Kommentar Gleichstellung: Diskriminierendes Bauchgefühl
So modern sich Merkels CDU gibt: Bei der kompletten Gleichstellung von Homosexuellen vertritt sie ein verstaubtes Gesellschaftsbild.
W er denkt, die postdemokratisch aufgestellte CDU sei längst für jede Liberalisierung zu haben, sollte sich an den Parteitag im Dezember 2012 erinnern. Damals stritt die Partei, ob Lesben und Schwulen die gleichen Steuervorteile beim Ehegattensplitting zustünden wie Heterosexuellen. Angela Merkel schlug sich in einem Interview persönlich auf die Seite der Traditionalisten. Wie erwartet beschloss die CDU danach eine rückwärtsgewandte Position, die wenig später vom Verfassungsgericht kassiert wurde.
So modern sich Merkels CDU heute gibt: Bei der kompletten Gleichstellung von Homosexuellen vertritt sie kein modernes, sondern ein verstaubtes Gesellschaftsbild, das Minderheiten diskriminiert. Von der CSU ganz zu schweigen.
Der wichtigste Punkt wäre, endlich das Adoptionsrecht anzupassen. Nach wie vor dürfen in Deutschland lesbische und schwule Paare kein Kind gemeinsam adoptieren, weil die Union dies hartnäckig blockiert. Lieben lesbische Mütter ein Kind weniger als Heteros? Sind schwule Väter, weniger bildungsbewusst? Ist Geborgenheit ein Exklusivangebot der heterosexuellen Familie?
Auf solche Fragen antwortet die Union nicht mit rationalen Argumenten, einfach deshalb, weil es keine gibt. Für die Weigerung reicht das Bauchgefühl. Die Mehrheit in CDU und CSU treibt die vage Angst der Konservativen um, den Linken eine Bastion preiszugeben.
Verglichen mit dem Stillstand beim Adoptionsrecht ist das Gesetz, mit dem sich die SPD gerade profiliert, kleines Karo. Diverse Verwaltungsvorschriften anzupassen ist notwendig, aber es ändert wenig an der Lebensrealität homosexueller Paare. Die SPD weiß, dass mit dieser Union engagierte Schritte für die Gleichstellung nicht zu machen sind. Eine Erkenntnis, um die die Grünen 2017 ebenfalls nicht herumkommen werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen