Kommentar EZB-Zinspolitik: Spektakuläre Kehrtwende

Dass die Europäische Zentralbank den Leitzins vorerst doch nicht anhebt, ist ein alarmierendes Signal: Europas Wirtschaft schrumpft.

Die Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) ragt aus dem morgendlichen Dunst der Bankenmetropole heraus

Die EZB-Entscheidung wurde einstimmig getroffen. Das zeugt von Panik Foto: Boris Roessler/dpa

Wenigstens auf die Europäische Zentralbank ist Verlass: Sie hat beschlossen, ihre Zinsen vorerst bei Null zu lassen. Diese Entscheidung war zwingend, denn Europa ist auf dem Weg in eine Rezession. Die EZB rechnet in diesem Jahr nur noch mit einem Wachstum von 1,1 statt wie bisher 1,7 Prozent.

Selbst diese Prognose dürfte geschönt sein, denn die deutsche Wirtschaft schrumpft bereits seit einem halben Jahr, wie die Ökonomin Friederike Spiecker kürzlich berechnet hat. Auch die Bundesbank ist offenbar panisch, denn die EZB-Entscheidung wurde einstimmig getroffen. Das ist ein Signal, denn in der Vergangenheit ist die Bundesbank oft ausgeschert und hat die Niedrigzinspolitik kritisiert.

Eine Rezession in Deutschland ist eine schlechte Nachricht für ganz Europa, denn bisher war die Bundesrepublik eine wichtige Konjunkturstütze: In den vergangenen neun Jahren ist die deutsche Wirtschaft deutlich gewachsen, während andere Euroländer in der Krise verharrten. Zudem macht Deutschland knapp 30 Prozent der Wirtschaftsleistung in der Eurozone aus.

Die EZB hat aber nicht nur die Zinsen gesenkt – sie hat damit eine spektakuläre Kehrtwende hingelegt. Immer wieder hatte sie verkündet, dass sie ab Sommer 2019 die Zinsen langsam erhöhen würde. Der plötzliche Abschied von dieser lang geplanten Strategie zeigt, wie alarmiert die EZB-Spitze ist.

Der starre Blick aufs Konto führt in die Irre

Am 8. März veröffentlichen wir auf taz.de nur Beiträge von Frauen* und nicht-binären Menschen, und auch nur diese kommen darin vor: als Expert*innen, als Protagonist*innen, auf den Fotos. Trotzdem beschäftigen wir uns nicht primär mit dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch gern als „Frauenthemen“ bezeichnet wird – sondern mit dem Tagesgeschehen.

Viele Sparer*innen dürften jetzt wütend sein, dass sie weiterhin keine Zinsen erhalten. Doch dieser starre Blick aufs Konto führt in die Irre: Steigende Zinsen bedeuten mehr Arbeitslose, weil Investitionen teurer würden. Es ist besser, seine Stelle zu behalten, als ein paar Euro bei der Bank zu kassieren.

Allerdings wird es nicht mehr reichen, allein Geldpolitik zu betreiben und die Zinsen bei Null zu halten. Investitionen werden ja nicht getätigt, nur weil Kredite billig sind. Entscheidend ist die Nachfrage – sie kann nur der Staat ankurbeln, wenn Krise herrscht. Die Bundesregierung muss sich endlich von ihrem Fetisch namens „Schwarze Null“ verabschieden.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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