Kommentar EU-Klimasbeschlüsse: Deutsches Hobby Energiewende

Lasche Ziele in Brüssel: Merkel sitzt in der Klimafalle, in die sie sich selbst manövriert hat. Doch Schadenfreude ist nicht angebracht.

Dunkle Wolken über einer Solaranlage: Projekt Energiewende bald nur noch teures Hobby? Bild: dpa

Eine bezeichnende Koinzidenz: Während Energieminister Sigmar Gabriel bei der Kabinettsklausur in Meseberg sein Konzept für die gebremste deutsche Energiewende vorstellt, verabschiedet sich in Brüssel die EU-Kommission von einer ehrgeizigen Klimapolitik.

Die Ziele für 2030 klingen zwar ganz gut: minus 40 Prozent bei den Treibhausgasen, doppelt so viel wie bis 2020, und 27 Prozent Erneuerbare EU-weit. Der Teufel steckt im Detail: Das Klimaziel schrumpft nach Expertenrechnungen auf 33 Prozent, wenn man die überschüssigen Zertifikate im Emissionshandel kalkuliert. Und ziemlich genau dort landet die EU, wenn sie einfach weitermacht wie bisher.

Das wäre das offizielle Ende der Vorreiterrolle der EU beim Klimaschutz. Ein bisschen peinlich auch für die ehemalige „Klimakanzlerin“ Angela Merkel, die vor sieben Jahren die weitgehenden Ziele für 2020 in Brüssel durchsetzte. Aber wirklich ernst wird es für die Bundesregierung durch das Nicht-Ziel für die Erneuerbaren. Denn 27 Prozent ohne bindende Verpflichtung für die einzelnen EU-Mitgliedstaaten sind eine Luftnummer.

Wenn den Staaten kein Verfahren aus Brüssel droht, bewegen sie sich nicht. Deutschland und die paar anderen Länder, die auf ein zukunftsfähiges Energiesystem jenseits von Kohle und Atom setzen, dürfen dann noch ihrem Hobby „Energiewende“ frönen und die Kosten allein tragen.

Grenzen im Kreis der Kollegen

Das kann für die Bundeskanzlerin gefährlich werden. Denn die Energiewende ist jenseits der Öko-Rhetorik inzwischen ein zentrales Projekt ihrer Großen Koalition. Merkel will deshalb im März beim EU-Gipfel, wo die Entscheidungen fallen, für schärfere Ziele werben.

Aber im Kreis ihrer Kollegen wird die Bundeskanzlerin schnell an ihre Grenzen stoßen: Anders als in der Eurokrise fehlt Deutschland hier der finanzielle Hebel, um die anderen auf Kurs zu bringen. Dann hat sie beim Thema Ökostrom längst nicht so einhellige Rückendeckung der öffentlichen Meinung und der Wirtschaft in Deutschland wie beim Euro.

Merkel sitzt in der Klimafalle, in die sie sich selbst manövriert hat: Denn über die letzten Jahre war Deutschland in Brüssel beim Thema Energie und Klima nicht entscheidungsfähig und bekommt nun die Quittung für vier Jahre Stillstand und Obstruktion.

Schadenfreude ist aber nicht angebracht. Denn ausbaden müssen das die Öko-Industrien, die deutschen Stromkunden und die Opfer des Klimawandels.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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