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Kommentar FrauenfahrverbotDer Prinz der Frauen

Silke Mertins
Kommentar von Silke Mertins

Frauen dürfen in Saudi-Arabien jetzt Auto fahren. Doch die gesellschaftliche Liberalisierung soll nicht mit einer politischen Öffnung einhergehen.

Frauen hinterm Steuer in Saudi-Arabien: Eine soziale Revolution Foto: dpa

F rauen dürften nicht Auto fahren, weil sie dann ihre Eierstöcke schädigten, ihre Jungfräulichkeit verlören, dem Teufel anheimfielen und in Prostitution oder Homosexualität abrutschten. Außerdem könnten sie es auch gar nicht, denn ihr Intellekt sei nur halb so groß wie der eines Mannes. Wenn man sich vor Augen führt, mit welchen Argumenten führende Geistliche in Saudi-Arabien noch bis vor Kurzem das Frauenfahrverbot begründet haben, dann wird deutlich, welche symbolische Bedeutung Frauen hinterm Steuer für das Land haben.

Seit Sonntag dürfen sie genau dort sitzen. Das ist nicht nur ein historischer Tag, sondern eine soziale Revolution. Aber es ist eine Revolution von oben. Die Frauenrechtlerinnen, die jahrelang für eine Aufhebung des Verbots gekämpft haben, wurden vorsichtshalber verhaftet oder auf andere Weise mundtot gemacht. Die gesellschaftliche Liberalisierung Saudi-Arabiens soll nur einen Helden haben: den neuen De-facto-Herrscher Kronprinz Mohammed Bin Salman – genannt MBS.

Und: Sie soll nicht mit einer politischen Öffnung einhergehen. Die absolute Monarchie bleibt bei diesem Prozess nicht nur unangetastet, sie wird durch ihn sogar gestützt werden. Kino, Konzerte und mehr persönliche Freiheiten dämpfen den Frust, den gerade die junge Generation plagt. Es ist die Antwort von MBS auf die geforderte Modernisierung und gleichsam die Lehre, die man in Riad aus dem „Arabischen Frühling“ gezogen hat.

MBS ist beliebt bei seinen jungen Untertanen. Doch während er sich als Prinz der Frauen einen Namen macht und jenen in kurzer Zeit mehr Bürgerrechte gewährt hat – von seinen Gnaden selbstverständlich –, wird es gleichzeitig für AktivistInnen immer gefährlicher, sich für Bürgerrechte einzusetzen. Saudi-Araberinnen sind beispielsweise allesamt Mündel eines männlichen Verwandten, sie werden ein Leben lang nicht als Erwachsene behandelt. Frauenrechtlerinnen in Saudi-Arabien wollen nicht nur Auto fahren, sondern ein Ende der männlichen Vormundschaft. Erst damit wäre die Revolution vollendet.

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Silke Mertins
Redakteurin Meinung
Kommentatorin & Kolumnistin, Themen: Grüne, Ampel, Feminismus, Energiewende, Außenpolitik
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6 Kommentare

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  • Gebt dem Volk Brot und Spiele, bzw. Spielzeuge. Hat immer funktioniert, schon seit der römischen Republik im antiken Rom. Egal ob Monarchie, Diktatur oder Demokratie.

    Doch der Prinz hat da Erwartungen bei seinen Untertanen geweckt die er besser erfüllen sollte wenn er weiterhin der Popstar der Monarchieszene bleiben will.

    Es ist spannend was da geschieht. Die machen eine zeitlich sehr komprimierte Entwicklung durch, für die wir in Europa 200-300 Jahre gebraucht haben, um in der Neuzeit anzukommen.

    'Big Problem' !!!

    Wir sehen ja bei uns wie die Menschen so auf Aenderungen reagieren.

  • Mir wäre nicht bekannt, dass das saudische Herscherhaus je eine Abkehr von der absoluten Monarchie ins Auge gefasst hätte. Also warum erwarten, dass es sie mehr als nötig gefährdet?

     

    Es ist (aus Sicht des Monarchen) gefährlich genug, überhaupt den Würgegriff einer Religion, die seine Herrschaft stützt, auf die gesellschaftliche Realität zu lockern. Auch in Europa war es letztlich die Freigabe der Gedanken durch dei Aufklärung, die die Herrscherthröne zuerst ins Wanken und dann zu Fall brachte.

     

    Von daher: Jede Säkularisierung in einem Staat wie Saudi Arabien ist auch ein Schritt in Richtung Demokratie. Es hilft nichts, jetzt darüber zu mosern, dass es nicht gleich drei oder vier waren.

  • "Frauen dürften nicht Auto fahren, weil sie dann ihre Eierstöcke schädigten, ihre Jungfräulichkeit verlören, dem Teufel anheimfielen und in Prostitution oder Homosexualität abrutschten."

     

    Was das Abrutschen in die Prostitution oder Homosexualität angeht, scheinen die führenden Geistlichen in SA aus eigener Erfahrung zu sprechen (Autostrich und so....) Und was ist mit den Hoden, die beim Autofahren gequetscht werden? ;-)

  • Oh toll und dafür sind jetzt 500.000 Menschen gestorben.

    • @Pele :

      Wo genau sind 500.000 Menschen gestorben und was hat es mit den Frauenrechten und Idee Innenpolitik in SA zu tun?

      • @Sven Günther:

        Gar nichts, ich entschuldige mich daher höflichst bei allen die sich davon verlutzt fühlen könnten. Vielen lieben und herzlichen dank, dass sie mich darauf hingewiesen haben.