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Kommentar Gewalteskalation im SudanDie Feuerprobe steht noch bevor

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Im Sudan gibt es Hoffnung auf Demokratie. Doch das Militär ist mächtig, die Zivilbevölkerung wird alleingelassen.

Sudans Demokraten bleiben auf sich gestellt, und sie haben Angst Foto: ap

S udans Revolution ist an einem kritischen Punkt angelangt. Die zivile Opposition, die mit monatelangen Massenprotesten das Gewaltsystem des alten Diktators Bashir zum Einsturz gebracht hat, steht kurz vor einer Einigung mit den hohen Generälen, die durch ihren Putsch gegen Bashir im April die wichtigste Forderung der Protestbewegung erfüllten und zugleich ihre eigene Haut retteten. Es wäre ein grandioser Sieg einer arabischen Volksbewegung, sollte es tatsächlich zu einer gemeinsamen Übergangsregierung kommen, die freie Wahlen und eine Überwindung des sudanesischen Unterdrückungssystems aus repressiven Gesetzen und mörderischen Milizen organisiert.

Aber bis es so weit ist, bleibt Sudans Gewaltapparat intakt. Das haben die bislang nicht identifizierten uniformierten Kräfte in Erinnerung gerufen, die in der Nacht zum Dienstag Demonstranten und Soldaten in Khartum angriffen und manche von ihnen erschossen. Der skrupellose Angriff ist ein Warnsignal an Militär und Opposition, dass jeder neuen Übergangsstruktur die Feuerprobe erst noch bevorsteht – und dass jede bewaffnete Streitkraft im Sudan die Mittel hat, ihre Interessen mit der Waffe zu verteidigen.

Die im Entstehen befindlichen Übergangsinstitutionen brauchen jetzt internationale Unterstützung, um sich zu halten, und die politischen und militärischen Akteure brauchen sichtbare Anreize, um eine Demokratisierung zuzulassen. Die Afrikanische Union hat sich bisher darauf beschränkt, den Umsturz im Sudan als verfassungswidrig abzulehnen und das Militär zur Machtübertragung an Zivilisten aufzufordern – zunächst innerhalb von 15 Tagen, nach deren Verstreichen mit weiteren 60 Tagen Frist, ohne zu sagen, was sie machen wird, wenn auch diese Frist verstreicht. Die Vereinten Nationen unterstützen dies.

Im Klartext heißt das alles – nichts. Sudans Demokraten bleiben auf sich allein gestellt, und sie haben Angst. Muss im Sudan erst ein neuer Bürgerkrieg ­toben, damit eine internationale Vermittlung in Gang gesetzt wird? Dann wäre es vermutlich zu spät.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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