Kommentar Flächenfraß in Bayern: Der Realitätsverlust der CSU
Bei der Landtagswahl geht es für die Christsozialen um alles. Das Wahlkampfthema Flächenfraß könnte für sie noch gefährlich werden.
M ag sein, dass der Gesetzentwurf des bayerischen Volksbegehrens gegen Betonflut und Flächenfraß unzureichend war. Die immer streng juristisch und formal urteilenden Verfassungsrichter in München empfanden den Text jedenfalls als viel zu unpräzise. Das Thema aber, da können sich Söder, Seehofer und die anderen von der CSU sicher sein, bleibt, und es bleibt vor allem im bayerischen Wahlkampf. Im Herbst geht es für die Christsozialen um alles oder nichts: Es geht darum, ob sie ihren bundespolitischen Anspruch und ihre damit einhergehende Großmäuligkeit aufrecht erhalten können oder ob sie zur unbedeutenden Regionalpartei zusammenschrumpeln.
48.000 wahlberechtigte BayerInnen haben sich in die Listen für das Volksbegehren eingetragen. Das ist sehr viel, nur 25.000 wären nötig gewesen. Das Zupflastern von Landschaft mit riesigen Gewerbegebieten und gesichtslosen Eigenheimsiedlungen, die vor allem dem Profitinteresse dienen, aber die Natur verschandeln, bringt die Menschen auf. Nicht nur im Freistaat – die Bayern aber sind bundesweit Vorreiter im Widerstand dagegen. Das Bewusstsein dafür wächst, dass Fläche ebenso endlich wie wertvoll ist – als Natur- und Kulturlandschaft und für einen cleveren, sparsamen Wohnungsbau.
Die CSU, die ihre Existenz damit begründet, das ominöse bayerische Mia-san-mia-Gefühl zu bedienen, scheint nicht nur bei der Herabwürdigung von Flüchtlingen ihren politischen Kompass verloren zu haben. Ministerpräsident Söder, der sich dafür lobt, ein Instinktpolitiker zu sein, hat mitsamt seinen Beratern und seinem Kabinett die kommende Brisanz des Themas Flächenfraß nicht erkannt – weil ihm Umweltpolitik weiterhin nichts bedeutet. Von CSU-Seite heißt es immer noch, dass der ländliche Raum Entwicklungsmöglichkeiten und dafür Platz brauche. Das ist das alte Fortschrittsdenken, das bis in die 80er Jahre währte. Es ist die alte CSU-Saga von vorgestern, wie die Partei das einst verarmte Bauernland aufgepäppelt und in goldene Zeiten geführt hatte.
Recht peinlich, da weitgehend nutzlos erscheinen aktuelle CSU-Umwelt-Feigenblätter wie das Verleihen des Gütesiegels „flächenbewusste Kommune“. In Bayern wurde das „Heimatministerium“ erfunden, und die CSU hat dieses Ressort auch im Bund durchgesetzt, Minister ist bekanntlich Horst Seehofer. Dass die Partei nun beim Flächenfraß im Abwehrkampf ist und sich nicht an die Spitze der Bewegung gestellt hat, zeigt die Schwierigkeit der CSU im Umgang mit gesellschaftlicher Realität.
In Sachen direkte Demokratie sind die bayerischen BürgerInnen sehr rege. Mit dem massenhaften Sammeln von Stimmen hatten sie schon vor fünf Jahren bewirkt, dass der damalige Ministerpräsident Seehofer die eingeführten Studiengebühren von sich aus beerdigte. Ein Wahlkampf mit dem Unterton, dass die christsozialen Heimaterfinder ihre Heimat vor allem zubetonieren wollen, könnte für Seehofer, Söder und Co. noch gefährlich werden.
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