Kommentar GroKo-Einwanderungsgesetz: Stiller Erfolg der SPD
Die SPD hat das Einwanderungsgesetz gegen den Willen der Union durchgesetzt. Jetzt kommt es auf die Ausgestaltung der Details an.
S chade, dass die SPD-GenossInnen gerade lieber über Personalien streiten statt über Inhalte. Sonst könnten sie zumindest versuchen, dem Eindruck entgegenzutreten, sie hätten sich bei den Koalitionsverhandlungen von der Union über den Tisch ziehen lassen. Zumindest beim Thema Migration und Integration sieht es ganz danach aus. Was die Große Koalition zum Familiennachzug und zu sicheren Herkunftsstaaten beschlossen hat, muss linke Parteimitglieder und Bürgerinnen beschämen.
Doch einen Erfolg haben die Sozis in der Arbeitsgruppe dann doch errungen – und der ist möglicherweise größer, als es im ersten Moment scheint: Die SPD hat sich mit ihrer langjährigen Forderung nach einem Einwanderungsgesetz durchgesetzt. Auch wenn die Union nicht von Zugeständnissen sprechen will: In der alten Groko waren CDU und CSU noch dagegen, den Zuzug von Arbeitskräften zu erleichtern und das undurchsichtige Regelwerk zu vereinfachen – obwohl sich die Wirtschaft das schon lange wünscht. Nun kann die SPD doppelt punkten: bei der heimischen Wirtschaft. Und bei denen, die sich eine weltoffenere Migrationspolitik wünschen.
Vorausgesetzt, die guten Ideen der SPD finden sich dann auch im neuen Einwanderungsgesetz wieder. Etwa: Auch Fachkräfte ins Land zu lassen, die noch keinen Arbeitsvertrag in der Tasche haben. Oder die Einreisechancen für nichtakademische Fachkräfte zu erhöhen. Und natürlich: ein zeitgemäßes Bewerbungstool (online!) zu schaffen.
Zwar sind nicht alle SPD-Vorschläge sinnvoll. Dass der Bundestag jedes Jahr eine Art Obergrenze für den Fachkräftezuzug festsetzt, statt gleich nach Bedarf zu entscheiden. Oder dass ÄrztInnen oder IngenieurInnen auch dann noch ihre Qualifikation nachweisen müssen, wenn ihnen die Berliner Charité oder die Forschungsabteilung von Siemens bereits Arbeitsverträge ausgestellt haben. Noch haben Union und SPD Zeit, an ihren Entwürfen zu feilen. Wird das Einwanderungsgesetz gut – so ist dies ein Verdienst der SPD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen