Kommentar EU-Wahl in Polen: Ohne Vision
In Polen war die Wahlbeteiligung zur EU-Parlamentswahl erschreckend niedrig. Kein Wunder: Der Wahlkampf war ein Desaster.
M it knapp 90 Prozent Zustimmung sind die Polen zwar begeisterte EU-Anhänger, aber am Sonntag machten nur rund 23 Prozent der Stimmberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Der Wahlkampf in den Wochen zuvor war aber auch ein Desaster: langweilig, zum Teil absurd und ohne jede Vision.
Anders als in Polen, wo die dramatischen Ereignisse im Nachbarland Ukraine keinerlei Einfluss hatten, setzten die baltischen Staaten ganz bewusst auf proeuropäische Parteien. In Polen lieferten sich hingegen zwei konservative Parteien ein Kopf-an-Kopf-Rennen, die EU-freundliche Bürgerplattform von Donald Tusk und die EU-skeptische „Recht und Gerechtigkeit“ von Jaroslaw Kaczynski, die beide jeweils 30 Prozent gewannen.
Polens Protestwähler, darunter viele junge Menschen, wählten rechtsradikal. Janusz Korwin-Mikke hatte es geschafft, mit seinen provokativ-abstrusen Thesen über Frauen, die „von Natur aus weniger intelligent als Männer“ seien und sich „daher vor allem zur Kinderbetreuung eigneten“, zum Medienliebling aufzusteigen. Seine „Neue Rechte“, die die EU von innen zerstören will, brachte es aus dem Stand auf 7 Prozent.
Polens Linke wiederum haben sich selbst ausgebootet. Die Wahlkampagne der „Europa + Deine Bewegung“ war so absurd, dass die meisten Polen nur die Augen verdrehten. Das Wahlbündnis von Linksallianz (SLD) und Union der Arbeit (UP) wiederum legte einen so blassen Wahlkampf hin, dass es gerade mal fünf Abgeordnete nach Straßburg schicken kann. Wofür diese dort eintreten wollen, ist jedoch unklar. Das gilt allerdings für die meisten anderen der polnischen EU-Parlamentarier genauso. Auf der Strecke geblieben ist bei dieser Europawahl eine Idee von Europa. Die Polen jedenfalls starten ohne jede Vision in die neue Legislaturperiode.
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