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Kommentar Freigabe von CannabisSinnlose Jagd auf Kiffer

Mathias Bröckers
Kommentar von Mathias Bröckers

Die Verfolgung von Kiffern hat nichts mit wirksamer Kriminalitätsbekämpfung zu tun. Das hat man jetzt offenbar auch bei der Polizei begriffen.

Stone free! Foto: dpa

D er Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) fordert die Legalisierung von Cannabis und eine „komplette Entkriminalisierung von Cannabis-Konsumenten“. Das Verbot, so der BDK-Vorsitzende André Schulz, sei „historisch betrachtet willkürlich erfolgt und bis heute weder intelligent noch zielführend“. Statt strafrechtlicher Repression, die Menschen stigmatisiert und kriminelle Karrieren fördert, gebe es bessere Methoden der Drogenpolitik, die auch einen wirksamen Kinder- und Jugendschutz gewährleisten.

Was ist denn da passiert? Hat die Kripo an der Spitze ihres Verbands einen Vertreter der akzeptierenden, schadens­mindernden Drogenarbeit eingesetzt? Sicher nicht – doch dass deren Argumente jetzt endlich auch bei der Polizei angekommen sind, ist ein wichtiges Zeichen.

Von den mehr als 300.000 Strafverfahren, die von der Polizei letztes Jahr im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln eingeleitet wurden, betrafen über 180.000 Cannabisdelikte und von diesen wiederum der Großteil (76 Prozent) nicht Schmuggler und Verkäufer, sondern Konsumenten. Dass diese sinnlose Jagd auf Kiffer nichts mit wirksamer Kriminalitätsbekämpfung zu tun hat, hat man jetzt offenbar auch bei der Polizei eingesehen.

Was den Straßenverkehr angeht, müsse für Cannabis dasselbe gelten wie für Alkohol; hier gebe es allerdings, so der BDK-Chef, „noch einige Unsicherheiten und Gesetzeslücken“. Darauf hatte unlängst auch schon der Deutsche Verkehrsgerichtstag hingewiesen und den Gesetzgeber aufgefordert, diese Unklarheiten zu beseitigen.

Vor allem scheint hier der derzeitig gültige Grenzwert bei Blutproben von einem Nanogramm (ng) THC problematisch zu sein, da diese Menge gar nicht spürbar ist und von „Rausch“ eigentlich keine Rede sein kann. In den USA gilt man bei bis zu fünf ng THC im Blut noch als fahrtüchtig, in der Schweiz darf man mit drei ng THC sogar noch Bahnen und Busse lenken. Nicht nur im Strafrecht, auch im Verwaltungs- und Verkehrsrecht sind die aktuellen Regelungen in Deutschland auf dem Stand der 80er Jahre und „weder intelligent noch zielführend.“

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Mathias Bröckers
Blogwart
Jahrgang 1954, ehemaliger Blogwart von taz.de; gehörte zur Gründergeneration der taz, war Kulurredakteur bis 1991, erfand die Seite „Die Wahrheit“, danach Kolumnist für die „Zeit“, die „Woche“ und Wissenschaftsautor im ARD-Radio. Schrieb zahlreiche Bücher, darunter internationale Besteller über Hanf (1993) und den 11.9. (2002, 2011), bloggt seit 2004 und beriet die taz seit 2006 bei ihrer Online-Entwicklung.
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13 Kommentare

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  • Komisch. Leute, die ansonsten allzeit bereit stehen, um den armen Ottonormalverbraucher hoheitlich - teilweise bis zur Teilentmündigung - bei der Hand zu nehmen und mit aller Macht davor zu bewahren, dumme Entscheidungen zu treffen, werden auf einmal zu erzliberalen Laissez-Faire-Advokaten, wenn es um Cannabis geht.

     

    Suchtbedingte Wahrnehmungsänderung?

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @Normalo:

      Das ist aber schon ein wenig populistisch, jetzt jedem Legalisierungsbefürworter eine Sucht zu unterstellen.

       

      Kiffer sind Ottonormalverbraucher. Gekifft wird unter Reichen und Armen, auf dem Land und in der Stadt. Kuck dich doch mal um.

       

      Ich kenne einen Anwalt der kifft, eine Lehrerin, einen Hausmeister, eine Kinderärtzin, einen Arbeitslosen, einen Koch.....

      Alle haben nur eines gemeinsam. Das sie es heimlich tun, weil bei Strafverfolgung eventuell die Existenz gefährdet ist und das ist eben das Problem dabei.

       

      Ich persönlich kiffe übrigens schon seit Jahren nicht mehr. Es war nicht meine Droge. Allerdings kann ich trotzdem anerkennen, das es Menschen gibt, die auf Cannabis wesendlich besser klarkommen als ich. Dafür werde ich von Alkohol nicht agressiv und kenne da meine Grenze.

  • Verantwortung

     

    //http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/drogenbeauftragte-mortler-gegen-cannabis-legalisierung-15434325.html

     

    Das Risiko bleibender Gehirnschäden!

    Davor sollten Jugendliche bewahrt werden. Das ist Verantwortung.

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @Hartz:

      Das Risiko bleibender Hirnschäden tentiert bei einmaligem Konsum fast gegen null(anders als bei Alkohol)

       

      Hirnschäden können(nicht müssen) auftreten, wenn über einen längeren Zeitraum dauerhaft konsumiert wird.

       

      Wir reden hier also von dem 16 Jahre alten Dauerkiffer, der schon morgens vor der Schule eine Bong raucht.

       

      Diese Jugendlichen gibt es. Ein Freund von mir war einer von ihnen. Allerdings wurde mein Freund auch in der Kindheit mehrfach sexuell missbraucht. Sein Standpunkt damals war: "Irgendwie würde ich gerne auf LSD hängenbleiben, dann müsste ich die scheiss Realität nicht mehr ertragen." Seine alleinerziehende Mutter war Alkoholikerin und Täterschützerin.

       

      Kann man sich da vielleicht die Frage stellen, ob bei diesen gefährdeten Jugendlichen nicht überweigend etwas anderes im Argen liegt?

       

      Und wo bleibt da der seriöse Vergleich? Ein Jugendlicher der mit 16 täglich säuft und sich die Kante gibt, hat also kein Risiko bleibender Schäden zu erwarten?

      Abgesehen von den Jugendlichen die beim Suff einfach mal in ihrer Kotze ersticken, weil sie nicht wussten wann Schluss ist.

       

      P.S: Ich kiffe übrigens schon seit Jahren nicht mehr und bin mehr dem Alkohol zugeneigt. Um persönliche Vorlieben geht es mir also nicht.

    • @Hartz:

      Im Sinne der gleichen Verantwortung müssten dann allerdings die Volksdrogen Alkohol und Tabak ebenso verboten werden.

      Diese richten (freundlich ausgedrückt) mindestens so viel Schaden an wie Canabis und sind jährlich für tausende Todesfälle in Deutschland verantwortlich.

       

      Und was den Jugendschutz spezifisch angeht - wenn der Verkauf von Canabis grundsätzlich strafbar ist, haben die Händler keinen Grund, auf das Alter ihrer Kunden zu achten.

  • Drogistan

     

    Man sollte gleich alle Drogen freigeben, auch die härtesten!

    Denn das wird lustig...

    Das passt dann schon.

    • @Hartz:

      ...wie zum Beispiel Tabak und Alkohol, das meinten Sie doch?

    • @Hartz:

      Man sollte gleich alle Drogen freigeben, auch die härtesten!

       

      Ist doch schon - Alkohol.

  • ?? Is dat nu "Bröckers Satire?" .. oder is dat "Real wahr"? :-) ?

    Schön wärs in jedem Fall, wenn Cannabis Konsumenten entkriminalisiert werden !

    Ich denke primär an all die Menschen , die da, geplagt von Schmerzen (Gicht, Arthritis, Parkinson etc.) durch Legalisierung von THC mehr schmerzfrei leben können! ..zudem würde die kriminelle Dealerkultur aufhören können. Neue Regeln in Respekt auf THC : Verkehrssicherheit etc sind ja entwickelbar !

  • Verständnisfragen:

    Bezieht sich das Nanogramm THC auf einen Milliliter oder einen ganzen Liter?

    Wie hoch ist die Konzentration auf dem Peak nach dem Genuss einer 'üblichen' Tüte?

    Wie lange dauert der Abbau?

     

    Generell fände ich eigentlich eine 0,0-Politik im Verkehr ganz sinnvoll, sowohl beim ALkohol als auch beim THC. Dann gibt es kein Rumrechnen und abwägen, sondern es ist ganz klar. Wenn sich eine Tüte allerdings erst nach 24h unter dieses Nanogramm abgebaut haben sollte, ist es natürlich etwas unpraktisch.

    • @Marius:

      Das bezieht sich auf einen Mililiter Blut.

       

      Der Stoffwechsel bei Cannabis ist anders als z.B. bei Alkhol, insbesondere die Fettlösligkeit macht hier den Unterschied. Während Alkohol nach einigen Stunden komplett abgebaut wurde, lagert sich THC und seine Abbauprodukte in Fettgewebe ein. Und da Fettgewebe fortwährend verstoffwechselt wird, haben viel-kiffer auch ständig einen gewissen "Pegel" im Blut, auch wenn der letzte Konsum über einen Tag her ist, freilich ohne Rausch.

       

      Ein Freund von mir wurde an einem Montag morgen auf dem Weg zur Arbeit von der Polizei angehalten, kontrolliert und hat dann seinen Führerschein verloren weil er Samstag Nacht konsumiert hatte. Bis heute hat er ihn nicht wiederbekommen weil er bei der MPU als Drogengefährdet eingestuft wurde.

       

      Eine 0,0-Politik ist daher überhaupt nicht praktikabel, nicht bei Alkohol und erst recht nicht bei THC.

       

      Wie hoch der Peak gehen kann weiß ich nicht genau, über 15ng/ml ist jedoch möglich.

       

      Näheres hier: //http://www.gruene-hilfe.de/2012/05/29/nachweiszeiten-von-thc/

    • @Marius:

      "Je nach Dosierung ist das THC eines Joints durchschnittlich 7 bis 12 Stunden lang im Blut nachweisbar, die Spanne reicht bis 27 Stunden. Das Stoffwechselprodukt THC-COOH ist 3-7 Tage lang nachweisbar, bei regelmäßigem Konsum einige Wochen. Im Urin ist THC-COOH bei einem einmaligen Konsum 3-5 Tage und bei regelmäßigem Konsum 4-6 Wochen nachweisbar. In der Literatur wird von einem Dauerkonsumenten berichtet, der erst nach 77 Tagen wieder "sauber" war, auch bei uns melden sich derartige Fälle. Die Nachweiszeiten schwanken also stark.

       

      Bis ein regelmäßiger Cannabiskonsument unter den verkehrsrechtlich bedeutsamen Grenzwert von 1,0 Nanogramm THC / ml Blut fällt, kann es zwei bis 10 Tage Abstinenz benötigen."

      • @down:

        Vielen Dank ihr zwei :)