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Kommentar Hate-Crime-GesetzKorrekte Symbolik

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Rassistische Gewalt muss härter bestraft werden. Das ist keine Gesinnungsjustiz. Denn „denken“ dürfen Nazis und andere weiterhin, was sie wollen.

Nazi-Aufmarsch in Bad Nenndorf, August 2014 Bild: dpa

D ie Bundesregierung will, dass rassistische Gewalt besonders hart bestraft wird. Das sieht ein Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas (SPD) vor, den das Kabinett am Mittwoch auf den Weg gebracht hat. Künftig sollen „rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ Ziele bei der Strafzumessung ausdrücklich berücksichtigt werden.

Diese Strafschärfung ist berechtigt. Denn rassistische Gewalt fügt dem Opfer nicht nur körperliche Verletzungen zu, sondern wertet es zugleich noch ab.

Rassistische Gewalt schlägt tiefere Wunden, die schwerer verheilen. Sie trifft und verunsichert nicht nur das einzelne Opfer, sondern zugleich auch alle Menschen, die zum Beispiel die gleiche Hautfarbe haben – der rassistische Hass hätte auch sie treffen können.

Rassistische Steuerhinterziehung

Damit wird kein Gesinnungsstrafrecht eingeführt. Strafbar ist nicht die rassistische Gesinnung, sondern die rassistische Gewalt. Für rassistische Steuerhinterzieher wird es keine Strafschärfung geben, weil hier die Gesinnung mit der Tat und ihrer Wirkung nichts zu tun hat.

Die geplante Reform ist nicht wirklich eine Verschärfung. Schon heute heißt es im Strafgesetzbuch, dass bei der Strafzumessung „die Beweggründe und Ziele des Täters“ einzubeziehen sind. Wenn Rassismus und Fremdenfeindlichkeit nun ausdrücklich hervorgehoben werden, so soll dies nur verdeutlichen, was damit auch gemeint ist.

Es handelt sich insofern um ein symbolisches Gesetz, aber um eine Symbolik im positiven Sinn. Sie signalisiert den Opfern, dass der Staat ihr spezifisches Leid erkennt und Angriffe sanktionieren will. Es soll Richtern und vor allem der Polizei verdeutlichen, dass es gerade bei rassistischer Gewalt wichtig ist, die Hintergründe der Tat aufzuklären, weil Ignoranz das Leid der Opfer noch verschlimmert. Zu oft werden rassistischen Gewalttaten als bloße „Jugendgewalt unter Alkoholeinfluss“ abgetan.

Becks Kritik

Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck wirft dem Gesetz „schlechte Symbolpolitik“ vor, weil nicht auch homophobe und antisemitische Gewalt erwähnt wird. Doch der Gesetzentwurf bezieht sich auf alle „menschenverachtenden“ Ziele, also auch auf homophobe und antisemitische Taten.

Dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit besonders herausgehoben werden, ist berechtigt – schließlich haben die NSU-Mörder vor allem Migranten getötet. Es geht hier nicht um eine Hierarchie der Opfer, sondern um die Deutlichkeit des Symbols.

Sollte das Gesetz die erwünschte Wirkung haben, was zu hoffen ist, könnte in einigen Jahren aber über eine Neuformulierung nachgedacht werden – was dann ein neues Symbol wäre.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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19 Kommentare

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  • Es ist ja schön, dass jetzt das verängstigte Volk beruhigt wird mit härteren Strafen für derartige Taten für die bösen Täter (wo sind denn die Sanktionen und Strafen für alle die damit in Verbindung gebracht werden könnten und vielleicht ihren Job nicht gewissenhaft gemacht haben oder sogar bewusst etwas vertuscht haben?) - doch wurde denn das bisherige Strafmaß in der Vergangenheit bei Taten mit rassistischem (oder ähnlichem) Hintergrund angewandt? Wurde nicht zumeist in den Fällen auf das Erkennen und Benennen von derartigen Tathintergrundsmotiven sowieso verzichtet und diese von Polizei wie Gerichten nicht erwähnt oder anerkannt? Ist das nicht das eigentliche Problem? Dass überall Leute sitzen die für Faschisten doch mal ein Auge zudrücken? Ist nicht eigentlich das Problem das hierfür keinerlei Sanktionen stattfinden für diese Menschen die meinen einen Rechtsstaat zu vertreten in dem deutlich nach verschiedenen Maßstäben gerichtet wird und Polizei wie Richter willkürlich entscheiden wie sie denn urteilen möchten oder sich verhalten möchten? Daher kann ich das alles nur als weitere Phrase ansehen...

  • D
    D.J.

    Es leuchtet mir zunächst einmal ein, dass Hate Crimes als besonders verwerfliche Verbrechen gelten und dementsprechend noch stärker bestraft werden. Warum? Weil eben nicht "nur" das Individuum als Ziel des Verbrechens gilt, sondern der (konstruierten oder tatsächlichen) Gruppe, der er zugehörig ist bzw. erscheint (Türke, Schwuler, Ungläubiger, Schwarzer usw.). Das heißt, hinter Hate Crimes steht der Vernichtungswille oder zumindest Verletzungswille gegenüber der ganzen Gruppe.

    Bleibt nur zu hoffen, dass die Maßstäbe dafür nicht ideologisch gesetzt werden (nach Interpretation einiger wunderlicher Linksaußen könne es z.B. per definitionem keinen Rassimus an Angehörigen der 'Mehrheitsgesellschaft' geben). Und dass klar unterschieden wird zwischen Verbrechen, die an einem Angehörigen einer bestimmten Gruppe begangen werden, von denen, die geschehen, w e i l die Person der Gruppe angehört.

    • @D.J.:

      Es kommt nur drauf an wie weit oder eng die hate-crimes definiert werden.

  • Sollten die NSU-Morde erst einmal nachgewiesen werden, bevor sie als Begründung für eine Gesetzesverschärfung herhalten können?

    Fest steht bisher nur, dass es um diesen dubiosen NSU von Geheimdienstlern nur so wimmelte – und das ist kein Einzelfall. Egal ob linke RAF oder islamistische Sauerlandgruppe, die Schnüffeltruppen immer mitten dazwischen und das eher anheizend als aufklärend.

    Was die Gewalt angeht, da wäre eine generelle Strafverschärfung dringend angebracht.

    Wenn in der JVA Plötzensee ein Drittel der Insassen nur wegen schwarzfahren sitzt, da kommen dann noch die mit schwarzfahren in Kombination mit anderen Delikten zu, dann läuft da bei der Wegsperrpraxis etwas grundlegend schief. Die Kassen der Staatsbetriebe sind wichtiger als die körperliche Unversehrtheit normaler Bürger.

  • Solange die Strafverschärfung nicht die Gesinnung des Nazi-Trommlers auf dem Bild wiedergibt, kann ich damit leben. Sollten diese Antidemokraten aber einmal an die Macht kommen, dann wird vmtl. auch der deutschnationale Fahnenschwenker gemaßregelt werden: denn er hat mit seinen Jeans ein für Nazis zu "amerikanisches" Outfit, und seine Frisur ist nicht genug "führergerecht" - im Gegensatz zum Trommler...

  • Es gibt keine Notwendigkeit, innerhalb von niederen Beweggründen weiter zu differenzieren, für verschiedene Bevölkerungsgruppen

    solch eine Strafverschärfung vorzusehen und andere davon explizit auszuschliessen (aktuell geltende Rechtsprechung: Autochthone Deutsche sind nicht pauschal herabwürdig- und beleidigbar).

    Fast nichts befördert die Tendenz, das eigene Gemeinwesen, das politische System abzulehnen so stark, wie das Gefühl von Doublestandards und zweierlei Maß in der Rechtsprechung.

  • "…Sollte das Gesetz die erwünschte Wirkung haben, was zu hoffen ist, könnte in einigen Jahren aber über eine Neuformulierung nachgedacht werden – was dann ein neues Symbol wäre."

     

    Ich kann den juristisch suboptimalen grünen Berufsquengler -

    ja auch nicht leiden

    & teile Ihre Ansicht- insoweit;

    aber was soll am Ende so ein

    Gouvernanten-Satz?

  • Darf das Gesetz auch gegen Hassprediger angewandt werden?

  • Das gesetz ist deswegen scheiße, weil es eine lex NSU ist und eben keine Gleichbehandlung von Opfern anstrebt. Das bedeutet: Es ist jetzt noch besser möglich, eine objektiv gleichartige Tat zu verschiedenen Strafzumessungen hinzubiegen - je nachdem wie der Täter aussieht oder wie seine Biografie ist. Aus welchem 'Pöbel' er etwa ist.

    • @ioannis:

      Die Gesetzesreform sorgt einfach dafür, dass das Tatmotiv bei rassistischer oder sonst wie menschenfeindlicher Gewalt stärkere Berücksichtigung findet – nicht das Aussehen oder die Biografie des Täters oder der Täterin. Und das ist im deutschen Strafrecht nun wirklich nichts Ungewöhnliches. Denken Sie z. B. an die strafrechtliche Differenzierung zwischen Mord, Totschlag und fahrlässiger Tötung.

  • Doch Hear Raht!

     

    Das ist "Gesinnungsjustiz" vom Feinsten!

     

    Zudem ein Beitrag zur sonst so kritisierten mangelnden Normenklarheit!

     

    Warum?

     

    -"Rassismus" ist Ausfluss eines vorwissenschaftlichen Weltbildes, da es beim Menschen keine "Rassen" gibt.

     

    -Nicht zuletzt ist eine solche Verschärfung auch eine faktische Zementierung der vorsintflutliche "Rassendenke".

     

    - Physisch und psychische Gewalt sind in den Auswirkungen begrenzt quantifizierbar, "Gedankenverbrechen" aber nie.

     

    Karl

    - die tatsächliche Tatbegehungsmotivation beim "Rassisten" aber genau so wenig wie beim "religiösen Extremisten" ergründbar!

  • Ich fände es sinnvoll, wenn zunächst einmal rassistische Gewalt genauso hart bestraft würde, wie bspw. die (mutmaßlich begangene) Gewalt gegen bayrische Vermögensberaterinnen (Mollaths Ex)...

  • Wobei man bei "menschenverachtend" genug hineininterpretieren kann. Also so ziemlich alle extremistischen Straftaten.

     

    Auch Angriffe auf "Bullenschweine" usw.

     

    Ob es Gesinnungsjustiz wird oder nicht zeigt sich wie es dann wirklich ausgelegt wird.

    • @DasNiveau:

      Nette Kontroverse.

       

      https://www.youtube.com/watch?v=0J0uEdG6y5E

      • @friedjoch:

        Gesperrtes Video. Aber von den teils menschenverachtenden Kommentaren kann ich mir denken um was es geht. Die "gute" Youtube Kommentarkultur.

        • @DasNiveau:

          Nicht gesperrt. Man muss sich anmelden um den erforderlichen Altersnachweis zu bringen. Aber Ihre Reaktion passt schon...

  • Ich denke, dass eine solche Gesetzesreform sehr sinnvoll sein kann - zwingt sie doch die Strafverfolgungsbehörden, sich schon in der Ausbildung ihres Nachwuchses intensiver als bisher mit Rassismus und anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auseinanderzusetzen. Das halte ich schon lange für dringend notwendig. Spätestens das eklatante Versagen der Strafverfolgungsbehörden in der Angelegenheit NSU hat der Gesellschaft die schon lange vorhandenen diesbezüglichen Defizite unübersehbar und eindringlich vor Augen geführt.

     

    http://www.zeit.de/2012/42/Interview-Yozgat-Opfer-NSU

  • Die Maßnahmen, die zu einer echten Verbesserung führen würden, werden mit solch fragwürdiger reiner Symbolpolitik vermieden:

     

    1) Das sofortige Schliessen des sogenannten “Verfassungsschutzes”, dem inzwischen jede Schweinerei vom Aktenschreddern über das Decken von Morden bis zur Sabotage von Polizeiarbeit nachgewiesen wurde

     

    2) Eine massive Kulturänderung bei der Polizei, bei der es teilweise immer noch als unverfänglich gilt, wenn der Kollege eine kleine Anti-Ausländer-Schwäche hat oder in seiner Freizeit mit weisser Kapuze verkleidet Kreuze anzündet.

     

    Das will natürlich niemand angehen. Stattdessen gibt's dieses Ablenkungsmanöver.