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Kommentar Humboldt Forum in BerlinWeg mit den kolonialen Souvenirs

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Koloniale Beute soll das wiedererrichtete Berliner Schloss füllen. Man sollte sie Stück für Stück wieder zurückgeben – bis die ganze Betonattrappe leer ist.

Der Schrumpfkopf gehört nicht ins Museum, sondern zurück ins Herkunftsland Foto: dpa

E rinnert sich noch jemand an die Eröffnung des Jüdischen Museums in Berlin? Oder an das Neue Museum bei seiner Auferstehung aus Ruinen durch die fantastisch gelungene Restaurierung? Diese beiden bis heute zu Recht viel besuchten Berliner Museen boten gleich zu Beginn einen echten Knaller. Sie zeigten sich wenige Tage lang nackt, ohne Ausstellungsobjekte, Architektur pur. Beide wurden da schon zu Publikumsmagneten.

Diese Leere sollte eine Lehre sein – ein Ansporn für alle, die heute um ein Nutzungskonzept für das als potemkinsche Betonattrappe wieder errichtete Berliner Stadtschloss ringen. Denn Leere könnte die Rettung sein für das verkorkste Projekt. Nur diesmal nicht als Ausgangspunkt, sondern als Ziel – vor allem für die Ethnologische Sammlung, die das Herzstück des euphemistisch „Humboldt Forum“ getauften Preußenschlosses werden soll.

Die Sammlung von Booten aus der Südsee über Masken aus Angola bis hin zu Schrumpfköpfen aus dem Amazonastiefland ist zweifelsohne hochkarätig. Aber sie hat ein durchgängiges Problem: Es handelt sich im Wesentlichen um Souvenirs von Kolonialreisenden, bei denen man sich – selbst wenn ausnahmsweise der „Erwerb“ wenigstens für Zeitgenossen gerecht erschienen sein sollte – fragt, mit welchem Recht sie heute noch von Deutschland als Eigentum betrachtet werden.

Deshalb: Bringt sie her, die Ethnologische Sammlung, räumt die Archive in Gänze leer und stellt all diese Kulturgüter komplett ins Berliner Schloss. Holt sie in die Mitte der Gesellschaft, um begreifbar zu machen, dass Deutschland hier noch eine Bringschuld hat. Eine Zurückbring-Schuld.

Eine Ausstellung als Aufgabe – im doppelten Wortsinn. Startet Forschungsprojekte, sucht passende Sponsoren und macht den Rücktransport zum gesellschaftlichen Event. Für. Jedes. Einzelne. Stück. Bis das Schloss irgendwann wieder leer ist. Das wäre ein angemessener Umgang mit diesem Teil deutscher Geschichte.

Und dann? Dann könnte man diese Leere einfach mal aushalten. Als Freiraum, der zum Denken inspiriert.

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Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters
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15 Kommentare

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  • Nebenher sollte man auch mal darüber nachdenken, wen die BRD aufgrund ihrer kolonialen Vergangenheit noch entschädigen muss. Immerhin ist die BRD Rechtsnachfolger des Deutschen und somit auch des Kaiserreiches.

    • @Age Krüger:

      Die Bundesrepublik ist nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs, sondern mit ihm als Völkerrechtssubjekt identisch. https://www.bundestag.de/presse/hib/2015_06/-/380964

       

      Und wir müssen überhaupt niemanden entschädigen, juristisch sind solche Ansprüche nicht durchsetzbar. Sollte man sich z.B. mit Namibia einigen,ist das reiner goodwill.

  • Im Jahre 1828 schenkte der souveräne König von Hawaii Kamehameha III seinem Berliner Kollegen Friedrich Wilhelm III. einen Federmantel. Dieser Federmantel ist seit dem 19. Jahrhundert ein herausragendes Stück der Berliner Sammlungen. Damit wollte der König von Hawaii die bedrohte Unabhängigkeit der Inselgruppe beweisen, indem er solch kostbare Geschenke machte.

    Wie man hier einen Raub konstruieren will, das wird das Geheimnis des Autors bleiben.

    Aber ein schnell runtergeschriebener Artikel ist natürlich einfacher als gründliche Recherche. Auch und gerade an so einem besonderen Exponat wäre aber eine offene Diskussion hilfreich.

    http://www.ethnofreunde-berlin.de/federmantel/

  • “Es handelt sich im Wesentlichen um Souvenirs von Kolonialreisenden“

     

    Aus der ungeschriebenen deutschen und britischen Geschichte:

     

    Mein verstorbener Vater, jüdischer Herkunft, verbrachte als Jugendlicher unfreiwillig mit der NS-Gefolgschaft, nach Kriegsbeginn 1939, mehrere Jahre in einem britischen Internierungslager, nahe bei Johannesburg.

     

    Er erzählte mir, dass die deutschen Herrenmenschen, im britischen Internierungslager, nicht ihre Unterkünfte und Baracken reinigen mussten. Diese Arbeit wurde von auswärtigen schwarzafrikanischen Arbeitskräften verrichtet. Eines Tages, vor dem gemeinsamen Verlassen der Unterkunft, hinterließ ein NS-Gefolgsmann, vor Reinigungsbeginn, zwei Zigaretten auf einem Tisch.

     

    Nach der erfolgten Reinigung der Unterkunft und bei der Rückkehr der NS-Lagerinsassen, da fehlten die zuvor (vorsätzlich) auf dem Tisch abgelegten Zigaretten. Der so ‘bestohlene’ NS-Aktivist meldete den Diebstahl bei der Lageraufsicht.

     

    In Folge dieser Anzeige wurde die für die Barackenreinigung zuständige schwarzafrikanische Arbeitskraft festgenommen und sein Körper wurde mit der Nilpferdpeitsche in blutige Streifen zergeschlagen. Nach der Erinnerung meines Vaters wurde der blutüberströmte Körper des Schwarzafrikaners über den Boden weggezogen. Danach hatte er diesen zerschlagenen Menschen nie mehr gesehen. Vermutlich war er an dieser vorsätzlichen und barbarischen Misshandlung gestorben?!

     

    Auch nach mehr als sechzig Jahren überfiel meinen Vater noch im Schlaf der Schrecken der Erinnerung. Als inhaftierter Jugendlicher, jüdischer Herkunft, hatte er keine Möglichkeit gegen die inhaftierten NS-Faschisten vorzugehen. Die NS-Inhaftierten, in dem britisch-südafrikanischen Internierungslager, bestimmten auch noch mitentscheidend das Lagerleben, unter der britischen Besatzung in Südafrika.

     

    Die britische Besatzung in Südafrika teilte mit den inhaftierten NS-Deutschen und dem späteren südafrikanischen Apartheidsregime, ihre kolonial-rassistische Grundeinstellung.

  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    Es muss eine Boykot-Initiative für die Raubkunst der "kulturhistorischen Museen" gegründet werden, mit der Forderung, Repliken anzufertigen und die Originale sofort zurückzugeben. Mal sehen, mit welchen Argumenten die Kultursenatoren und Minister darauf reagieren werden.

  • Müssen die Türken Konstantinopel mitsamt seinen Museen an Italien zurückgeben? Was ist mit den altgriechischen Kunstwerken, die bei der Eroberung Kleinasiens erbeutet wurden?

    • @Frank Erlangen:

      Aber selbstverständlich müssen Sie das! Ausserdem muss die Türkei endlich Entschädigungen an Europa, Afrika und Arabien zahlen, für Jahrhunderte Kolonialherrschaft, Versklavungen und Raubzüge!

  • Super, genau das. Jedes Einzelne Stück!!!

  • Zerschneidet die alten Meister und schafft neue Kunst, zerdöppert die Statuen von Michelangelo und stellt Koons-Dinger hin, verbrennt die Folianten und heftet elektronische Bücher ab!

  • Wem ist den dann der abgebildete Schrumpfkopf zu übergeben? Dem Volk, dem der Träger zu Lebzeiten angehört hat oder dem Volk, dem der Künstler angehört und der den Kopf erst zu einem Kunstwerk gemacht hat.

  • Bärendienst.

    Derartige Sammlungen erinnern an deutsche Kolonialgelüste und dienen wohl eher als Mahnung als an zur Schaustellung.

  • Zitat: „Und dann? Dann könnte man diese Leere einfach mal aushalten. Als Freiraum, der zum Denken inspiriert.“

     

    Ich kann mir, ehrlich gesagt, momentan kein „man“ (und schon gar keinen Mann mit Entscheidungskompetenz) vorstellen, das (der) diese ebenso großartige wie utopische Idee in die Tat umsetzt.

     

    Der Plast der Republik ist schließlich nicht ohne Grund abgerissen worden. Und Humboldt wurde seines guten Namen auch deswegen beraubt, weil Mitglieder des Vereins der anonymen Wichtigtuer in guter alter Kolonialmanier die Rolle ihrer Bedeutung gar nicht hoch genug ansetzen konnten.

     

    Diese Restauration preußischer Wucht und Größe wird am Ende 600 Millionen Euro gekostet haben, vermutlich sogar mehr. Wie soll man denn dem Steuerzahler erklären, dass für dieses Geld ein hohler Vogel dauerhaft daran erinnern wird, dass er bis eben noch etwas „besessen“ hat, was er nun nicht mehr hat, weil es gestohlen war?

     

    Schon beim wuchtigen und ebenfalls sündhaft teuren Mahnmal für die ermordeten Juden hat es (völlig zu Recht) geheißen, keine andere Nation hätte sich je ein derart mächtiges Denkmal der Schande ins Herz ihrer Hauptstadt gepflanzt. Und die Ermordung von 6 Millionen Zivilisten ist ja immerhin etwas, an das man sich, verdammt noch mal, erinnern sollte. Was also wird passieren, wenn man den Deutschen architektonisch in einer Dimension, wie sie das Stadtschloss haben soll, unter die Nase reibt, dass sie betrogene Betrüger sind?

     

    Ein solche „Freiraum, der zum Denken inspiriert“, könnte systemerschütternd wirken. Ich glaube kaum, dass jemand das riskieren will. Nicht jetzt. Nicht in Berlin. Vor allem aber niemand, der noch gewählt werden will von "seinen" Deutschen, um sie zu beherrschen.

     

    Noch können sich die Deutschen überwiegend selber nicht verknusen. Nicht einmal dann, wenn sie nicht weiter drüber nachdenken, wes Geistes Kind sie sind und wessen Enkel. Sie jetzt zu zwingen, hat sicherlich noch keinen großen Sinn. Man könnte, ja. Nur leider sollte man noch nicht.

  • 8G
    81622 (Profil gelöscht)

    Gute Idee, alles zurückzugeben, nicht nur für Deustchland , sondern weltweit. Mit angefertigten Kopien könnte dem Argument der "kulturellen Verwüstung" entgegnet werden.

    • @81622 (Profil gelöscht):

      Eine Kopie ist aber kein Original und damit immer unvollständig. Zumindest bis wir StarTrek Replikatoren haben vielleicht.

    • @81622 (Profil gelöscht):

      Die "kulturelle Verwüstung" ließe sich super dadurch bekämpfen, daß man neue Kultur schafft...

       

      Wo sind die deutschen Blockbuster-Filme, die deutschen Hitvideospiele, die deutschen Megapopstars, die deutschen Starautoren, die weltberühmten deutschen Künstler? Man hat den Eindruck, Deutschland kann das nicht.

       

      Nur durch Neuschaffen kann kultureller Unterdruck bekämpft werden.