Kommentar Essen im Umweltministerium: Böser, böser Brokkoli
Der Hendricks-Beschluss folgt fern aller Ideologie dem Gebot der praktischen Vernunft. Vegetarische Kost schließt heutzutage die wenigsten Esser aus.
S tellen Sie sich vor, Sie haben einen Bekannten, der Vegetarier ist und Sie zum Essen einlädt. Würden Sie sich aufregen, dass kein Fisch und kein Fleisch auf den Tisch kommt? Sicher nicht. Auch für Gäste gelten gewisse Anstandsregeln. Dazu gehört auch, ein missratenes Gericht zu loben. Es geht je schließlich ums gute Beisammensein. Der gesunde Menschenverstand rät: Wer gut und nach seiner Façon essen will, sucht sich lieber ein Restaurant.
Apropos: Die Union führt sich gerade auf, als sei das Umweltministerium der Fresstempel der Nation. Denn Barbara Hendricks (SPD) hat ihr Haus angewiesen, Gäste künftig vegetarisch zu bewirten. Ihr Kollege, Agrarminister Christian Schmidt (CSU), lässt sich ohnehin gerade leicht von ihr provozieren, egal ob es Gedanken sind, Fleisch höher zu besteuern, eine Anzeigenkampagne mit „neuen Bauernregeln“ für eine nachhaltigere Landwirtschaft oder jetzt die Veggie-Regelung. Jedes Mal poltert er derart los, dass man den Mann inzwischen lieber Schnitzel- als Landwirtschaftsminister nennen will.
Aber bleiben wir in der Gastronomie. Wer dort was auf sich hält, hat inzwischen immer die vegetarische oder vegane Alternative parat. Weil immer mehr Menschen durch die Tür treten, die nicht unproblematisch zu verköstigen sind, die Allergien anmelden, Unverträglichkeiten haben, die manchmal vielleicht nur leicht essen wollen. Der Hendricks-Beschluss folgt da fern aller Ideologie einem Gebot der praktischen Vernunft. Vegetarische Kost schließt heutzutage die wenigsten Esser aus. Man kann das sogar als gute Gastgeberschaft werten.
Und so wie Frau Hendricks ihr Hausrecht nutzt, kann es ja gern auch Herr Schmidt tun, ginge es ihm tatsächlich so ums tierische Protein. Wir warten auf seine Verordnung, dass Gäste im Agrarministerium ausschließlich carnivor bewirtet werden, am besten mit Weißwurst.
Wetten, da suchen sich mehr Leute vor dem Termin ein gutes Lokal?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen