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Kommentar Gekauftes SommermärchenWarum sollte der DFB sauber sein?

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Das ganze Land ist schockiert, weil die Fußball-WM gekauft wurde. Aber das ist die Norm – und nicht die Ausnahme. Kein Grund zur Aufregung.

Fan-Fest 2006 in Berlin: So schön kann Fußball sein Foto: dpa

W as ist eigentlich passiert? Ein Verband, der die Fußball-WM austragen wollte, hat sich ein paar Stimmen gekauft, um die Abstimmung im Exekutivkomitee der Fifa zu gewinnen. So ist das eben. Und doch ist ganz Fußballland in Aufruhr, seit der Verdacht formuliert worden ist, auch der Deutsche Fußballbund habe Funktionäre geschmiert.

Es ist eine absurde Aufregung, die sich da Luft macht. Und so mancher, der jetzt seine Fassungslosigkeit oder sein Entsetzen zum Ausdruck bringt, sollte sich fragen, ob es je irgendeinen Anhaltspunkt dafür gegeben hat, dass der DFB sauberer als andere Verbände sein könnte.

Wie gern ist in den vergangenen Jahren mit dem Finger auf Fifa-Präsident Sepp Blatter gezeigt worden. Im DFB hat man dem Vizepräsidenten Reinhard Rauball die Rolle als Blatter-Kritikus zugewiesen, damit sich Präsident Wolfgang Niersbach nur ja nicht aus dem Fenster lehnen muss.

Man will sich ja in die Augen sehen können, wenn man am Tisch der Fifa-Regierung in Zürich zusammensitzt. Mit einem kolonialistischen Gutsherrenblick zeigt man von Deutschland aus gerne auch auf die korrupten Fußballführer aus Afrika oder der Karibik. Die kühne Behauptung, der DFB sei der Gute im Haufen lauter mieser Mafiosi, wurde von viel zu vielen hierzulande viel zu lange nur zu allzu gerne geglaubt.

Politiker aller Parteien

Zu nennen sind hier vor allem Politiker aller Parteien, die es nicht lassen können, sich bei einem wichtigen Fußballspiel neben den Präsidenten des DFB zu setzen, die sich freuen, wenn sie mit der nun hoffentlich endgültig erlöschenden Lichtgestalt des deutschen Fußballs, Franz Beckenbauer, abgelichtet werden.

Es sind nicht nur die ganz hohen Würdenträger, die sich mit jedem Handschlag, den sie mit Leuten wie Niersbach oder Beckenbauer austauschen, beschmutzen. Es sind auch die gewählten Regional- und Lokalfürsten, die Stadien subventionieren, Steuergelder in den Profifußball leiten oder den Marketingetat kommunaler Unternehmen in das Überleben eines kommerziellen Fußballprojekts stecken.

Nur allzu gerne sonnen sich Volksvertreter im Licht des Glanzes, der vom Profifußball ausgeht. Und wenn es gilt, ein internationales Sportereignis nach Deutschland zu holen, da wird flugs eine Steuerbefreiung für das Business beschlossen, von dem niemand sagen würde, dass es unter Geldmangel leidet. Beinahe schon absolutistisch regiert König Fußball das Land. Kritische Nachfragen werden da nur allzu gern als Majestätsbeleidigung angesehen.

Zwanzigers mögliche Motive

Kein Wunder, dass am Tag nach den Enthüllungen des Spiegels die Frage, wer dem Nachrichtenmagazin zu den Enthüllungen verholfen hat, ins Zentrum der Berichterstattung gerückt ist. Da wird diskutiert, ob Niersbachs Amtsvorgänger Theo Zwanziger seinen Nachfolger anschwärzen wollte, und statt über die Machenschaften des DFB zu sprechen, werden Zwanzigers mögliche Motive hierfür ventiliert.

Und Ex-Innenminister Otto Schily, der im Aufsichtsrat des Organisationskomitees der WM 2006 saß, weiß auch schon, was das Wichtigste im Umgang mit dem Skandal ist. Er spricht von „Gerüchteproduktion“ und fürchtet um das Ansehen Deutschlands. Um Himmels willen! Es ist lange genug weggeschaut worden.

Wer Schily folgt, wird auch glauben, dass der Zeitpunkt der Bewilligung eines Waffendeals mit Saudi-Arabien durch den Bundessicherheitsrat unmittelbar vor der WM-Vergabe, über die auch ein saudischer Prinz entscheiden durfte, reiner Zufall war.

Niersbachs Erinnerungslücken

Jetzt, da deutlich wird, dass der DFB Geldtransfers in Millionenhöhe getätigt hat, die er sich selbst nicht recht erklären kann und die er intern überprüfen lassen will, obwohl er behauptet, dass sie korrekt gewesen seien, wird das kaum mehr einer denken. Die Story vom Waffendeal als Teil eines Sportdeals wird noch oft zu lesen sein. Gut so!

Wolfgang Ich-kann-mich-nicht-erinnern Niersbach, der sich vielleicht vor ein paar Tagen noch als möglicher Chef der Uefa gesehen hat, wird wohl nicht weiter Karriere machen im Fußall. Das sogenannte Sommermärchen, das viele jetzt als beschmutzt bezeichnen, lässt sich indes nicht ungeschehen machen.

Wenn der DFB wirklich sauber geblieben wäre, der angeblich so unverkrampfte Nationalrausch in Schwarz-Rot-Gold wäre uns erspart geblieben – ein bitterer Nebenaspekt in diesem Fall.

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Andreas Rüttenauer
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6 Kommentare

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  • Folge 1:

     

    Wie schnelllebig doch unsere Zeit ist: Noch vor ein paar Wochen wurde vom DFB sein Vize, Dr. Rauball, als Drängler vor den Karren gespannt, um Platini medienwirksam aufzufordern, mit seiner Bewerbung als Blatter-Nachfolger endlich ernst zu machen, damit sein Platz unser Herr Niersbach bald einnehmen darf. Vermutlich entstand durch ein schon lang schwelendes internes Zerwürfnis zwischen zwei bekannten hochrangigen Funktionären innerhalb von nur wenigen Tagen durch eine Art „Maulwurftätigkeit“ eines Einzelnen aus dem verträumten „WM-Märchen 2006“ im Nachhinein ein „Winterkrimi 2015“ , der in seiner Auswirkung seinesgleichen sucht, noch einen gewaltigen Wirbel sowie ungeahnte Folgen nach sich ziehen lassen wird, wie u.a. eine Serie von Anzeigen.

     

    Der sich anbietende Nachfolger des vermutlich bald von sich aus zurücktretenden noch gegenwärtigen DFB-Chefs und frühere taz- Chefredakteur hat sich mit seinen oben genannten scharfsinnigen und mutigen Feststellungen sehr weit aus dem Fenster gelehnt, doch einen Herrn Dr. Koch mit seinen „Multifunktionen“ wird er wohl bei der kommenden notwendig werdenden Präsidentenwahl nicht das Wasser reichen können.....

  • Folge 2:

     

    Niersbach scheint sich allerdings bei seiner Verteidigung etwas verstrickt zu haben. Nachdem er lt. eigener Aussage in diesem Sommer von einer Person X „Wind bekommen hat“, Geld an die FIFA bezahlt zu haben, das in seiner Geschäftsbilanz nicht zu finden ist und deshalb fremde Hilfe in Anspruch genommen werden musste, wird natürlich der Fragenkomplex der zwischenzeitlich auch munter gewordenen Frankfurter Staatsanwaltschaft immer größer, obwohl nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB eine Verjährung der angenommenen Straftaten eingetreten sein müsste.

    Das wird noch eine spannende Geschichte, deren Ausgang interessanter sein könnte als die jahrelangen ermüdenden Episoden aus der Züricher FIFA- Zentrale, die derzeitigen tollen Ereignisse in der Bundesliga oder der 36 Millionen € teure!) Museumsprachtbau des DFB in Dortmund!

     

    Nach den erlittenen Schrammen an fast unzähligen Dieselmotoren hat es nun leider auch den bisher anderen deutschen Stolz erwischt!

  • 2G
    2730 (Profil gelöscht)

    Komisch, komisch. Selten so viele Konjunktive gelesen wie in dieser Angelegenheit. Um es vorab klar und deutlich zu formulieren: Wenn Korruption bewiesen werden kann, muss mit aller zur Verfügung stehenden Härte dagegen vorgegangen werden.

    Das Zauberwort aber: "Beweise". Beweise kommt von "wissen" und nicht von "ahnen" oder "spekulieren". Und von wissen sind wir doch noch sehr weit entfernt, oder?

    • @2730 (Profil gelöscht):

      Es ist dieser Tat "impliziet" das sie schwer zu beweisen ist.

      .

      Da hat ein Präsident einen Berater-Vertrag über 1Mio. p.A. mündlich gecshlossen, da sind 6 Mio Chf. mal so über die Konten gewandert..... da hat ein Vereinsmanager mal kurz > 15Mio zum zocken geliehen bekommen.....

      .

      Mensch, das ist doch Kaffekasse bei den Summen, die im Fussball so über den Tisch gehen. Bei solch kleinen Beträgen auch noch eine geordnete Buchführung zu ertwarten ist doch lächerlich.

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      Das ist ja fast so "erbsenzählerhaft" wie eine Steuerprüfung, bei der der Finanzbeamte die Zigeratten in der Tankquittung moniert.

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      Das grosse ganze im Auge haben. Immerhin war das "Märchen" (Fussball ist Sport, wahlweise unbezahlbare Werbung wenn wieder ,alö einige Kindergärten in der Förderung der Bundesligavereinen verschwinden) es doch wohl wert!

      .

      Gruss

      Sikasuu

      .

      Ps. BTW Gedopt wird im F-Ball aber nicht, versprochen!

  • Dass die illegalen Methoden in den Hinterzimmern des Fussballgeschäfts jedem klar sein mußten, mag sein. Das ändert nichts daran, dass Schmiergelder und Bestechung aus gutem Grund zumindest auf dem Papier und auch im gesellschaftlichen Konsens aus dem Methodenrepertoir von Demokratien verbannt sind. Hier gibt es nämlich immer auch Geschädigte. Die, die sich bemühen nach objektiven Gesichtspunkten das beste Angebot zu machen (das ist oft teurer) unterliegen denen, die schmieren. Deshalb ist es gut, wenn sich Leute aufregen - nur eben nicht aus Erstaunen sondern aus Empörung.

  • "seit der Verdacht formuliert worden ist, auch der Deutsche Fußballbund habe Funktionäre geschmiert..."

     

    Ein Verdacht. Beweise? Die "Tatbestände" sind sicherlich eh verjährt, so dass Staatsanwaltschaften nicht ermitteln dürfen/können. "DER SPIEGEL": Journalismus 2015.