Kommentar EU und Freihandel: Nichts dazugelernt
Freihandelsabkommen werden vor allem wegen der Sondergerichte für ausländische Konzerne kritisiert. Zu Recht, denn diese sind vollkommen unnötig.
E s war ein gewaltiger Widerstand, auf den die Europäische Kommission mit ihren letzten Handelsabkommen gestoßen ist: Der TTIP-Vertrag mit den USA liegt wegen der breiten Kritik in Europa und der harten Haltung des neuen US-Präsidenten Donald Trump auf Eis; das Ceta-Abkommen mit Kanada wurde trotz massiver Proteste von Rat und EU-Parlament gebilligt, doch ob es auch durch die nationalen Parlamente kommt, ist offen.
Im Mittelpunkt der Kritik standen stets die Sonderrechte für Investoren, die aufgrund der Abkommen klagen können, wenn sie sich durch demokratische Entscheidungen benachteiligt sehen. Nicht nur linke Globalisierungskritiker*innen, sondern auch Organisationen wie der Deutsche Richterbund haben immer wieder vor diesen Schiedsgerichten gewarnt – auch in der verbesserten Version, die die EU im Abkommen mit Kanada durchgesetzt hat.
Statt aus dieser Kritik zu lernen, hält die EU auch im geplanten Abkommen mit Japan am Investitionsschutz fest. Dabei verfügen beide Seiten über einen funktionierenden Rechtsstaat; Sondergerichte für ausländische Konzerne sind damit völlig unnötig. Doch offenbar möchte die EU künftig bei jedem Abkommen so viel Stress haben wie bei Ceta. Auch ansonsten machen die Kommission und die Bundesregierung den Eindruck, dass sie aus den Problemen der Vergangenheit wenig gelernt haben. Die Zusage, auf die Kritik an den Geheimverhandlungen mit maximaler Transparenz zu reagieren, wird nicht eingehalten: Die entscheidenden Dokumente sind so geheim wie zuvor.
Und was davon jetzt trotzdem bekannt wird, lässt weitere Zweifel an der Lernfähigkeit der Beteiligten aufkommen. Diverse Zugeständnisse, die die Kritiker bei Ceta erkämpft haben, sind im Japan-Abkommen wieder gestrichen worden. Und Japan will sich bisher nicht einmal auf die reformierten Schiedsgerichte einlassen, sondern beharrt auf dem alten, völlig intransparenten System.
Die Kommission setzt offenbar darauf, dass die Kritiker der Abkommen irgendwann müde werden. Ob diese Hoffnung aufgeht, ist offen. Wenn die EU den Handel wirklich fördern will, sollte sie künftige Abkommen wieder darauf beschränken – und umstrittene Instrumente wie Investorenschutz und Mitspracherechte für Unternehmen im Gesetzgebungsprozess von vornherein ausschließen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken