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Kommentar Frankreichs neue BewegungDas Gegenteil von Pegida

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Keiner weiß, ob die basisdemokratische Bewegung Nuit debout etwas Nachhaltiges bewirkt. Immerhin driftet der Protest diesmal nicht nach rechts ab.

Der Platz der Republik in Paris am vergangenen Samstag Foto: ap

N iemand weiß, ob die basisdemokratische Bewegung Nuit debout, ausgehend vom Platz der Republik in Paris, etwas Nachhaltiges im Land bewirken wird. Aber etwas ist auf jeden Fall in Bewegung geraten mit diesen abendlichen Treffs, und das Phänomen breitet sich bereits auf andere Städte aus. Auf dem Pariser Platz und an den anderen Treffpunkten in der Provinz diskutieren längst nicht mehr nur die Jungen, alle Generationen sind vertreten. Ganz offensichtlich besteht ein großes Bedürfnis, die Enttäuschung und den Unmut in die Öffentlichkeit zu tragen.

Wie immer, wenn in Frankreich die Jugend sich mit politischen Forderungen rührt, werden sofort Analogien mit dem Mai 68 hergestellt. Gemeinsam hat die neue Jugendrevolte mit der vor fast einem halben Jahrhundert den Enthusiasmus und die Ablehnung aller Zensur und Unterordnung.

Der positivste Aspekt dieser für Frankreich neuen Bewegung besteht darin, dass dieser Protest gegen die Regierungspolitik, die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Zustände nicht wie in anderen Ländern nach rechts abdriftet. Bisher hatte auch in Frankreich die Frustration vor allem die extreme Rechte gestärkt. Doch diese gehört mittlerweile nach Wahlerfolgen des Front National von Marine Le Pen vielleicht ebenfalls schon fast zum politischen Establishment, von dem diese „wachen“ Protestierenden nichts mehr erwarten.

Die Bewegung Nuit debout zeigt: Frankreichs Linke ist nicht tot, sondern sie erneuert sich

Darum hat die Bewegung Nuit debout nichts mit von Rechtsextremen gesteuerten Demonstrationen im Stil von Pegida gemein. Sie ist das pure Gegenteil. Sie beweist sogar, dass in Frankreich die Linke nicht tot ist, sondern sich erneuert. Die institutionelle Linke, die an der Regierung ist, hat diese Menschen zutiefst enttäuscht. Resigniert sind sie deswegen aber keineswegs. Das ist der erste Satz eines Programms, das dieser Bewegung noch fehlt. An Ideen mangelt es nicht, das ist der zweite Punkt, der bei diesem Frühlingserwachen ein echter Grund zu Hoffnung ist.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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5 Kommentare

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  • Dank an Rudolf Balmer für diesen Kommentar (und den zugehörigen Bericht). Ich hoffe sehr, daß dieser Sozialprotest wächst und für uns zum Vorbild wird. Den Hinweis auf Pegida finde ich nicht überflüssig - macht sich doch gerade die resignative Haltung breit, Unzufriedenheit mit dem Bestehenden führe "automatisch" nach rechts. Hinzu kommt der durchsichtige Versuch aller Etablierten, neue Ansätze zum Protest schnell als "rechts" zu denunzieren, auch wenn sie es nicht sind (wie bei der großen Anti-TTIP-Demo in Berlin). - Deshalb freue ich mich über eine bisher von keiner Partei vereinnahmte, linke Protestbewegung, die trotz verlängerten Ausnahmezustandes standhaft geblieben und gewachsen ist.

  • nach dem diese Bewegung ( ähnlich wie Podemos, Occupy u.a. ) schon wochenlang läuft ( lässt sich gut bei arte jornal verfolgen ) , gibt es nun auch in der taz dazu einen Bericht.

    Wie hier darauf hingewiesen wird dass dies eine linke Bewegung ist und nicht Pegida irritiert bestimmt viele Leser...,

  • Eine Wiederbelebung der Occupy-Bewegung?

    • @JoWall:

      Occupy war in Frankreich nie besonders groß. Die holen das jetzt nach ;)

    • @JoWall:

      na ich hoffe doch, dass es was besser organisiertes und schlagkräftigers wird.