischen oder spanischen Beispiele in den 60er und 70er Jahren zeigen – nicht ausgeschlossen ist.
Sich aber ausgerechnet um diesen Repräsentanten des Regimes zu bemühen ist etwas anderes. Und hat doch Tradition: Die Parteivorsitzende der Grünen, Claudia Roth, die am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz mit dem überraschten Botschafter „High Five“ austauschte, wollte sich dabei immerhin für einen bedrängten iranischen Regisseur einsetzen. Hat der Studienleiter der Evangelischen Akademie Loccum, Marcus Schaper, ähnliche Gründe?
In Reaktion auf ein Protestschreiben gegen den Auftritt des Botschafters gab er zu Protokoll, dass es darum gehe, die Atomverhandlungen mit dem Iran zu einem Erfolg werden zu lassen: „Das Gegenüber in diesen Verhandlungen ist die iranische Regierung. Wir haben den iranischen Botschafter in Deutschland und einen hochrangigen Vertreter des iranischen Außenministeriums eingeladen, um mit einem Vertreter des Auswärtigen Amtes sowie Experten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu diskutieren, wie die Atomgespräche vorangebracht werden können. Die Rolle der iranischen Diplomaten in der Tagung beschränkt sich auf ebendiese außenpolitische Diskussion.“
Missverstandene Vorbilder
Da verhandelt also die deutsche Zivilgesellschaft im tiefsten Niedersachsen mit Bevollmächtigten der iranischen Regierung – etwa zwei Wochen nachdem dieselbe Regierung die Gespräche mit der Sechsergruppe des UNO-Sicherheitsrats erneut hat scheitern lassen. Fragt man sich, warum die Verantwortlichen auf eine solche Idee kamen, wird man an missverstandene Vorbilder denken. Womöglich an Egon Bahr, der vor Jahrzehnten in einer anderen Evangelischen Akademie, in Tutzing, die Brandt’-sche Ostpolitik vorbereitet hat.
Die greisen Chefs des Moskauer Politbüros auch nur in einem Atemzug mit den iranischen Despoten zu nennen täte ihnen unrecht. Um in der Sowjetunion eine ähnliche Blutspur zu finden wie im gegenwärtigen Mullahregime, muss man bis zu Stalin zurückgehen. Es fällt auf, dass Marcus Schaper wie Claudia Roth Mitglied der Grünen ist.
Als Bewerber für eine Landesliste dieser Partei hat er erklärt: „Mali, Libyen, Sudan, aber auch Georgien, Belarus – alles Krisen, Konflikte, sogar Kriege mit Ansage. Liebe Freundinnen und Freunde, wir wussten, was sich entwickelt, aber wir haben uns nicht getraut, uns in die Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen. Wir haben uns“, so bekennt der Studienleiter, in dessen Aufzählung der Iran wohl nicht zufällig fehlt, „zu Komplizen gemacht, zu Komplizen von Herrschern, die unterdrücken, foltern, die morden. Hinter der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten dürfen wir uns nicht länger verstecken.“
Wie hieß es doch im Evangelium: Das Wort deiner Rede sei ja, ja und nein, nein!
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