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Kommentar Fahrverbote vor GerichtReizgas und Reizworte

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Das Urteil zu möglichen Fahrverboten wurde vertagt. Dass Richter darüber entscheiden müssen, zeigt den Bankrott der Verkehrspolitik im Bund.

Stuttgart ist für seine extrem hohe Feinstaubbelastung bekannt Foto: dpa

F ünf Tage zum Nachdenken gönnen sich die Richter des Bundesverwaltungsgerichts. Erst dann wollen sie ihr Urteil und möglicherweise Fahrverbote für den Fall hoher Schadstoffbelastung der Luft in deutschen Städten verkünden. Zeit genug, um über die Skandale zu sprechen, die leider nicht in Leipzig verhandelt werden.

Zum Beispiel, dass es erst das Reizwort „Fahrverbot“ brauchte, um eine Debatte über das Reizgas in unseren Straßen möglich zu machen. Die tägliche Bedrohung, vor allem für Kinder und Kranke, durch giftige Atemluft nehmen wir klaglos hin. Aber wehe, die Automobilität wird nur minimal bedroht. Schon kippt der Ton ins Hysterische, weil angeblich „Enteignungen“ drohen. Als sei die Atemluft in manchen Quartieren nicht eine amtlich bestätigte Körperverletzung mit möglicher Todesfolge. Man sollte mal in einer repräsentativen Umfrage ermitteln, was die Menschen mehr stört: giftige Luft oder Fahrverbote.

Interessant ist auch, mit welch spitzen Fingern sich Medien, Kommunen und Verbände der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nähern, die das Verfahren angestoßen hat. Da ist von „Nervensägen“ und „Dieselhassern“ die Rede. Dabei tut die DUH, was bei ordentlicher Regierungsführung eigentlich überflüssig wäre: die Politik per Gericht zwingen, sich an die eigenen Gesetze zu halten.

Auch darüber lässt sich grübeln: Die viel zu hohe Belastung der Luft mit Stickoxiden ist kein Unfall oder Schicksalsschlag. Sie ist seit Jahren bekannt und ihre hauptsächlichen Verursacher stehen fest. Es sind vor allem die Autokonzerne, die ihre Abgasnormen nicht einhalten und Kunden und Politik böswillig darüber getäuscht haben.

Das Versagen der Politik

Es sind vor allem die Autokonzerne, die ihre Abgasnormen nicht einhalten

Verantworten müssen sie sich dafür in Deutschland bisher nicht, den Schaden beseitigen auch nicht. Bis heute bringen sie Autos auf die Straßen, die die Grenzwerte weit überschreiten. Obwohl sie so viel Geld verdienen wie noch nie, weigern sich VW, Daimler und Co beharrlich, durch einfachen Einbau von Katalysatoren ihre Produkte in einen ungefährlichen Zustand zu versetzen.

Der größte Skandal aber ist: Sie kommen damit durch. Anders als etwa in den USA lässt die deutsche Regierung zu, dass Autobauer die Gesetze brechen, ihre Kunden betrügen und unsere Gesundheit gefährden. Verkehrspolitik wird in Deutschland nicht von der Politik gemacht, sondern von allen anderen: den Autokonzernen, der EU, den Umweltschützern – und nun zum Glück auch von den Gerichten.

Dass die Dieselfrage vor Gerichten entschieden wird, zeigt den Bankrott der Verkehrspolitik im Bund: Das Ministerium des ehemaligen CSU-Ministers Alexander Dobrindt hätte das Problem längst regeln müssen. Aber aus Angst vor dem Wort „Fahrverbot“ hat Dobrindt die Handbremse gezogen. Dieses Versagen der Politik muss nun das Gericht aufarbeiten. Es ist gut, gewissenhafte Richterinnen und Richter zu haben. Besser wäre es, wir hätten auch verantwortungsvolle Ministerinnen und Minister.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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15 Kommentare

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  • Leider wird bei der ganzen Diskussion das Leid und Kosten der Betroffenen zu wenig gewichtet. Wenn man mal ein paar Monate mit massiven Atemwegsproblemen zubringt ändert sich die Sichtweise drastisch. Ich persönlich fahre jeden Tag ca 40 km mit dem Fahrrad durch Berlin und muss sagen es stinkt gewaltig. Die schlecht Luft ist auf den Straßen extrem zu riechen. Und jetzt

    rechne man bitte die Kosten wegen des Ausfall der Behandlung der Arbeitskräfte gegen den Wertverlust der Fahrzeuge. Ich selber fahre auch einen Euro 4 Diesel. Was bleibt mir auch bei drei Kindern übrig. Aber für mich reicht ein Touran und es braucht mir niemand erzählen, dass nicht 80 % der SUV-Fahrer auch problemlos einen Kompaktwagen mit Benzinmotor fahren könnten. Kleiner im Innerraum sind diese meistens auch nicht und außerdem stammen viele der fahrenden Schrankwände ja von Kompakten ab. Sicherlich liegt die Schuld bei der Schummelei mit der Abgasreinigung bei den Firmen, aber weg wir als Kunden so kurzsichtig sind und so egoistisch, dass wir trotz besseren Wissens die falsche Auto kaufen, wird sich auch nichts ändern. Geschweige denn, dass mein Euro 4 Diesel auch nur dann Schadstoffe ausstößt wenn ich ihn benutze. Wir in der Familie benutzen halt täglich Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel und wenn ich mal am Wochenende die halbe Fußballmannschaft oder zum Urlaub den halben Hausstand transportiere ist mein Fahrzeug wohl das kleinere Problem.

  • Na Servus.

    Trotzalldem - leicht amüsiert gelesen!;)

     

    "Kommentar Fahrverbote vor Gericht

    Reizgas und Reizworte …

    &

    Es ist gut, gewissenhafte Richterinnen und Richter zu haben. …" Schonn!

     

    Aber - "…Fünf Tage zum Nachdenken gönnen sich die Richter des Bundesverwaltungsgerichts.…" Ah ja!

    Zusätzlich!! - gell!Herr Bernhard Pötter.

    &

    Sorry - Wie sich klein Fritzchen die Arbeit eines Spruchkörpers vorstellt - hm¿!;)

    Nu. Wie dem Stellungnahmen im fernie zu entnehmen war - ham die Jungs sich Bisher vorher noch nicht endgültig - öh Zusammengerauft! Gellewelle.

     

    Was ja nicht unbedingt verwundert!

    Hat der 7. Senat doch gerade die quere "Elbvertiefungskiste" abgeräumt.

    Auch nicht grad 'n Pappenstiel!Newahr.

    &

    Bei der Materie hier - Da wird mann untereinander qua Sache schon - trotz langer Vorbereitung durch den BE & seinen M-BE - Nicht immer aus einem

    Dorf sein - wie auch?! Tiftelig im Finish.

    &

    Die "eine" - eine richtige Lösung -;) ist - Auch in der Justiz vielfach längst ahn Schmarrn! Aber Hallo!

    & ~> dazu ~>

    Der wahrlich nicht geschätzte - nö!

    Präsi Sendler - hat das mal so auf den Punkt gebracht "Waas! die eine richtige Lösung?! Was meinen Sie - wie hier im Senat manchmal die Fetzen fliegen!"

    Genau. Kammer Senat - echt wumpe!

     

    &

    (Noch kniffeliger - wenn sich Senate in Rechtlicher Bewertung nicht grün sind & der Große Senat ran muß!;)( Uppsala.

    "Ja was glaabe denn Sie?!" - beschied mich mal mittenim Trubel des KaDeWe Die dicken Taschen neben sich - Mein früher Refi-Ausbilder!;) - & Gemütlicher Südhesse - Als ich gar flapsig über dere fehlende systematische Begründung ablästerte!

    "Aach ihr Elaborat - ja - aber die

    Kenne' sich doch erst recht net über ne Begründung einige! Die stimme ab.Däh.

    &

    Ihr - Müßt dess dann vor Ort näher - Aasbaue!;))"

     

    So geht das.

    & sodele ~>

    Ha no. Schaugnmer also mal - Newahr!

    Na. Dann sehnmers scho! Gellewelle!;)

     

    (ps daß die taube Nuss Dobrindt & the GroßKotz et al ihrem Job nich machen! Stimmt.

    &

    Ist systemwidriger Mist! Ja!;((

  • Die Hauptschuldigen an giftiger Luft sind nicht die Konzerne, sondern die Fahrer.

     

    Auch bei einem Sturmgewehr ist immer noch derjenige schuld, der den Abzug betätigt. Daß man solchen Scheiß nicht bauen und verkaufen sollte, ist natürlich klar.

     

    Wer in einem fetten SUV, Porsche, BMW, Mercedes oder einem alten Diesel rumgurkt, beteiligt sich an der fahrlässigen Körperverletzung. Ebenso wer meint, mit der Karre zum Bäcker fahren zu müssen. Eigentlich müßte man Nummern aufschreiben und klagen.

    • @kditd:

      So ein Unsinn, natürlich sind die Konzerne Schuld.

       

      Um bei Ihrem Waffenbeispiel zu bleiben: Die Regierung kauft für die BW ein Sturmgewehr, nennen wir es -nur mal für Spaß - G36.

      Nach Ihrer Logik wäre der einzelne Soldat dann Schuld, wenn das Ding nach 3 Schüssen wegen Überhitzung nicht mehr feuert/ungenau wird.

    • @kditd:

      Man darf niemand von seiner persönlichen Verantwortung freisprechen, leider zeigen aber Untersuchungen immer wieder, dass es eine Mehrheit gibt, die der Werbung/Manipulation/Propaganda erliegt. Und die ist heute schon sehr ausgefeilt. Mit der Begründung, dass die Menschen ja die freie Wahl hätten, läuft das sogar viel besser als in Systemen mit herkömmlicher staatlicher Repression.

    • @kditd:

      Oh. Selbstanzeige. Ich hole meine Sonntagsbrötchen regelmäßig im Porsche-SUV. Wollen Sie nun gegen mich klagen ?

    • @kditd:

      "Reizworte", steht in der Überschrift. Also dann los: Sie machen es sich meiner Ansicht nach zu leicht mit der Schuldfrage, werter KDITD. Ist denn ein Pitbull schuldig, der einen Jogger beißt, weil sein Herrchen ihn falsch abgerichtet hat?

       

      Wir nennen es Bildung und Erziehung, wenn Kinder nachplappern und gehorchen lernen, nicht selber denken und widersprechen. Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass ein Erwachsener, der als Kind aufs Gehorchen konditioniert wurde, ein Verhalten, das bis eben noch konform war, über Nacht ändern kann, nur weil ein Gericht geurteilt hat?

       

      Sicher, neue Herren können neue Kommandos geben. Aber wenn sie erwarten, dass Menschen sich genau so einfach starten und wieder abstellen lassen wie ein Auto oder ein Fernseher, wissen sie nichts über Menschen. Dann kennen sie nicht einmal sich selber.

    • @kditd:

      Na Mahlzeit!

       

      Sie habe scheint's nen Sesselchen - hm!

      Gleich neben NRA & Trump & Cie.

      Reserviert - hm?!

      Remember - "Auto als Waffe"! inne taz!

      kurz - Aufschreiben is ja sehr - deutsch!

      Ha noi. Schonn!

    • @kditd:

      "Die Hauptschuldigen an giftiger Luft sind nicht die Konzerne, sondern die Fahrer."

      Sonst noch irgendwelche Wünsche, die Sie von Herrn Wissmann ausrichten lassen? Ein Auto ist kein Sturmgewehr, sondern ein Transport- und Fortbewegungsmittel. Ein -gerne stimme ich da zu - außerordentlich kritikwürdiges, insbesondere in der Hand der Angsthasen, die einen 2.5 Tonnen schweren Brötchenhol-Panzer brauchen.

       

      Sollen die Käufer vielleicht eine 100k€ schwere Messtechnik kaufen, damit sie sichergehen können, dass die Konzerne sie nicht belügen und betrügen? Und die Fahrzeuge wirklich Euro 5- oder 6-Norm einhalten? Was für eine Schnapsidee! Oder sollen wir vielleicht auch nachmessen, ob eine A++-LED-Lampe wirklich so wenig Strom braucht, es könnte ja sein, wir machen uns auch auf diese Weise mitschuldig am Klimawandel. Dank solcher Helden der Logik wie Ihnen werden die Innovationsverweigerer der Autoindustrie auch mit ihrer Anti-Nachrüstungskampagne durchkommen, sie werden sich erfolgreich um den Einbau einer inzwischen im 11. Jahr verfügbaren Technik, den SCR-Kat, drücken können. Wenn schon die Öko-Dödel die Kunden für den Betrug der Hersteller verantwortlich machen: Herr Wissmann wird Ihnen die Propagandahilfe herzlichst danken.

       

      Übrigens auch die Enteignung ist für viele Fahrverbots-Betroffene außerordentlich real. 'Geschrei' ist es nur für Taz-Redakteure, die in ihrer technischen Ahnungslosigkeit nur die Deppen-Alternativen von DUH und VDA auf dem Schirm haben: Fahrverbot oder Umweltverschmutzung und Gesundheitsgefährdung.

      Und: nein, die Harnstoff-Kat-Nachrüstung ersetzt nicht den Ausbau des OPNVs, und auch nicht eine städtebauliche und damit verkehrsvermindernde Kehrtwende.

  • "Der größte Skandal aber ist: Sie kommen damit durch."

    Naja, was heißt Skandal. Kapitalismus halt. Kapital=Macht=Einfluss auf Politik. Wollen wir das wir Menschen selbst entscheiden, dann sollten wir Staat und Kapitalismus überwinden.

    • @Uranus:

      Die USA sind kapitalistisch und dort haben die Konzerne drakonische Strafen hinnehmen müssen. Warum hier zu lande nicht?

    • @Uranus:

      Sie glauben, im Sozialsmus wärs besser - selten so gelacht.

      Das Problem liegt nicht im Kapitalismus. Das Problem liegt daran, dass - wie im Artikel beschrieben - die Politik sich nicht an die eigenen Gesetze hält. Erstes Ziel ist ja die Wiederwahl, nicht das Wohl der Bevölkerung.

      • @Blacky:

        Kapitalismus = Wirtschaftsordnung

         

        Sozialismus = Gesellschaftsordnung

        ---

        Sie vergleichen Äpfel mir Birnen.

  • Bewegung kam erst, als der Staat abgemahnt wurde. Und jetzt versuchen Stadt, Land Bund verzweifelt die Zuständigkeit möglichst weit weg abzuwälzen.