Kommentar Freihandelsabkommen TTIP: Protest für Status quo
Das Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA dürfte scheitern. Der Widerstand gegen das Abkommen ist berechtigt.
D iese Wette kann man wagen: Das Freihandelsabkommen TTIP zwischen Europa und den USA wird weitgehend scheitern. Die Protestbewegungen auf beiden Seiten des Atlantiks werden siegen, während die Regierungen ziemlich blöd aussehen.
Der Widerstand gegen das Freihandelsabkommen ist berechtigt. So ist nicht einzusehen, warum es ein spezielles Klagerecht geben soll, dass Großkonzernen erlauben würde, gegen einzelne Staaten vorzugehen.
Trotzdem ist erklärungsbedürftig, warum die Protestwelle erfolgreich sein dürfte. Denn die lange Geschichte des Widerstands zeigt ja, dass längst nicht jede Kampagne siegreich ist. Doch diesmal ist sehr hilfreich, dass eine Veränderung verhindert und der Status quo erhalten werden soll. Die Botschaft der Protestbewegung lautet: Der Handel zwischen Europa und den USA soll bleiben wie bisher. Dies fühlt sich gemütlich an. Es gilt nie als Wagnis, das Bekannte fortzuschreiben. Dafür lassen sich stets Mehrheiten gewinnen.
Diese instinktive Vorliebe für den Status quo dürfte auch erklären, warum die Eurokrise nicht zum Protestthema wird – obwohl sie viel gefährlicher als das TTIP ist. Mit diesem Vergleich soll der Widerstand gegen das Freihandelsabkommen nicht geschmälert werden, aber die Eurokrise hat welthistorische Dimensionen. Die Gefahr ist nicht vorüber, dass der Euro auseinanderbricht und eine gigantische Wirtschaftskrise die Idee von einem geeinten Europa vernichtet.
Trotzdem regt sich in Deutschland kein Widerstand, was nicht die Schuld der NGOs ist. Aber die Bundesbürger wollen nicht hören, dass ihr Lohndumping enden muss, das unlautere Wettbewerbsvorteile schafft. Eine solche Veränderung macht den Deutschen Angst. Lieber riskieren sie, dass der Wandel gewaltsam kommt, wenn der Euro zusammenbricht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Biden hebt 37 Todesurteile auf
In Haftstrafen umgewandelt
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht