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Kommentar Gurlitt-SchlussberichtZuviel Politik im Spiel

Brigitte Werneburg
Kommentar von Brigitte Werneburg

Nationale und internationale Medien sprechen bei der Gurlitt-Taskforce von Misserfolg und Blamage. Doch es gibt auch einen Erfolg zu vermelden.

Immerhin: Die wissenschaftliche Aufarbeitung kommt voran. Foto: dpa

N ur fünf Werke aus der umfangreichen Kunstsammlung von Cornelius Gurlitt wurden bislang als NS-Raubkunst identifiziert. Zwei davon wurden an die Erben der ursprünglichen Besitzer zurückgegeben. Mehr kann die von Kulturstaatsministerin Monika Grütters vor zwei Jahren eingesetzte Taskforce „Schwabinger Kunstfund“ nicht vorweisen. Nationale und internationale Medien sprechen von Misserfolg und einer Blamage.

Argumente, warum es denn unbedingt mehr Werke sein müssten, bleiben sie schuldig; zumal es sicher noch mehr werden, wenn auch nicht in der großen Anzahl, auf die spekuliert wurde. Provenienzforschung braucht nicht zuletzt Geduld.

Die Recherchen zu den 499 zweifelhaften Werken werden in dem jüngst etablierten deutschen Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg ja fortgeführt. Die Forschung dort wird effektiver sein als bislang. Dort arbeiten die Forscher unbehelligt von den Taskforce-Experten, die als Netzwerker, Vermittler und Interessenvertreter zu konkreten Fällen wenig beitragen konnten.

Es war zu viel Politik im Spiel. Die Beschlagnahmung der Sammlung Gurlitt durch die Staatsanwaltschaft, die zunächst nur eine einzige Wissenschaftlerin von der Forschungstelle für entartete Kunst der FU Berlin mit der Provenienzrecherche beauftragte und sie mit einer Geheimhaltungsverpflichtung belegte, war ein durch die Medien zu Recht monierter Skandal. Doch er verleitete dazu, eine systematische und absichtsvolle Aufklärungsverhinderung zu erkennen – bis heute.

Dabei erhielt David Toren einen bedeutenden Max Liebermann zurück und den Erben des Pariser Kunsthändlers Paul Rosenberg wurde Matisse‘,„Sitzende Frau“ restituiert. Die Provenienzforschung wurde institutionalisiert, dabei zentralisiert und mit den nötigen Geldmitteln ausgestattet. Das wird die Chancen aller Erben von Opfern des NS-Kunstraubs auf Restitution erhöhen. Ein wichtiger erster Erfolg in Sachen Gurlitt.

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Brigitte Werneburg
war Filmredakteurin, Ressortleiterin der Kultur und zuletzt lange Jahre Kunstredakteurin der taz. Seit 2022 als freie Journalistin und Autorin tätig. Themen Kunst, Film, Design, Architektur, Mode, Kulturpolitik.
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1 Kommentar

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  • Wenn "nationale und internationale Medien [...] von Misserfolg und einer Blamage [sprechen]", dann reden sie in erster Linie über sich selbst, nicht über die, nun ja, "Taskforce" von Monika Grütters.

     

    Mag ja sein, dass besagte Medien (geht's nicht etwas konkreter?) derzeit die "Argumente […] schuldig [bleiben]", warum "es denn unbedingt mehr Werke sein müssten", die als NS-Raubkunst anzusehen sind. Aber als es darum ging, die umfangreiche Gurlit-Sammlung als Aufhänger für einen Skandal zu nutzen, hat auch keiner nach Argumenten gefragt. Das scheint so was wie ein Geschäftsmodell zu sein. Und zwar nicht nur eines der sogenannter Vierten Gewalt, sondern auch eins der drei anderen.

     

    "The scandal sells", haben sie sich gesagt und drauf gesch... äh: drauf gepfiffen, dass "Provenienzforschung [...] nicht zuletzt Geduld [braucht]". Sie haben auf die Neugier und die Vergesslichkeit der Kunden spekuliert und darauf, dass die Nachricht von heute bares Geld wert ist, während die von gestern keinen Menschen mehr tangiert, dass also Wahrheit nicht so wichtig ist. Hauptsache Tempo und Emotion. Und dafür ist in diesem Land das Thema Nazis immer gut. Als Deutscher, schließlich, traut man Deutschen alles zu. Im EINZELFALL sogar völlig zu recht.

     

    Nein, es war nicht "zu viel Politik im Spiel", sondern zu viel Gier, zu viel Angst, zu viel Hass, zu viel Arroganz und zu viel Ungeduld. Das Schlimmste aber war und ist fast überall der absolute Wille, nichts falsch zu machen bzw. nicht der Letzte zu sein, der sich als Rächer der Enterbten profiliert.

     

    Cornelius Gurlitt, immerhin, kann man dazu gratulieren, dass er schon tot ist. Man kann ihn allerdings dafür genau so gut auch tief bedauern.