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Kommentar FamilienpolitikDas war’s mit der Gleichstellung

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Geschlechtergerechtigkeit spielt für die große Koalition keine Rolle. Die Union hat sich mit ihrer Antiemanzipationspolitik durchgesetzt.

Familienpolitik: Hier wird in den nächsten vier Jahren nichts vorangehen. Bild: dpa

D ie Frauenbewegung soll jetzt aufgearbeitet werden, auch die der DDR. Fantastisch. Und auch der Helene Weber Preis für Kommunalpolitikerinnen soll weiterbezahlt werden. Noch nie gehört? Egal, beides ist ungemein wichtig. Zumindest in den Augen der neuen Koalition, die diese Vorhaben in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben hat – unter der Überschrift „Gleichstellung sicherstellen“.

Auf neun von 185 Seiten referieren Union und SPD, was sie für Familien, Frauen und Kinder in den nächsten vier Jahren tun wollen. Von „Familienfreundlichkeit“ ist da die Rede, von „geschlechtsspezifischen Ungerechtigkeiten“ und von der „Würde des Menschen“. Und die Koalition „wirbt für“, „will, dass“ und „wird Studien auflegen“. Ungenauer und unengagierter kann man eine politische Agenda nicht formulieren.

Was sich in den Verhandlungen bereits andeutete, ist nun beschlossen: Gleichstellung, Emanzipation, Geschlechtergerechtigkeit spielen für Christ- wie für Sozialdemokraten keine Rolle. Hier wird also in den nächsten vier Jahren nichts vorangehen.

Noch im Sommer hat die SPD großspurig propagiert, was sie alles für Frauen, Eltern und Familien tun will, wenn sie erst mal regiert: Betreuungsgeld abschaffen, Frauenquote einführen, Ehegattensplitting reformieren, Adoptionsrecht für Homosexuelle einführen. Fast nichts davon ist übrig geblieben.

Die Union hat sich mit ihrer Antiemanzipationspolitik klar durchgesetzt. Das versteckt sie geschickt, unter anderem mit einem länglichen Passus zu Jugendpolitik und Jugendverbandsarbeit. Pure Verlegenheitspassagen. Und wo beide Seiten gar nicht mehr weiterwussten, wurde flott ein neues „Prüfverfahren“ hingekritzelt – als „Demografie-Check“, als „Jugend-Check“ oder als „Dienstleistungsplattform“ im Internet.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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9 Kommentare

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  • G
    Gast

    Ich weiß ja nicht, aber ständig von den Frauen zu reden ist vielleicht ein bisschen einseitg... Was ist mit der Gleichberechtigung der Männer? Warum geht jeder davon aus, dass Männer sich nicht auch um ihre Kinder kümmern können und wollen, sobald sie nicht mehr an Mamas Brust nuckeln? Wo bleibt da die Gleichberechtigung? Männer machen Karriere, weil sie doch fast noch mehr Angst davor haben müssen, nach der Erziehungszeit nicht mehr Fuß fassen zu können als Frauen. Denn bei Frauen ist das ja normal, dass sie zu Hause bleiben. Wie bei Männern früher der Bund oder Zivi. Ich versteh das einfach nicht.

    Nächster Punkt: man bräuchte, so denke ich, auch keine spezielle "Jungenarbeit" wenn es mehr Männer in Berufen gäbe, die die frühkindliche Entwicklung beeinflussen. Erzieher, Grundschullehrer. Warum kümmert man sich da nicht endlich drum? Dass die Bezahlung endlich der Leistung angepasst wird?

    Mann und Frau sind nicht gleich, aber sie haben die gleichen Pflichten. Dann braucht es auch die gleichen Rechte.

    Ich kann diese ewige Kreischerei nach Gleichberechtigung nicht mehr hören. Denn wirklich stimmig kriegt das keiner hin. Eben weil Mann und Frau unterschiedlich sind.

  • R
    Raver

    Da die SPD aber nicht "regiert" sondern eher nur "mit-koalliert" ist ja wohl klar, dass nicht alles was die SPD im Sommer so von sich gab auhc kommen würde.

     

    Dann hätte die SPD vielleicht nfach mal mehr Stimmen bekommen müssen :-)

  • A
    anne

    Alles, was SIMONE SCHMOLLACK für dieses Thema schlecht findet, kann nur gut sein.

  • RB
    Ralf Becker

    Damit setzt die sog. SPD die erfolgreiche Emanzipationsverhinderungspolitik der FDP aus der letzten Regierung erfolgreich fort.

     

    Man kann als Schwuler in diesem Land schon garnicht mehr soviel Liebermann zitieren, wie man...

  • H
    Hans

    "Das war’s mit der Gleichstellung"

     

    Geschlechtergerechtigkeit spielt für die große Koalition keine Rolle. Die Union hat sich mit ihrer Antiemanzipationspolitik durchgesetzt."

     

    Frau Schmollack, Sie widersprechen sich schon nur in diesen drei Sätzen. Gleichstellung und Gleichberechtigung sind nicht ein und das selbe. Ganz im Gegenteil, das Eine widerspricht dem Anderen. Die Gleichberechtigung ist in diesem längst voll gegegen. Gleichstellung diskriminiert automatisch all jene, auf deren Kosten andere per Gesetz profitieren sollen. Ich persönlich halte so etwas für Verfassungswidrig.

  • MG
    männlicher Gast

    Ach Frau Schmollak, das hätten Sie aber wissen müssen, so als kämpfende Feministin. Zum Thema Familie gehören immer zwei: Mann und Frau.(in den meisten Fällen, von Feministinnen wie Ihnen wird es gern "Heteronormativität" genannt). Das rauen in der Familienpolitik vertreten sind, sieht man am Frauenministerium. Männer bzw. Väter will man dort gar nicht haben, daß hat die SPD vor der Wahl auch glasklar zum Ausdruck gebracht:

     

    "„Die antifeministische Männerrechtsbewegung wird, wenn wir in Regierungsverantwortung sein sollten, keinerlei Zugang bekommen. Wir werden dafür sorgen, dass progressive und profeministische Kräfte in der Männerpolitik gestärkt werden.“"

    http://man-tau.blogspot.de/2013/08/die-spd-als-gender-streber-und.html

     

    Männer und Väter, die sich selbstbestimmt dieses Themas annehmen wollen, werden als antifeministisch und somit nicht tragbar hingestellt.

     

    Auf SpOn kann man lesen, was beim Thema Gleichstellung wichtig war:

     

    "Im Koalitionsvertrag 2009 wollte man explizit Jungen fördern, jetzt heißt es: "Die Jungenarbeit soll nicht zu Lasten der Mädchenarbeit ausgebaut werden." Rollenstereotypen soll "entgegengewirkt", Mädchen und junge Frauen mehr für technische Berufsfelder begeistert werden."

    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/analyse-der-koalitionsvertrags-von-union-und-spd-a-935764.html

     

    Sie sehen also, für die Mädchen und Frauen ist gesorgt.

    Emanzipation à la Feminismus, SPD und CDU.

    Aber das wußten Sie sicherlich schon, Frau Schmollack....

  • Wie wär's mit GleichBERECHTIGUNG?

     

    Sollte die "Gleichstellung" der Geschlechter in der Koalitionsvereinbarung tatsächlich keine Rolle spielen, wäre das eine ausgesprochen gute Nachricht.

     

    Vielleicht ist den Damen und Herren der präsumtiven Koalition ja eingefallen, dass das Grundgesetz, auf das einige von ihnen demnächst Amtseide ablegen wollen, nirgendwo die Gleichstellung von Männern und Frauen vorschreibt, sondern ausschließlich deren Gleichberechtigung.

     

    Falls jemand den Unterschied nicht rafft:

     

    Gleichberechtigung ist, wenn alle am Start die gleichen Chancen haben.

     

    Gleichstellung ist, wenn durch unfaire Manipulationen dafür gesorgt wird, dass alle, ob schnell oder langsam, gleichzeitig am Ziel ankommen.

     

    Ich für meinen Teil bevorzuge - wie einst die "Mütter des Grundgesetzes" - die Gleichberechtigung.

  • BK
    Bei Kinderrechten ansetzen

    Wir brauchen eine breite Kampagne für die Umsetzung der UN Kinderrechtskonvention und explizit Kinderrechte im Grundgesetz. Das könnte die ganze Debatte in vieler Hinsicht beleben und verschiedenste konkrete Veränderungen befördern.

  • ON
    Oh Nein!

    Was? Die CDU hat nicht die Politik der Grünen 1:1 übernommen? Ein Skandal! Dabei haben ja nur über 90% der Deutschen diese abgelehnt. Natürlich könnte man für Volksabstimmungen kämpfen um diese endlich durchzusetzen. Oder lieber nicht. Demokratie ist für Quoten, Gender und Homo eher nichts. Wie man Linker weiß ist Demokratie eh nur was fürs papier. Wie in der DDR. Da hats noch geklappt mit dem besseren Deutschland. Nun soll auch das aufgearbeitet werden. Doppelskandal!