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Kommentar Gewalt gegen AsylsuchendeJeder Angriff ist einer zu viel

Daniél Kretschmar
Kommentar von Daniél Kretschmar

Weniger Angriffe auf Asylsuchende sind kein Grund zur Freude. Zu viel liegt im Argen. Helfen würde schon mehr Zurückhaltung seitens einiger Politiker.

Als ob nicht jedes Leben gleich schützenswert wäre Foto: dpa

N ur noch 700 Angriffe auf Asylsuchende und ihre Unterkünfte im ersten Halbjahr 2018 – das ist das aktuelle Ergebnis der regelmäßigen Abfrage der Zahlen beim Bundesinnenministerium durch die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke. Die Zahl der Attacken hat damit deutlich gegenüber den Vorjahren abgenommen, ist aber, um das Offensichtliche noch einmal auszusprechen, zu hoch. Jede einzelne Brandstiftung, jeder Schlag, jedes dahingeschmierte Hakenkreuz ist zu viel.

Hinzu kommt, dass beim erwartbaren vierstelligen Jahresabschluss der Firma Hass und Gewalt weiterhin wohl kaum von isolierten Einzelfällen gesprochen werden kann. Während auf der einen Seite Hunderttausende für eine menschliche, offene und soziale Gesellschaft kämpfen, wird das Ideal der demokratischen Gemeinschaft aller hier Lebenden nicht nur von unverbesserlichen AfD-Funktionären hintertrieben. Die CSU mit ihrem suizidalen Wahlkampfkrawall, die CDU und auch die SPD mit ihrer Duldung desselben, ja selbst Teile der Linken, die jetzt auch unter Flüchtlingsphobikern Stimmen sammeln wollen: sie alle führen sicher nicht die Fackeln der neuen Nazis, fallen aber vor jedem sich bietenden Talkshowmikrofon der engagierten Zivilgesellschaft in den Rücken.

Auch die Signale, die die Justiz setzt, sind kaum hilfreich. Dass immerhin zwei Helfer des terroristischen NSU-Kom­ple­xes mit Abschluss des Münchner Prozesses auf freien Fuß kamen, wird juristisch gut begründet sein und im Rahmen zulässigen Ermessens liegen, die Botschaft an pro­spek­tive Mordbrenner jedoch ist katastrophal. Solange es gegen „Ausländer“ geht, darf man mit der Milde des Rechtsstaates rechnen.

So bleibt am Ende nur, die Gründe für die aktuelle Abnahme von Angriffen möglichst präzise einzugrenzen und genau dort mehr zu investieren: in mehr Engagement, bessere Strafverfolgung, mehr antirassistische Bildung und mehr Verantwortung. Letzteres kostet nicht viel. Für den Anfang täte es schon ein bisschen Zurückhaltung seitens politischer ­FunktionsträgerInnen.

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Daniél Kretschmar
Autor
Jahrgang 1976, Redakteur für die tageszeitung 2006-2020, unter anderem im Berlinteil, dem Onlineressort und bei taz zwei. Newsletter unter: https://buttondown.email/abgelegt
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4 Kommentare

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  • Die Strafe der Wahl bei gewaltsamen Übergriffen auf Asylheimen wäre der Enzug des deutschen Passes bzw. der Staatsbürgerschaft. Die Täter können dann ja mal selbst erleben wie es ist, bei Fremden anzuklopfen und um Einlass zu bitten.

  • Daniel Kretschmar, Ihre Aussage "Während auf der einen Seite Hunderttausende für eine menschliche, offene und soziale Gesellschaft kämpfen, .... " verwundert mich doch etwas.



    Hunderttausende sind im Verhältnis zu ca. 80 Millionen Einwohnern nicht mehr als eine vernachlässigbare Minderheit.



    Meinungstoleranz kann man nur gegenüber Andersdenkenden ausüben.



    Angriffe auf Asylbewerber sind verachtenswert, aber eine Politik wie sie derzeit betrieben wird ebenfalls.

    • @Faktenliebhaber:

      > eine Politik wie sie derzeit betrieben wird ebenfalls.

      Sie meinen damit... dass man nicht nur die Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken lässt, sondern dass man auch noch diejenigen aktiv behindert, die versuchen, Menschen zu retten?

      Volle Zustimmung: das finde ich auch verachtenswert.

  • TU
    Test User , Autor Moderator ,
    Weniger Angriffe auf Asylsuchende sind kein Grund zur Freude. Zu viel liegt im Argen. Helfen würde schon mehr Zurückhaltung seitens einiger Politiker. [cms-article=5524610]